| # taz.de -- Die Linkspartei nach den Landtagswahlen: „Unbemerkter Verlierer d… | |
| > Die Partei verfehlte den Einzug in zwei Landtage und hat in | |
| > Sachsen-Anhalt Verluste erlitten. Ihre Wähler sind zur AfD gewandert. | |
| > Eine Strategiedebatte steht an. | |
| Bild: Niedergeschlagene Mienen angesichts der desaströsen Ergebnisse | |
| Berlin taz | Der Schock sitzt tief im Karl-Liebknecht-Haus. In der | |
| Wahlkampfendphase hatte noch ein bisschen die verzweifelte Hoffnung auf ein | |
| Wunder geholfen. Bis zur Schließung der Wahllokale gaben die Spitzen der | |
| Linkspartei tapfer Durchhalteparolen aus. Doch am Wahlabend blieb nur noch | |
| blankes Entsetzen. Die Wahlparty in der Berliner Parteizentrale glich einer | |
| Beerdigungsfeier. „Wir sind deutlich unter unseren Erwartungen geblieben“, | |
| sagte die tief frustrierte Parteivorsitzende Katja Kipping. | |
| Für die Linkspartei waren die Wahlen am Sonntag ein einziges Desaster. In | |
| Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz verfehlte sie mit 2,9 und 2,8 Prozent | |
| der Stimmen glatt den Einzug ins Parlament, in Sachsen-Anhalt verlor die | |
| Partei 7,3 Prozentpunkte und stürzte auf 16,3 Prozent ab. Treffend nannte | |
| der grüne Europaabgeordnete Sven Giegold die Linkspartei den „unbemerkten | |
| Verlierer des Abends“. | |
| Besonders der Absturz in Sachsen-Anhalt schmerzt die Partei sehr. Denn bis | |
| zum Herbst vergangenen Jahres hatte sich Spitzenkandidat Wulf Gallert noch | |
| durchaus realistische Chancen auf den Ministerpräsidentenposten ausrechnen | |
| können. In den Umfragen schaffte es die Linkspartei bis auf einen | |
| Spitzenwert von 26 Prozent, gemeinsam mit SPD und Grünen reichte es | |
| seinerzeit deutlich für eine rot-rot-grüne Mehrheit. | |
| Doch dann begann die hysterische Diskussion um die sogenannte | |
| Flüchtlingskrise, die nicht nur von Woche zu Woche die AfD erstarken ließ, | |
| sondern zudem die Umfragewerte von Rot-Rot-Grün in den Keller purzeln ließ. | |
| Jetzt steht fest: Auch die negativste Umfrage zeichnete noch ein zu | |
| optimistisches Bild. Sowohl die Linkspartei als auch die SPD schnitten | |
| deutlich schlechter ab, als es die Demoskopen prognostiziert hatten. | |
| Künftig wird die Linkspartei hinter der CDU und der AfD nur noch als | |
| drittstärkste Fraktion im Parlament vertreten sein. | |
| ## Das Niveau einer Splitterpartei | |
| Nur ein einziges Mal schnitt die Linkspartei in dem ostdeutschen Bundesland | |
| schlechter ab. Das war 1990, kurz nach dem Mauerfall, und sie hieß noch | |
| PDS. 12 Prozent holte die SED-Nachfolgepartei damals. Danach gab es stets | |
| nur Ergebnisse über 19 Prozent. Seit 2002 stellte die Linkspartei die | |
| zweitstärkste der Fraktion hinter der CDU. Nach der Wahl 2011 wäre es sogar | |
| rechnerisch möglich gewesen zusammen mit der SPD und den Grünen die | |
| Christdemokraten aus der Regierung zu verdrängen. Doch die SPD diente sich | |
| lieber dem CDU-Mann Reiner Haseloff als Juniorpartnerin an. | |
| In Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg, wo Kippings Co-Vorsitzender Bernd | |
| Riexinger als Spitzenkandidat antrat, hatten sich die Parteistrategen | |
| ohnehin nur Außenseiterchancen ausgerechnet. Trotzdem sind auch in den | |
| beiden südwestlichen Bundesländern die Wahlen noch schlechter ausgefallen | |
| als befürchtet. In Baden-Württemberg holte die Linkspartei nur in den | |
| Universitätsstädten Freiburg, Heidelberg, Stuttgart und Tübingen mehr als 5 | |
| Prozent, in Rheinland-Pfalz nur in Trier und Zweibrücken. Vielerorts bewegt | |
| sie sich auf dem Niveau einer Splitterpartei. Die Partei sei mit ihren | |
| sozialen und solidarischen Positionen „nicht durchgedrungen“, konstatierte | |
| Riexinger. | |
| Ein offensichtliches Problem hat die Partei mit der Wanderung der | |
| Protestwählerschaft von links nach rechts: An keine andere Partei gab die | |
| Linkspartei so viele Stimmen ab wie an die AfD. In Sachsen-Anhalt hat die | |
| Linkspartei 29.000 Stimmen an die strammen Rechtsausleger verloren, in | |
| Baden-Württemberg 22.000 und in Rheinland-Pfalz 11.000 Stimmen. | |
| „Die Verlockungen des Populismus und Völkischen machen allen Parteien zu | |
| schaffen, auch der Linkspartei“, analysieren Benjamin Hoff, Horst Kahrs und | |
| Andreas Stahl in ihrer Wahlauswertung für die parteinahe | |
| Rosa-Luxemburg-Stiftung. Lange Zeit sei zwar die von der Partei vertretene | |
| Haltung „offene Grenzen für Menschen in Not“ von etlichen Anhängern nicht | |
| geteilt worden, aber eben auch nicht wahlentscheidend gewesen. Das sei | |
| inzwischen anders, „seit eine politische Partei die Flüchtlingsfrage als | |
| Frage der sozialen Gerechtigkeit in Gestalt von Etabliertenvorrechten | |
| deutet“. | |
| ## Warnung vor dem Kurswechsel | |
| Nach dem verheerenden Abschneiden am Sonntag dürfte der Linkspartei nun | |
| eine neue Strategiediskussion bevorstehen. Sowohl in der Flüchtlings- als | |
| auch der Euro-Frage versuchen die Bundestagsfraktionsvorsitzende Sahra | |
| Wagenknecht und ihr Ehemann Oskar Lafontaine, Fraktionsvorsitzender der | |
| Linkspartei im Saarland, schon seit einiger Zeit, die Linkspartei auf einen | |
| „links“-nationalistischen Kurs zu drücken. Nun könnten sie stärkere | |
| Unterstützung bekommen. | |
| Parteichefin Kipping warnte am Montag, den bisherigen Kurs aufzugeben. | |
| Hätte die Linkspartei ihre Grundpositionen im Wahlkampf aufgegeben, hätte | |
| es ihr nichts genützt. „Wenn wir auf AfD-light gemacht hätten, müssten wir | |
| noch über ganz andere Wahlergebnisse reden“, sagte Kipping. Aufgabe der | |
| Linkspartei sei vielmehr, „die AfD sozialpolitisch zu stellen“. Nur weil | |
| die rufe, „Deutsche zuerst“, heiße das nicht, „dass Erwerbslose mit | |
| deutschem Pass durch die AfD besser dastehen“ würden. | |
| „Wir sind mit einem Klima des gesellschaftlichen Rechtsrucks und der | |
| Entsolidarisierung konfrontiert“, sagte Kipping im Deutschlandfunk. Es sei | |
| eine bewusste Entscheidung gewesen, „in Zeiten des Rechtsrucks klar | |
| weiterhin Kante gegen Rassismus“ zu zeigen und sich für Solidarität und | |
| Weltoffenheit auszusprechen. „Dass das nicht nur von den Wählern belohnt | |
| wird, war uns bewusst“, sagte Kipping. „Aber wir fanden, wir haben auch | |
| eine Verantwortung gegenüber der Gesellschaft und im Übrigen auch gegenüber | |
| der Geschichte.“ | |
| 14 Mar 2016 | |
| ## AUTOREN | |
| Pascal Beucker | |
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