# taz.de -- EuGH-Urteil zur Vorratsdatenspeicherung: „Ständige Überwachung�… | |
> Nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs ist Deutschland nicht mehr | |
> verpflichtet, die anlasslose Überwachung einzuführen. | |
Bild: Die bisherige Regel sei ein besonders schwerer Eingriff in die Grundrecht… | |
KARLSRUHE taz | Die EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung verstößt | |
gegen die EU-Grundrechte auf Datenschutz und Privatsphäre. [1][Das hat der | |
Europäische Gerichtshof (EuGH) an diesem Dienstag in einem mit Spannung | |
erwarteten Grundsatzurteil entschieden]. Damit gibt es bis auf weiteres | |
keine EU-Vorgaben zur Vorratsdatenspeicherung mehr. | |
Die Richtlinie verpflichtet alle EU-Staaten seit 2009, eine | |
Vorratsdatenspeicherung einzuführen. Das heißt: Telefonfirmen müssen | |
mindestens sechs Monate speichern, wer wen wann und wo angerufen hat. | |
Internetfirmen müssen die Verkehrsdaten der E-Mails speichern und wer wann | |
mit welcher IP-Adresse online ging. Bei Mobiltelefonen ist auch der | |
jeweilige Standort sechs Monate zu speichern. Dies soll sicherstellen, dass | |
die Polizei im Verdachtsfall die Daten anfordern kann. Inhalte werden nicht | |
gespeichert. | |
Alle EU-Staaten haben diese Pflicht umgesetzt, nur Deutschland ist noch | |
säumig. In Deutschland galt die Vorratsdatenspeicherung zwar kurzzeitig. | |
Doch 2010 erklärte das Bundesverfassungsgericht das deutsche Gesetz für | |
nichtig und forderte Nachbesserungen. Anschließend gelang es der | |
schwarz-gelben Koalition nicht, sich auf eine Wiedereinführung zu einigen. | |
Vor allem die damalige Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger | |
(FDP) bremste. Die EU-Kommission hat Deutschland deshalb schon beim EuGH | |
verklagt und die Verhängung von Zwangsgeldern gefordert. Diese Klage dürfte | |
nun bald zurückgenommen werden. | |
Im konkreten Urteil ging es nicht um Deutschland. Vielmehr hatten Gerichte | |
aus Österreich und Irland den Europäischen Gerichtshof um Prüfung gebeten, | |
ob die EU-Richtlinie gegen EU-Grundrechte verstößt. Das Urteil hat aber | |
Bedeutung für die ganze EU, also auch für Deutschland. | |
## Richtlinie ist ungültig | |
Der EuGH entschied nun, dass die Richtlinie „ungültig“ ist. Die Richtlinie | |
stelle einen „besonders schweren Eingriff“ in die Grundrechte der EU-Bürger | |
dar. Die gespeicherten Daten erlaubten genaue Schlüsse auf das Privatleben | |
der Bürger, ihre sozialen Kontakte und ihre Bewegungen. Dies sei „geeignet, | |
bei den Betroffenen das Gefühl zu erzeugen, dass ihr Privatleben Gegenstand | |
einer ständigen Überwachung ist“. | |
Dieser Eingriff sei auch nicht zu rechtfertigen, so der EuGH. Zwar diene | |
die Richtlinie dem „Allgemeinwohl“, weil sie ein „nützliches Mittel“ z… | |
Bekämpfung von Terrorismus und schwerer Kriminalität sei. In der konkreten | |
Form sei sie jedoch unzulässig, weil sie sich nicht auf das „absolut | |
Notwendige“ beschränkt. Der EuGH kritisiert dabei eine Vielzahl von | |
Punkten, die „in ihrer Gesamtheit“ dazu führen, dass die Richtlinie die | |
Grenzen der Verhältnismäßigkeit verletzt. | |
Konkret moniert der EuGH zum Beispiel, dass die Daten nicht genügend gegen | |
unbefugte Nutzung geschützt werden müssen, dass für den Zugang zu den Daten | |
kein Richtervorbehalt vorgeschrieben ist und dass nicht definiert ist, für | |
die Aufklärung welcher schwerer Straftaten die Daten verwendet werden | |
dürfen. Die Speicherdauer – mindestens sechs Monate, höchsten zwei Jahre – | |
differenziere zudem nicht nach Datenarten. Auch fehlten Ausnahmen für | |
Berufsgeheimnisträger wie Ärzte, Pfarrer und Journalisten. | |
Fast schon fundamental ist die Kritik des EuGH, dass die Daten ohne jede | |
Differenzierung nach Zeiträumen, geografischen Gebieten oder | |
Personengruppen gespeichert werden müssen, auch wenn es keinerlei | |
Zusammenhang mit schweren Straftaten gebe. | |
Mit diesem Urteil hat der EuGH die Richtlinie für „ungültig“ erklärt –… | |
zwar von Anfang an. Sie hätte also in Deutschland und den anderen | |
EU-Staaten nie umgesetzt werden müssen. Die 28 EU-Regierungen und das | |
EU-Parlament können jetzt eine neue Richtlinie aushandeln. Das kann aber | |
Jahre dauern. Es ist auch gut möglich, dass gar keine neue Richtlinie | |
zustande kommt, weil den Staaten die EuGH-Vorgaben zu streng sind. | |
## EU-Staaten sind nicht gebunden | |
Bis zum Inkrafttreten einer neuen Richtlinie können die 28 EU-Staaten | |
machen, was sie wollen. Sie können ihre bereits eingeführten | |
Vorratsdatenspeicherungen beibehalten oder abschaffen, sie können die | |
Gesetze verschärfen oder abmildern. Sie sind dabei nicht an die | |
EuGH-Vorgaben gebunden, denn diese gelten nur für EU-Recht. | |
Für Deutschland heißt das: Die Große Koalition kann nun die | |
Vorratsdatenspeicherung einführen oder darauf verzichten. Die deutsche | |
Politik kann sich nicht mehr hinter EU-Pflichten und drohenden | |
Zwangsgeldern verstecken. Die Regierung muss jetzt sagen, ob sie die | |
anlasslose Speicherung der Telefon- und Internetdaten für notwendig und | |
sinnvoll hält oder nicht. Beachten muss sie nur die Vorgaben des | |
Bundesverfassungsgerichts von März 2010, das unter anderem einen besseren | |
Schutz der zwangsgespeicherten Daten gegen unbefugte Nutzungen gefordert | |
hatte. | |
Im Koalitionsvertrag von Union und SPD heißt es: „Wir werden die | |
EU-Richtlinie über den Abruf und die Nutzung von | |
Telekommunikationsverbindungsdaten umsetzen. Dadurch vermeiden wir die | |
Verhängung von Zwangsgeldern durch den EuGH.“ Das hat sich nun erledigt. | |
8 Apr 2014 | |
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[1] /EuGH-Urteil-zur-Vorratsdatenspeicherung/!136364/ | |
## AUTOREN | |
Christian Rath | |
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