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# taz.de -- AfD bei den Landtagswahlen: Rechtsaußen überholt
> Mit starken Ergebnissen zieht die Partei in alle drei Landtage ein. Manch
> einer träumt sich in die Regierung. Doch es könnte Grabenkämpfe geben.
Bild: Gruseliges Frühlingserwachen: „Die AfD gestern, heute, morgen“
Berlin taz | Als André Poggenburg vor einigen Wochen für die AfD in
Sachsen-Anhalt das Ziel ausgab, bei der Landtagswahl 15 Prozent plus x zu
holen, war er sich selbst nicht sicher, ob er das ernst meinte. Im
demoskopischen Höhenflug setzte er wenig später aber noch einen drauf: 20
Prozent wollten die Rechtspopulisten nun ergattern.
Poggenburg, Landeschef und Spitzenkandidat der Partei, hat nicht zu hoch
gepokert. Gut 21 Prozent der WählerInnen stimmten laut Prognosen für seine
AfD. Das reicht für knapp 30 Sitze. Es ist das beste Ergebnis, das die
Partei je erzielt hat. Und nicht nur das: Die Rechtspopulisten ließen auch
Linke und SPD deutlich hinter sich und werden als zweitstärkste Partei in
den Magdeburger Landtag einziehen.
Überaus erfolgreich war die AfD mit laut Prognosen rund zehn Prozent auch
in Rheinland-Pfalz. In Baden-Württemberg wird sie laut Prognosen mit 12,5
Prozent in den Landtag einziehen, und damit erstmals in ein Flächenland im
Westen der Republik. Das sind erstaunliche Ergebnisse für eine Partei, die
nach ihrer Spaltung im vergangenen Sommer in Umfragen auf 3 Prozent
abgerutscht war.
Es sind drei ganz unterschiedliche Spitzenkandidaten, die nun mit ihren
Fraktionen in die Landesparlamente einziehen. Im Westen stehen zwei Männer
an der Spitze, die die AfD mit Rücksicht auf Vorbehalte gegenüber radikalen
Parteien in Wahlkampf als konservative Kraft inszenierten. André Poggenburg
nimmt solche Rücksicht in Sachsen-Anhalt nicht.
Poggenburg ist ein Kleinunternehmer mit Finanzproblemen, der bis kürzlich
in Stößen bei Naumburg eine Firma für Kühlerreparaturen betrieb. Der
40-Jährige, der Reden vom Blatt abliest und Antworten gern mit „Jawoll“
beginnt, bezeichnet sich selbst als „nationalkonservativ“, die AfD auch mal
als „deutschnationale Partei“.
## AfD soll Kohls CDU ersetzen
Als Landeschef führte er die sachsen-anhaltische AfD deutlich nach rechts.
Poggenburg hat im vergangenen Jahr gemeinsam mit Björn Höcke, dem Demagogen
aus Thüringen, die Erfurter Resolution verfasst, eine Art
Glaubensbekenntnis der AfD-Rechten. Das erklärte Ziel: Die AfD zu einer
„Widerstandsbewegung“ gegen „die Gesellschaftsexperimente der letzten
Jahrzehnte“ zu machen. Poggenburg hat dem französischem Front National zu
seinem Erfolg gratuliert, er rief auf, über die „Verantwortung für die
Volksgemeinschaft“ nachzudenken.
Davon würde Jörg Meuthen, der sich am Sonntag von seiner Partei in
Baden-Württemberg feiern ließ, nie sprechen. Meuthen, 54,
Wirtschaftsprofessor, gläubiger Katholik, fünffacher Vater und
liberalkonservatives Aushängeschild der Partei, steht am anderen Ende der
AfD. Meuthen, der vor der Spaltung im Sommer als Lucke-Mann galt, ist
gemeinsam mit Frauke Petry AfD-Bundesvorsitzender und wird wohl künftig
Fraktionschef der AfD im Stuttgarter Landtag sein.
Er will die AfD dort positionieren, wo die CDU zu Kohls Zeiten stand. Von
den gezielten Provokationen seiner Parteifreunde distanziert er sich meist
– allerdings ohne ihnen die Loyalität aufzukündigen. Ausgrenzen will
Meuthen die Höckes und Poggenburgs der Partei – von denen es auch
zahlreiche im Südwesten gibt – nicht. Von sich selbst sagt er: „Ich bin
kein Hetzer und schon gar kein Rassist.“
Irgendwo zwischen Poggenburg und Meuthen ist Uwe Junge anzusiedeln,
Landeschef und Spitzenkandidat in Rheinland-Pfalz. Junge, 58, markanter
Schnäuzer, ist als Bundeswehroffizier im Zentrum Operative Kommunikation
medial geschult. 34 Jahre lang war er CDU-Mitglied, nach einem Intermezzo
bei der islamfeindlichen Partei Die Freiheit landete er schließlich bei der
AfD.
## Gegen den Islam
Als Junge den Landesvorsitz in Rheinland-Pfalz übernahm, galt er als
Kompromisskandidat zwischen dem nationalkonservativen und dem liberalen
Flügel. Einerseits stets um Seriosität bemüht, kann Junge auch
rechtspopulistische Töne anschlagen: „Der Islam passt nicht zu Deutschland.
Er wendet sich gegen alles, was unsere Werte ausmacht. Er ist mit unserer
weltoffenen Gesellschaft komplett inkompatibel.“ Solche Sätze sagte er
gerne bei seinen Wahlkampfauftritten.
Meist aber treten Junge und Meuthen bürgerlich-konservativ auf – und sind
es wohl auch. Mit ihnen aber werden zahlreiche Höcke-Fans in die Landtage
einziehen. Es ist eine große Bandbreite von Positionen, die derzeit in der
AfD vertreten sind – und immer wieder zu heftigen Richtungskämpfen führt.
In der Führungsspitze hat man vor wenigen Wochen eine Art Burgfrieden bis
zu den Landtagswahlen geschlossen. Nichts sollte den Erfolg gefährden. Das
hat sogar einigermaßen geklappt.
Die Rechtspopulisten sind nun in der Hälfte aller Landtage vertreten, der
Einzug in den Bundestag im kommenden Jahr wird immer wahrscheinlicher. Die
AfD ist auf dem Weg, sich im hiesigen Parteiensystem zu etablieren – und
die rechtspopulistische Lücke zu füllen, die es in Deutschland lange gab.
Das Tabu gegen rechts, das sechs Jahrzehnte wirkte, bröckelt.
„Wir sind gekommen, um zu bleiben“, so nennt Parteichefin Frauke Petry das.
Sie träumt schon davon, die AfD nicht nur in den Bundestag, sondern auch in
die Regierung zu führen. Höcke sieht die AfD gar als „neue Kanzlerpartei“.
## Profiteure der Krise
Derzeit allerdings ist niemand bereit, mit den Rechtspopulisten zu
koalieren. Auf die Regierungsbildung aber wird die Partei trotzdem Einfluss
haben: Sie wird durch die vielen AfD-Abgeordneten in den Parlamenten immer
schwieriger. Zweiparteienbündnisse, die es in Deutschland traditionell
gibt, könnten künftig immer häufiger nur für große Koalitionen möglich se…
– und auch das nur, wenn die SPD nicht weiter schwächelt. Wohin ein
großkoalitionärer Dauerpakt führen kann, zeigt Österreich: Dort ist die
rechtspopulistische FPÖ längst dritte Kraft.
„Rechtspopulistische Krisengewinnler“ nennt der Düsseldorfer
Sozialwissenschaftler Alexander Häusler die AfD, die er seit ihrer Gründung
beobachtet. Will heißen: Viel tun musste die Partei für ihren Erfolg
bislang nicht. Sie nutzte die Gelegenheiten, die sich ihr boten.
Und diese gab es im vergangenen halben Jahr zuhauf: die Anschläge in Paris,
steigende Flüchtlingszahlen, eine überforderte und uneinige
Bundesregierung, die Übergriffe in der Kölner Silvesternacht. Das Ergebnis:
eine hochemotionalisierte Debatte, auf deren Nährboden die AfD mit ihrem
klaren Nein zu Flüchtlingen bestens gedeihen konnte. „Einen Glücksfall für
die AfD“ nannte Parteivize Alexander Gauland denn auch die steigende Anzahl
der Geflüchteten im Land.
Als reine Protestwahl gegen die Flüchtlingspolitik der Kanzlerin aber lässt
sich der Erfolg der AfD nicht erklären. Und so wird die Partei auch nicht
verschwinden, wenn die Balkanroute geschlossen bleibt und kaum noch
Flüchtlinge nach Deutschland kommen. Es werden sich andere Themen finden,
die sich mit der antielitären Wut der AfD aufladen lassen. Dass das Thema
Islam dabei zentral sein wird, hat Parteivize Beatrix von Storch in
internen Mails, die gerade bekannt geworden sind, bereits kundgetan.
## Die Lücke genutzt
Die AfD besetzt die Lücke im Parteiensystem, die durch die Modernisierung
der CDU entstanden ist. „Die Union hat rechts von ihr Platz gemacht“, sagt
Parteienforscher Oskar Niedermayer. Viele AfD-Anhänger wollen zurück in
eine Zeit, in der die Welt noch übersichtlich und die Gesellschaft homogen
war, als die Familie noch aus Vater, Mutter und mindestens zwei Kindern
bestand, Lehrer und Polizisten noch unbestrittene Autoritäten waren und
Fernsehmoderatoren zwingend weiß.
In einer Mitgliederbefragung hat sich die Mehrheit der Partei gerade dafür
ausgesprochen, wesentliche Reformen der letzten 20 Jahre zurückzudrehen.
Die Wehrpflicht soll wieder eingeführt, die doppelte Staatsbürgerschaft, in
den wenigen Fällen, in denen es sie gibt, abgeschafft, das Tempolimit auf
Autobahnen sowie Bachelor- und Masterstudiengänge gestrichen, in
Scheidungsverfahren die Schuldfrage wieder eingeführt werden. Verschärft
werden aber soll eine Reform: die Beschneidung des Grundrechts auf Asyl.
Hintergrund der Umfrage ist die Diskussion über das Parteiprogramm, das
sich die AfD auf ihrem Parteitag in Stuttgart Ende April geben will –
bislang hat sie nämlich keins. Der Programmentwurf, den das Rechercheportal
Correctiv am Wochenende veröffentlicht hat, liest sich wie ein
Generalangriff auf viele politische Errungenschaften: die Religionsfreiheit
und die Sozialversicherung, das Asylrecht, den Klimaschutz und das
Abtreibungsrecht.
Der Termin für den Parteitag wurde verschoben, weil der erwartete Streit
über das Parteiprogramm den Erfolg bei den Landtagswahlen nicht schmälern
sollte. Die Auseinandersetzungen um die Richtung der Partei aber werden
jetzt wieder aufbrechen. Ob sich der völkische Nationalismus eines Björn
Höcke und der wirtschaftsliberale Konservatismus eines Jörg Meuthen in ein
gemeinsames Programm pressen lassen, muss die Partei erst noch zeigen.
Es stimmt: Bislang musste die AfD für ihren Erfolg nicht viel tun. Falsch
aber machen darf sie auch nicht viel. Ein neuer eskalierender
Richtungsstreit wäre ein solcher Fehler. Noch ist nicht ausgeschlossen,
dass er die Partei in eine neue Spaltung führt.
13 Mar 2016
## AUTOREN
Sabine am Orde
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