# taz.de -- Debatte Vorratsdatenspeicherung: Abwarten bis zum Erfolg | |
> Die EU-Richtlinie ist vom Tisch. Nun kommt es darauf an, die Gunst der | |
> Stunde zu nutzen – also erstmal auf die europäische Debatte zu warten. | |
Bild: Abwarten – und unentdeckt bleiben | |
Herzlichen Glückwunsch, Frau Leutheusser-Schnarrenberger! Ihre | |
Unbeugsamkeit hat sich zumindest vorläufig gelohnt. Die EU-Richtlinie zur | |
Vorratsdatenspeicherung, die Sie nicht umsetzen wollten, ist nun vom Tisch. | |
[1][Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat sie am Dienstag für ungültig | |
erklärt], weil sie unverhältnismäßig in die Grundrechte der Bürger | |
eingreift. | |
Damit war lange nicht zu rechnen. Es ist deshalb ein großer Moment für | |
Europa, für die europäischen Grundrechte und für den Europäischen | |
Gerichtshof. Europa präsentiert sich hier – gerade im Vorfeld der | |
Europawahl – als Europa der Bürger, mit funktionierenden checks and | |
balances. | |
Aber wie geht es nun weiter? Der juristische Erfolg ist leider nur eine | |
Momentaufnahme. Der EuGH hat die Idee einer Vorratsspeicherung aller | |
Telefon- und Internetverbindungsdaten nicht völlig verworfen (ganz ähnlich | |
übrigens das Bundesverfassungsgericht 2010). | |
Die EU-Mitgliedstaaten könnten also durchaus eine neue, etwas abgemilderte | |
EU-Richtlinie beschließen, die Deutschland dann würde umsetzen müssen. Oder | |
der Bundestag wartete nicht einmal hierauf, sondern beschlösse seine eigene | |
Vorratsdatenspeicherung, so wie es die Union jetzt auch vehement fordert. | |
## Das Prinzip generell ablehnen | |
Die politische Debatte ist nun immerhin wieder offen. Niemand kann sich | |
mehr hinter der EU verstecken. Jetzt müssen die Kritiker klarmachen, dass | |
es nicht um ein paar kleinere Korrekturen geht, sondern das Prinzip der | |
Vorratsdatenspeicherung generell abzulehnen ist. Die anlasslose Speicherung | |
der Verbindungsdaten von 80 Millionen Bundesbürgern ist nichts weniger als | |
die Perversion einer rechtsstaatlichen Kriminalpolitik. Sie registriert | |
vorsorglich das Kommunikationsverhalten von allen, damit man später einmal | |
die Straftaten von einigen wenigen mutmaßlich besser aufklären kann. | |
Und das Speichern der Telekommunikationsdaten wäre nur der Anfang, also ein | |
Präzedenzfall. Auf EU-Ebene ist schon eine mehrjährige Speicherung von | |
Fluggastdaten geplant. Und der damalige EU-Kommissar Franco Frattini | |
eklärte 2008: „In der nächsten Stufe müssen wir uns um die Züge kümmern.… | |
Der NSA-Skandal zeigt: Was möglich ist, wird gemacht, wenn wir nicht | |
Einhalt gebieten. | |
Die politischen Rahmenbedingungen sind leider nicht günstig. Die Gegner der | |
Vorratsdatenspeicherung sitzen in der Opposition (Grüne, Linke) oder haben | |
den Sprung ins Parlament verpasst (FDP, Piraten). Dagegen haben Parteien, | |
die mehr oder weniger für die Vorratsdatenspeicherung sind (CDU/CSU, SPD) | |
eine 80-Prozent-Mehrheit im Bundestag. | |
## Selbst Voßhoff hat keine Eile | |
Ein Minimalziel sollte es sein, die europäische Debatte abzuwarten und | |
nicht mit schlechtem deutschem Beispiel voranzupreschen. Selbst die neue | |
Bundesdatenschutzbeauftragte Andrea Voßhoff (CDU), eine Befürworterin der | |
Vorratsspeicherung, plädiert hierfür. Und auch für skeptische | |
Sozialdemokraten könnte das ein taktischer Kompromiss mit der Union sein. | |
Strategisch ist es durchaus sinnvoll. Vielleicht kommt gar keine neue | |
Richtlinie zustande. Vielleicht sitzt in der nächsten Bundesregierung | |
wieder eine Partei, die die Vorratsdatenspeicherung generell ablehnt und | |
sie blockieren kann. | |
Und falls das Spiel auf Zeit nicht gelingt, muss zumindest differenziert | |
werden. Die ganz große Mehrheit der erfolglosen Polizeianfragen bezieht | |
sich auf die „Übersetzung“ von IP-Adressen in reale Namen. Laut | |
Bundesverfassungsgericht ist dies zugleich der mildeste Eingriff in | |
Grundrechte im Rahmen der Vorratsdatenspeicherung. Schließlich geht es hier | |
nur um Momentaufnahmen, nicht um persönliche Netzwerke und Bewegungsbilder. | |
Im Gegenzug könnte auf die deutlich heiklere Vorratsspeicherung der | |
Telefon-, E-Mail- und Mobilfunkdaten verzichtet werden. Das übrigens hatte | |
2011 auch Sabine Leutheusser-Schnarrenberger vorgeschlagen. | |
12 Apr 2014 | |
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[1] /EuGH-Urteil-zur-Vorratsdatenspeicherung/!136364/ | |
## AUTOREN | |
Christian Rath | |
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