| # taz.de -- Das war die Woche in Berlin II: Das rechte Auge von Justizia | |
| > Ein Mitglied des AfD-Vorstands in Brandenburg wird Leitender | |
| > Oberstaatsanwalt in Berlin. Das ist politisch instinktlos. | |
| Bild: Ist sie unparteiisch? | |
| Völlig zu Recht eines der großen Aufregerthemen in dieser Woche: Am | |
| Dienstag wurde bekannt, dass ein AfD-Vorstandsmitglied aus Brandenburg zum | |
| neuen Leitenden Oberstaatsanwalt in Berlin befördert wurde. Roman Reusch, | |
| der öffentlich dafür plädiert, hier geborene kriminelle Jugendliche mit | |
| Migrationshintergrund abzuschieben, ist nun zuständig für die Abteilung | |
| „Auslieferung ausländischer Straftäter“. Kein Wunder, dass die Vereinigung | |
| der Strafverteidiger das Vertrauen in die Neutralität | |
| staatsanwaltschaftlicher Entscheidungen beschädigt sieht. Wer kann | |
| ernsthaft glauben, dass der Anhänger einer Partei, die in einem fort gegen | |
| Flüchtlinge und Muslime agitiert, willens und in der Lage ist, Verdächtige | |
| vorurteilsfrei zu behandeln, also ohne Ansehen von Pass und Hautfarbe? | |
| Verteidigt wird die Entscheidung mit dem Beamtenrecht. Man habe von der | |
| AfD-Mitgliedschaft gar nichts gewusst, heißt es aus Justizkreisen, das | |
| hätte aber auch nichts geändert, die AfD sei ja eine legale Partei, und | |
| Beamte dürften sich politisch engagieren, wenn sie das „Mäßigungsgebot“ | |
| beachteten. | |
| Eine derart legalistische Argumentation steht freilich auf wackeligen | |
| Füßen. Wie mäßigend und zurückhaltend ist denn ein Mann, der jugendliche | |
| Straftäter zu Erziehungszwecken in U-Haft stecken will – was das Gesetz gar | |
| nicht zulässt. Und steht es nicht derzeit gerade infrage, ob die AfD | |
| wirklich auf dem Boden des Grundgesetzes und der | |
| freiheitlich-demokratischen Grundordnung steht? Nicht nur Äußerungen wie | |
| die vom Schießbefehl gegen Flüchtlinge lassen zweifeln. Und SPD-Chef Sigmar | |
| Gabriel steht auch nicht allein mit seiner Forderung, die Partei vom | |
| Verfassungsschutz beobachten zu lassen. Das letzte Wort, wie gesetzes- und | |
| verfassungstreu diese Partei ist, ist mit Sicherheit noch nicht gesprochen. | |
| So zeugt es zumindest von politischer Instinktlosigkeit, einen rechten Bock | |
| wie Reusch zum Gärtner ausgerechnet auf dem Feld der „ausländischen | |
| Straftäter“ zu machen. Und vielleicht ist es sogar mehr: Denn wie | |
| glaubwürdig ist es angesichts der Bekanntheit von Reusch, der wegen seiner | |
| Äußerungen schon einmal versetzt wurde, dass man nichts von seiner | |
| Parteizugehörigkeit wusste? Wollte man da womöglich im Wahljahr ein Zeichen | |
| setzen Richtung rechte Protestwähler – nach dem Motto: Seht her, wir tun | |
| doch was? | |
| Fest steht: Wir leben in einem Land, in dem Lehrerinnen mit Kopftuch als | |
| Gefahr für die weltanschauliche Neutralität des Staates gelten – und | |
| Staatsanwälte mit dezidiert rechter Gesinnung wegen ihrer „hervorragenden | |
| Arbeit“ gefördert werden. Der Zeitgeist, der daraus spricht, gibt Anlass | |
| zur Sorge. | |
| 23 Apr 2016 | |
| ## AUTOREN | |
| Susanne Memarnia | |
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