# taz.de -- Aus „Le Monde diplomatique“: Aufstieg einer gefährlichen Branc… | |
> Kriege, Rüstungsausgaben und Waffenverkäufe nehmen rasant zu. Auch | |
> Konfliktstaaten und Diktaturen sind kein Hinderungsgrund. | |
Bild: Schon die Kleinsten lernen den Zugang zum boomenden Geschäft | |
Anfang der 1990er Jahre konnte man den Eindruck haben, das Ende des Kalten | |
Kriegs werde auch die meisten internationalen Konflikte beenden und die | |
Waffenarsenale der großen und kleinen Mächte leer fegen. Tatsächlich gingen | |
die Rüstungsausgaben zunächst deutlich zurück. Doch der „Krieg gegen den | |
Terror“ mit den Schwerpunkten Afghanistan und Irak verschaffte dem | |
militärisch-industriellen Komplex in den USA neue Aufträge. | |
Heute kämpft eine internationale Koalition gegen den „Islamischen Staat“ | |
(IS) in Syrien. Auch die russische Waffenindustrie hat ihre postsowjetische | |
Starre überwunden und legt wieder kräftig zu. Frankreich verkauft Waffen an | |
Staaten des Golfkooperationsrats und nach Asien; Indien und China träumen, | |
angetrieben von ihrer wirtschaftlichen Dynamik, von einer Vormachtstellung | |
in ihrer jeweiligen Region. Deutschland und Japan, die Besiegten des | |
Zweiten Weltkriegs, haben ihre historisch bedingten Hemmungen teilweise | |
überwunden und sind dabei, mit ihrer leistungsfähige Rüstungsindustrie neue | |
Absatzrekorde zu erzielen. | |
„2014 gab es mehr Kriege als in jedem anderen Jahr seit 2000“, ist [1][im | |
Jahrbuch des Stockholm International Peace Research Institute (Sipri) zu | |
lesen]. Die weltweiten Militärausgaben sind in den vergangenen zehn Jahren | |
um ein Drittel gestiegen und lagen 2014 bei rund 1700 Milliarden US-Dollar. | |
In Nordafrika und Osteuropa haben sie sich mehr als verdoppelt und im Nahen | |
Osten ebenso wie in Ostasien um zwei Drittel zugenommen. Nachdem die USA | |
ihre Truppen aus dem Irak vollständig und aus Afghanistan großenteils | |
abgezogen hatten, begannen sie zunächst ihre Militärausgaben | |
zurückzufahren. Doch 2014 war mit 610 Milliarden Dollar wieder das Niveau | |
von 2007 erreicht, das heute etwa einem Drittel der gesamten weltweiten | |
Rüstungsausgaben entspricht. | |
Nach den neuesten Zahlen von Sipri vom Februar 2016 war das Gesamtvolumen | |
der Waffenverkäufe in den letzten fünf Jahren (2011–2015) „so groß wie n… | |
nie seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs“. Bei den Waffenlieferanten liegen | |
die USA auf Platz eins mit 32,5 Prozent Anteil am Weltmarkt, dicht gefolgt | |
von Russland (25,3 Prozent). Diese beiden Rüstungsgiganten sind in der | |
Lage, Waffensysteme anzubieten, die unter realen Kriegsbedingungen („combat | |
proven“) getestet wurden. | |
Mit großem Abstand liegen auf den Plätzen drei bis fünf: China (5,9 | |
Prozent), Frankreich (5,6 Prozent) und Deutschland (4,7 Prozent). Bei den | |
Abnehmerländern (Importeuren) liegt Indien (ebenfalls im Zeitraum | |
2011–2015) weit in Führung, gefolgt von Saudi-Arabien, China, den | |
Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) und Australien. | |
## Boom in den Schwellenländern | |
Mittlerweile sind auch die Schwellenländer „in mehreren Bereichen in der | |
Lage, internationale Aufträge an Land zu ziehen und so den großen | |
westlichen Anbietern Konkurrenz zu machen“, heißt es im [2][Vorwort eines | |
Parlamentsberichts über die französischen Rüstungsexporte 2015.] Auf diesem | |
Gebiet ist China zu einem zentralen Akteur geworden. In Japan wurde ein | |
Verbot von Waffenverkäufen ins Ausland, das seit 1967 bestanden hatte, im | |
April 2014 aufgehoben. Auch Südkorea will seine Rüstungsindustrie zu einer | |
tragenden Säule künftigen Wirtschaftswachstums machen. | |
Israel ist nicht nur ein führender Anbieter von Drohnen und | |
Polizeiausrüstung, sondern investiert inzwischen auch in kybernetische | |
Waffensysteme. Der Iran, durch Sanktionen 30 Jahre lang international | |
isoliert, entwickelt einen militärisch-industriellen Komplex, der demnächst | |
auch auf den Exportmärkten mitmischen wird. Selbst die kleinen Vereinigten | |
Arabischen Emirate haben den Ehrgeiz, in Zusammenarbeit mit Algerien und | |
Frankreich die Basis für eine eigene Rüstungstechnologie und -industrie zu | |
entwickeln, um sich auf das Post-Ölzeitalter vorzubereiten. | |
Neben der wachsenden Konkurrenz der Anbieter gibt es einen weiteren Trend: | |
Immer mehr Staaten wollen mit dem Kauf von Waffen zugleich einen | |
Technologietransfer durchsetzen. Zum Beispiel fordern Indonesien und die | |
Türkei, dass 50 Prozent des Auftragsvolumens an lokale Unternehmen vergeben | |
werden – wozu das entsprechende Know-how gehört. Und Indien verlangt bei | |
jedem Deal eine entsprechende Zusage für 30 Prozent des Vertragswerts, eine | |
Bedingung, die den Ankauf von Rafale-Kampfflugzeugen des französischen | |
Hersteller Dassault seit mehreren Jahren verzögert. | |
Manche Verträge beinhalten eine Verlagerung von Arbeitsplätzen, die | |
Zusammenarbeit mit lokalen Unternehmen sowie die Ausbildung von technischem | |
Personal vor Ort. Die Verkäufer riskieren jedoch, damit langfristig | |
künftige Konkurrenten zu fördern. Zudem droht die unmittelbare Gefahr einer | |
Kostenexplosion, die für viele Länder, etwa im Maghreb oder am Golf, | |
ruinöse Folgen haben kann. | |
## Es geht um Arbeitsplätze | |
Entgegen einem verbreiteten Vorurteil sehen die Gewerkschaften der | |
staatlichen oder privaten Rüstungsfirmen diese Entwicklung durchaus | |
kritisch. Waffen seien kein Produkt wie jedes andere, meint zum Beispiel | |
Eric Brune, Vertreter des Gewerkschaftsbunds CGT im französischen | |
Rüstungsbetrieb Nexter: „Natürlich machen wir uns Sorgen um die | |
Arbeitsplätze. Aber das ist bei den Exporten nicht der Kern des Problems, | |
der liegt vielmehr in der Politik.“ Und er nennt ein Beispiel: Wenn die | |
Sicherung von 2.000 Arbeitsplätzen in Roanne (einem der wichtigsten | |
Produktionsstandorte für Panzerfahrzeuge) bedeutet, dass es „woanders | |
100.000 Tote gibt, dann hat das Ganze keinen Sinn“. | |
Der französischen Rüstungssektor beschäftigt bei einem Jahresumsatz von 15 | |
Milliarden Euro etwa 160.000 Menschen, wobei 40.000 der Arbeitsplätze | |
direkt vom Export abhängen. Die Rüstungsbetriebe sind über ganz Frankreich | |
verteilt, wobei sich die Produktion nur relativ schwer verlagern lässt (was | |
erst recht für die Zulieferer gilt). Sie produzieren die gesamte Ausrüstung | |
der französischen Armee – mit Ausnahme von Drohnen – und erhalten pro Jahr | |
öffentliche Aufträge in Höhe von 11 Milliarden Euro. Zudem profitiert die | |
gesamte Industrie des Landes von der offiziellen Verteidigungspolitik, | |
insofern diese der nuklearen Abschreckung hohe Priorität einräumt. Das | |
bedeutet zum einen Wartungsaufträge für das atomare Arsenal, zum anderen | |
Forschungsgelder für die Entwicklung neuer nuklearer Waffensysteme. | |
Dass die französische Außenhandelsbilanz im Bereich Rüstungsgüter einen | |
Überschuss aufweist, liegt vor allem an einigen sehr guten Kunden im Nahen | |
Osten. Ohne dieses sektorale Plus wäre das gesamte Handelsbilanzdefizit im | |
Zeitraum 2008 bis 2013 jedes Jahr um 5 bis 8 Prozentpunkte höher | |
ausgefallen. Der Verkauf des Mehrzweckkampfflugzeugs Rafale an Ägypten und | |
Katar machte 2015 zu einem triumphalen Jahr für die französische | |
Rüstungsindustrie: Die Aufträge im Wert von 16 Milliarden Dollar lagen | |
doppelt so hoch wie 2014 und viermal so hoch wie 2012. Und wenn der | |
Rafale-Deal mit Indien abgeschlossen wird, könnte 2016 zum neuen Rekordjahr | |
werden. | |
General Vincent Desportes, ehemaliger Leiter des Collège interarmées des | |
défense, verweist allerdings darauf, dass die Bewahrung „entscheidender | |
Fähigkeiten“ immer schwerer wird: „Wenn eine bestimmte Grenze | |
unterschritten wird, verlagern sich die Aktivitäten ins Ausland, in eine | |
andere Branche oder sie verschwinden ganz.“ Deshalb müsse man, so | |
Desportes, unbedingt einen „Kern industrieller Souveränität“ erhalten. | |
## Dual-use gefordert | |
Das gilt besonders in Zeiten, in denen der Zugang zu bestimmten | |
Technologien durch das Itar (International Traffics in Arms Regulations) | |
beschränkt wird. Nach diesem von der US-Regierung erlassenen Regelwerk kann | |
ein Verkäufer am Abschluss eines Geschäfts gehindert werden, wenn sein | |
Produkt auch Komponenten aus US-Produktion enthält. Auf diese Weise konnte | |
Washington den 2013 abgeschlossenen „Falcon-Eye-Vertrag“ über den Verkauf | |
von zwei Spionagesatelliten an die Vereinigten Arabischen Emirate durch | |
Airbus und Thales mehr als ein Jahr lang blockieren. General Desportes | |
befürchtet eine „Zwangsangleichung“ an die Operationsmethoden und die | |
„destruktive Konzeption von Krieg“ der Amerikaner, denen er einen | |
„verrohenden Einfluss“ auf die ganze Branche bescheinigt. | |
Die Gewerkschaften fordern bereits seit Langem, die Rüstungsbranche zu | |
diversifizieren und stärker auf Dual-use-Produkte und -Anwendungen zu | |
setzen. Das würde bedeuten, dass die Unternehmen – private wie | |
halbstaatliche – nicht mehr allein von der Produktion und dem Export von | |
Waffen abhängen und sich rasch umorientieren können, falls die Nachfrage | |
nach Rüstungsgütern einmal mangels öffentlicher Aufträge zurückgehen | |
sollte. Einige Gewerkschaften, darunter die CGT, kämpfen für die Gründung | |
eines öffentlichen Rüstungsunternehmens, in dem der Staat ein | |
Mitspracherecht hätte – als Kunde, aber auch als regulierender Faktor einer | |
Branche, die viel mit der Außenpolitik und fundamentalen Werten des Landes | |
zu tun hat. | |
Damit könnte man erreichen, dass die unwürdige Jagd nach Milliarden, die | |
von den Staaten und ihren höchsten Organen forciert wird, um ihre riesigen | |
Handelsbilanzdefizite auszugleichen oder um irgendwelche geopolitischen | |
Konstellationen auszunutzen, in den Hintergrund tritt. Und dass die | |
Gefahren vielleicht klarer gesehen werden. | |
## Waffenverkauf in Konfliktzonen | |
Bei seinem Staatsbesuch in Indien im Januar 2016 rühmte Präsident François | |
Hollande die Rafale von Dassault als „besten Jäger der Welt“. Bereits im | |
Februar 2015 hatte sich Dassault-Chef Eric Trappier nach dem ersten Verkauf | |
der Rafale an Ägypten bei der französischen Regierung für die „politische | |
Unterstützung“ bedankt, „ohne die es keine Militärexporte geben kann“. … | |
vergangenen Jahr waren an die zehn Ministerbesuche nötig, um den | |
Rafale-Deal mit Katar zum Abschluss zu bringen. Die Regierung spielte dabei | |
die Rolle des Rüstungslobbyisten perfekt. Neuerdings sondiert sie gemeinsam | |
mit Dassault, ob man die Rafale auch an die Vereinigten Arabischen Emirate | |
oder Malaysia verkaufen kann. | |
Verteidigungsminister Le Drian agiert als effizienter | |
Außendienstmitarbeiter der Rüstungsindustrie. Für ihn ist die Frage der | |
Konkurrenzfähigkeit „eng mit der Frage der Souveränität verknüpft“. Und… | |
Direction générale de l’armement (DGA), der die Beschaffung und Entwicklung | |
neuer Waffen für die französische Armee obliegt, spricht ganz offen von | |
einer „Aufgabenteilung zwischen Politik und Industrie“. | |
Dass Länder wie Frankreich ihr Kriegsgerät in Spannungs- und Konfliktzonen | |
verkaufen, ist eine verstörende Entwicklung, zumal wenn sie mit | |
Zugeständnissen verknüpft ist. So musste Paris, um Waffen in die | |
Golfmonarchien verkaufen zu können, einen Vertrag über strategische | |
Partnerschaft und Verteidigung unterzeichnen. 2008 beschloss die Regierung | |
Sarkozy, in Abu Dhabi eine gemeinsame Militärbasis zu eröffnenen. Und im | |
Mai 2015 nahm Präsident Hollande als „Ehrengast“ und einziger westlicher | |
Staatsmann am außerordentlichen Gipfel des Golfkooperationsrats in Riad | |
teil. All das hätte zur Folge, dass Frankreich bei der Ausweitung eines | |
Konflikts im Nahen Osten gleichsam zu einem Frontstaat würde – und das an | |
den Grenzen des Iran, des Irak und des Jemen. Und diese fatalen Folgen der | |
rüstungspolitischen Kooperation waren nie Gegenstand einer öffentlichen | |
Beratung oder Debatte. | |
Das Regime der französischen Waffenexporte ist also ziemlich | |
„undurchsichtig“, wie es das Beobachtungszentrum für Rüstungsfragen in Ly… | |
(Observatoire des armements, Obsarm) ausdrückt. Nach Ansicht dieses | |
unabhängigen Instituts ist der von der Regierung so gerühmte jährliche | |
Parlamentsbericht über Rüstungsexporte nur eine „Werbebroschüre“, die vor | |
allem dazu diene, die „Exzellenz Frankreichs herauszustellen“. | |
## Kein allgemeines Embargo | |
Anderswo in Europa führen Waffenverkäufe an einen zweifelhaften Abnehmer | |
wie Saudi-Arabien zu heftigen öffentlichen Debatten, vor allem seit der | |
saudischen Militäroffensive im Jemen und der Hinrichtung von 47 saudischen | |
Oppositionellen am 2. Januar 2016. Zu Letzteren gehörte auch der | |
schiitische Geistliche Nimr al-Nimr, was zum Abbruch der diplomatischen | |
Beziehungen zwischen Teheran und Riad geführt hat. Am 25. Februar 2016 | |
verabschiedete das EU-Parlament eine Resolution, in der die | |
EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini aufgefordert wurde, „angesichts der | |
schweren Vorwürfe, die sich auf den Verstoß gegen internationales | |
Völkerrecht durch Saudi-Arabien im Jemen beziehen, ein Initiative zur | |
Verhängung eines Waffenembargos der Europäischen Union gegen Saudi-Arabien | |
in die Wege zu leiten“. | |
In Belgien hat der Ministerpräsident der Region Flandern im Januar die | |
Erlaubnis zur Lieferung von Waffen an Riad wegen der saudischen Verwicklung | |
in den Jemenkrieg verweigert. Allerdings will man die Anträge von Fall zu | |
Fall prüfen und kein allgemeines Embargo gegen Saudi-Arabien verhängen. | |
Gegen Letzteres wendet sich in Belgien auch die Metallgewerkschaft in | |
Wallonien, wo der Umsatz der Rüstungsindustrie den höchsten Stand seit zehn | |
Jahren erreicht hat – vor allem aufgrund der Lieferverträge mit | |
Saudi-Arabien. Die Gewerkschafter argumentieren, ein Embargo würde nur der | |
Konkurrenz Tür und Tor öffnen. | |
Ähnliche Diskussionen laufen in Großbritannien und Kanada. Der kanadische | |
Außenminister Stéphane Dion verteidigte im Januar einen Vertrag über den | |
Bau von Militärfahrzeugen, den die Vorgängerregierung mit Saudi-Arabien | |
abgeschlossen hatte. Dion machte geltend, das Gerät sei dazu bestimmt, „das | |
Land zu schützen, nicht um auf die Bevölkerung zu schießen“. Diese | |
Behauptung ist sehr fragwürdig, denn die betreffenden Jeeps sind gepanzert | |
und außerdem mit Anti-Panzer-Raketen und leichten Kanonen ausgestattet. | |
Während Schweden bereits im März 2015 jede militärische Kooperation mit | |
Riad eingestellt hat, erklärte der deutsche Wirtschaftsminister Sigmar | |
Gabriel im Januar 2016 lediglich: „Wir müssen jetzt überprüfen, ob wir in | |
Zukunft auch defensive Rüstungsgüter kritischer beurteilen müssen, die wir | |
Saudi-Arabien bislang zur Landesverteidigung geliefert haben.“ Das erweckt | |
den Eindruck, man wolle deutsche Lieferungen an Riad restriktiver | |
handhaben, nachdem bisher alle an das wahhabitische Königreich gelieferten | |
Waffen als grundsätzlich „defensiv“ etikettiert wurden. | |
## Mittelsmänner und Geldwäsche | |
Unter dem Einfluss des sozialdemokratischen Koalitionspartners hat die | |
Regierung Merkel eine schärfere Beobachtung der deutschen Rüstungsindustrie | |
angekündigt. Im Januar 2014 hatte Gabriel in einem Interview erklärt: „Es | |
ist eine Schande, dass Deutschland zu den größten Waffenexporteuren | |
gehört.“ Wenn man Rüstungsgüter in die falschen Regionen verkaufe, „kann… | |
zu einem Geschäft mit dem Tod werden“. Auf keinen Fall dürfe man Waffen an | |
Länder liefern, in denen ein Bürgerkrieg oder ein „Unrechtsregime“ | |
herrscht. | |
Allerdings ist die Praxis der Deutschen, die heute der weltweit fünftgrößte | |
Waffenexporteur sind, bei weitem nicht so radikal wie die verbalen | |
Bekenntnisse. Das zeigt sich auch im Fall Saudi-Arabien. Zwar hat | |
Deutschland den Verkauf von Sturmgewehren an die Saudis gestoppt und einige | |
Lieferverträge Frankreichs mit Saudi-Arabien verhindert, weil die | |
Waffensysteme deutsche Komponenten enthielten. Aber allein im ersten | |
Halbjahr 2015 wurden deutsche Waffen im Wert von 178 Millionen Euro an Riad | |
verkauft, das der drittgrößte Käufer deutscher Rüstungsgüter bleibt. | |
Einige Rüstungsverträge kommen Regimen zugute, die die Menschenrechte nicht | |
respektieren, ihre eigene Bevölkerung bekämpfen oder die Waffen an Länder | |
weiterverkaufen, die als Empfänger noch weniger geeignet sind. Solche | |
Verträge tragen mehr zum Anheizen als zu einer Lösung laufender Konflikte | |
bei. Überdies bewegen sich die Waffengeschäfte häufig am Rande der | |
Legalität, was begünstigt wird durch die mangelnde Transparenz beim | |
Aushandeln und beim Abschluss der Verträge und durch die Komplexität der | |
Finanztransaktionen – häufig über die berüchtigten Geldwäschekonstrukte d… | |
Steuerparadiese. | |
Noch unübersichtlicher wird das Ganze aufgrund der Beteiligung diverser | |
Mittelsmänner. Die anfallenden Provisionszahlungen und andere | |
„außergewöhnliche Belastungen“ können bis zu einem Viertel des | |
Vertragswerts ausmachen und kommen nur im Fall einer gerichtlichen | |
Untersuchung ans Tageslicht. So geschah es in Frankreich zum Beispiel bei | |
den Waffenverkäufen an Angola, bei der Lieferung von Fregatten an Taiwan | |
und beim U-Boot-Deal mit Pakistan. Experten haben berechnet, dass [3][40 | |
Prozent der weltweiten Korruptionsfälle im Zusammenhang mit | |
Waffenverkäufen] stehen obwohl diese nur 1 Prozent des globalen Handels | |
ausmachen. | |
In den letzten zwanzig Jahren haben allerdings mehrere Staaten ihre Gesetze | |
verschärft. Auch auf internationaler Ebene wurden beachtliche Fortschritte | |
erzielt: Seit 1992 existiert das UN-Waffenregister; 1998 beschloss die EU | |
einen Verhaltenskodex für Waffenexporte, der durch die Verabschiedung eines | |
„gemeinsames Standpunkts“ seit 2008 für alle Mitgliedstaaten bindend ist; | |
und seit Dezember 2014 ist der internationale Vertrag über den Handel mit | |
konventionellen Waffen in Kraft. Doch im gleichen Zeitraum haben zahlreiche | |
Länder [4][keinerlei Schritte unternommen, um Verstöße gegen insgesamt 21 | |
Waffenembargos zu ahnden], die von den UN oder der EU verhängt wurden. | |
Aus dem Französischen von Jakob Farah | |
12 May 2016 | |
## LINKS | |
[1] http://www.sipri.org/yearbook/2015 | |
[2] http://docplayer.fr/327325-Rapport-au-parlement-2015-sur-les-exportations-d… | |
[3] http://www.bits.de/public/pdf/rr15-1.pdf | |
[4] http://www.wko.at/Content.Node/service/aussenwirtschaft/fhp/Exportkontrolle… | |
## AUTOREN | |
Philippe Leymarie | |
## TAGS | |
Waffenhandel | |
Aufrüstung | |
Krieg | |
Diktatur | |
Lesestück Meinung und Analyse | |
Militärausgaben | |
Ägypten | |
Rüstungsindustrie | |
Verteidigungspolitik | |
Waffenexporte | |
Airbus | |
Schwerpunkt Syrienkrieg | |
Sigmar Gabriel | |
Rüstungsexporte | |
Heinrich-Böll-Stiftung | |
Ägypten | |
Bundestag | |
Bundeswehr | |
Heckler und Koch | |
Verbraucher | |
Mord | |
Rüstungsexporte | |
G36 | |
Waffen | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Merkels Reise nach Ägypten: Menschenrechtskrise am Nil | |
Amnesty International sieht die Lage schlimmer als unter dem | |
Mubarak-Regime. Zehntausende sitzen ohne Prozess im Gefängnis. | |
Internationaler Druck sei nötig. | |
Bericht über Waffenindustrie: Deutsche Rüstungskonzerne boomen | |
Global schrumpft das Waffengeschäft, wenn auch nur noch gering. In | |
Westeuropa und Russland steigen hingegen die Umsätze. | |
Europäische Verteidigungspolitik: Rotes Tuch EU-Armee | |
Mit Rücksicht auf die Briten hat die EU Pläne für eine engere | |
Zusammenarbeit in der Verteidigung lange zückgestellt. Nun soll das anders | |
werden. | |
Gremium zum Waffenexport: Gabriel lässt sich Zeit | |
Der Wirtschaftsminister setzt eine Kommission ein, die über das | |
Rüstungsexportrecht berät. Kann sie bis zur Bundestagswahl Ergebnisse | |
liefern? | |
Autonome Fluggeräte: Selbstfliegende Taxis | |
Bis 2017 will der Flugzeughersteller Airbus Drohnen zum Transport von | |
Passagieren und Fracht testen. Doch damit ist er nicht der Einzige. | |
Russische Intervention im Syrienkrieg: Luftangriffe erstmals vom Iran aus | |
Teheran und Moskau rücken im Kampf gegen die Assad-Gegner enger zusammen. | |
Russische Jets starteten von der iranischen Basis Hamadan in Richtung | |
IS-Stellungen. | |
Rüstungsexporte aus Deutschland: Sie schießen aus allen Rohren | |
Deutschlands Waffenlieferungen haben ein Rekordhoch erreicht. Die Linke und | |
die Grünen fordern eine Verschärfung der Rüstungskontrolle. | |
Bericht zu Rüstungsexporten: Waffen auch für Krisengebiete | |
Das Bundeskabinett beschließt den Bericht über Rüstungsexporte. Die Exporte | |
haben sich 2015 gegenüber dem Vorjahr fast verdoppelt. | |
Umstrittene Kooperation der Böll-Stiftung: Airbus-Flieger sollen grüner werden | |
Die Grünen-nahe Stiftung und der Rüstungskonzern werben für nachhaltiges | |
Fliegen. Heftige Kritik kommt auch aus den Reihen der Grünen. | |
Waffen für Ägypten: EU-Staaten ignorieren Lieferstopp | |
Mehrere EU-Staaten liefern weiterhin Waffen nach Ägypten, obwohl ein | |
Exportverbot besteht. Auch Deutschland ist laut Amnesty International | |
darunter. | |
Flüchtlingsdebatte im Bundestag: Wenn Fragen ins Leere gehen | |
Die Opposition will mit der Regierung über den Flüchtlingspakt mit der | |
Türkei debattieren. Doch die blieb der „Aktuellen Stunde“ fern. | |
Von der Leyens Pläne für die Bundeswehr: Ende der Abrüstung | |
Lange galten Staatsausgaben für Waffen und Soldaten in Deutschland als | |
unpopulär. Nun wird erstmals seit dem Kalten Krieg wieder aufgerüstet. | |
Deutsche Waffenexporte: Erst Grimme-Preis, jetzt Staatsanwalt | |
Überraschung in Stuttgart: Behörden in Süddeutschland ermitteln gegen | |
Journalisten, die fragwürdige Waffengeschäfte aufgedeckt haben. | |
Banken und Rüstungsindustrie: Ein todsicheres Geschäft | |
Eine Verbraucherbroschüre von Urgewald und Facing Finance verdeutlicht | |
Investitionen von Geldhäusern in die Rüstungsindustrie. | |
Statistik zu Morden weltweit: Der unbemerkte Gewaltexzess | |
In Brasilien und Mexiko sterben mehr Menschen durch Mord als weltweit in | |
Kriegen. In nur zehn Ländern werden fast 60 Prozent aller Morde begangen. | |
Symposium der Rüstungslobby: Keine Panzer für die Saudis | |
Rüstungsexperten erwarten weniger Geschäfte mit Drittländern wie den | |
Golfstaaten. Sigmar Gabriel kündigt ein Exportgesetz an. | |
Deutsche Rüstungsexporte: Regierung ermöglicht Mordsgeschäfte | |
Die Linkspartei und die Grünen sind empört: Heckler & Koch hat die | |
Genehmigung für millionenschwere Waffendeals im arabischen Raum erhalten. | |
Deutsche Rüstungsexporte: Gabriel will weniger Waffengeschäfte | |
Rüstungsexporte in kritische Drittstaaten sind stark angestiegen. Der | |
Wirtschaftsminister schiebt die Schuld auf Vorgänger und will restriktiver | |
genehmigen. |