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# taz.de -- Linker Jan Korte über Asylpolitik: „Auch wenn wir so verlieren“
> Die Linkspartei ist auch an ihrem Pro-Asyl-Kurs gescheitert. Der
> Fraktions-Vizevorsitzende Jan Korte hält ihn für richtig und widerspricht
> Wagenknecht.
Bild: Der Spitzenkandidat der Linken in Sachsen-Anhalt Wolf Gallert (nachdenkli…
taz: Herr Korte, warum hat die Linkspartei in Sachsen-Anhalt so drastisch
verloren?
Jan Korte: Wenn ich das mal genau wüsste. Die Wähler haben offenbar nicht
geglaubt, dass Rot-Rot-Grün noch möglich war. Rot-Rot-Grün hat zusammen 20
Prozent verloren. Dass es so schlimm werden würde, habe ich nicht für
möglich gehalten.
Die Linkspartei hat 26.000 Wähler, etwa 2,5 Prozent, an die AfD verloren.
Wie das?
Die AfD hat den Leuten einen Schuldigen angeboten für die Stagnation im
Land – den Flüchtling, der damit nix zu tun hat. Dagegen haben wir kein
Mittel gefunden. Ich rechne es der Partei und Wulf Gallert hoch an, dass
sie ohne zu wackeln gegen die Feindseligkeit gegen Flüchtlinge gestanden
haben. Das war in den Fußgängerzonen nicht einfach. Aber es gibt Momente,
in denen man Haltung zeigen muss. Auch wenn man damit verliert.
Edel untergehen ist keine brauchbare Haltung für Politiker.
Guter Hinweis. Was hätten wir anders machen sollen? Es kann keinen Rabatt
geben, wenn Artikel 1 des Grundgesetzes infrage gestellt wird. Und klare
Überzeugungen fehlen ja wohl gerade in der Politik.
40 Prozent der Arbeitslosen haben AfD gewählt. Erreicht die Linkspartei,
wie die SPD, Teile ihrer Kernklientel nicht mehr?
Darauf gibt es eine Antwort: Wir müssen die soziale Frage ins Zentrum
stellen. Und zwar lauter und klüger, als wir es bisher getan haben.
Also Rechts- mit Linkspopulismus bekämpfen?
Nein, ich würde das populäre Differenzierung nennen. Wir haben das mit dem
Programm „Fünf mal fünf Milliarden“ probiert, das Investitionen in Kitas
und Wohnungsbau mit denen für die Integration von Flüchtlingen verknüpft.
Vielleicht zu spät. Wir müssen deutlicher machen, wie wir Reichtum
umverteilen wollen. Wir müssen denen, die abgehängt wurden, klarmachen,
dass ihnen nur eine linke Lösung hilft, keine Schuldenbremse, keine
schwarze Null, schon gar keine AfD-Parolen. Also zuspitzen, aber nicht
verblöden.
Sie haben 2009 in Bitterfeld das Direktmandat für den Bundestag gewonnen.
Jetzt ist für den Landtag ein AfDler gewählt worden – mit 32 Prozent. Was
ist passiert?
Die Region hat zweimal den Zusammenbruch einer Industrie erlebt. 1990 den
der Chemie, vor ein paar Jahren den der Solarbranche. Das war zweimal die
Erfahrung: Man steht vor dem Nichts. Das ist kein Grund, menschenfeindlich
zu werden. Es gibt aber in Deutschland meist rechten Stimmungen Auftrieb.
Ich habe in zehn Jahren keinen so krassen, aggressiven Wahlkampf erlebt. Es
gab Anschläge auf Wahlkreisbüros. Es gab eine Enthemmung.
Die AfD hat im Süden von Sachsen-Anhalt 15 Direktmandate gewonnen, im
Norden keins. Woher diese Spaltung?
Es gibt im Süden schon lange eine gut organisierte rechte Szene. Aber worin
diese Nord-Süd-Spaltung wurzelt, weiß ich nicht. Vielleicht haben
Soziologen eine Antwort.
Sahra Wagenknecht erklärt, dass „nicht alle Flüchtlinge nach Deutschland
kommen können“ und es Kapazitätsgrenzen gibt. Klingt ein bisschen wie
Obergrenze. Ist das der neue Kurs der Linkspartei?
Nein. Grundrechte kennen keine Obergrenze, weil sie sonst keine Grundrechte
mehr sind. Nur die Linksfraktion hat im Bundestag geschlossen gegen alle
Asylrechtsverschärfungen gestimmt.
Ist es nicht richtig, mit dem Wort „Kapazitätsgrenzen“ zu signalisieren:
Wir verstehen Leute, die Angst vor mehr Flüchtlingen haben. Wir verstehen
euer Problem.
Welches Problem? Dass in Sachsen-Anhalt zu viele Menschen leben und
angesichts von 40.000 Flüchtlingen Grenzen erreicht sind? Wohl kaum. Das
Übel ist, dass in Sachsen-Anhalt 25 Prozent AfD-Wähler offenbar Flüchtlinge
für ihr Problem halten. Wir sollten uns nicht daran beteiligen, Schwache
gegen Schwächere auszuspielen. Was wir brauchen, sind vor Ort Bündnisse
gegen den Rechtstrend.
Der Arbeitgeberverband in Sachsen-Anhalt fürchtet, dass die AfD dem Land
schadet. Ist das Ihr neuer Bündnispartner?
Gegen diese Stimmung müssen wir mit allen zusammenarbeiten. Die Lage ist
nicht so, dass wir wählerisch sein können.
Laut einer Analyse der Rosa-Luxemburg-Stiftung hat die Linkspartei im Osten
die Fähigkeit zu mobilisieren weitgehend verloren. Right?
Vor zehn Jahren war es kein Problem, Leute zu finden, die Plakate hängen.
Heute schon. Die Partei wird kleiner und älter. Das trifft andere Parteien
noch heftiger. Aber uns auch.
Wie geht es jetzt weiter?
Wir müssen nachdenken. Wir brauchen mehr Debatten. Mehr Rock ’n’ Roll. Es
ist zu ruhig in der Partei.
17 Mar 2016
## AUTOREN
Stefan Reinecke
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