| # taz.de -- 70 Jahre nach dem Tag der Befreiung: Die Suche nach einer neuen Hei… | |
| > Walter Frankenstein hat als Jude versteckt in Berlin überlebt. Nach dem | |
| > Krieg begann für ihn eine monatelange Odyssee von Deutschland nach | |
| > Palästina. | |
| Bild: 1947 musste Walter Frankenstein für Israel in den Krieg ziehen. 2015 fei… | |
| Im Juni wird Walter Frankenstein 91 Jahre alt. Aber noch immer hält er | |
| Vorträge und trifft sich mit Schulklassen. „Denkt selbst und helft Menschen | |
| in Not“, sagt der in Berlin aufgewachsene Jude, der die Nazi-Verfolgung mit | |
| seiner Familie im Untergrund überlebt hat. | |
| Doch nicht nur die Zeit als „U-Boot“, in der Frankenstein, seine Frau | |
| Leonie und die beiden Kleinkinder über zwei Jahre in Verstecken den | |
| Deportationen in den Tod trotzten, will Frankenstein den heutigen | |
| Jugendlichen nahebringen. Auch nach der Befreiung verlief sein Leben alles | |
| andere als geordnet. | |
| Es war der 27. Mai, als die Familie in einem Bunker der Berliner-U-Bahn | |
| ihre ganz persönliche Befreiung erlebte. „Als wir den ersten sowjetischen | |
| Soldaten sahen, habe ich ihn umarmt“, erinnert sich Walter Frankenstein. | |
| Die Familie wollte Deutschland nach der Befreiung so schnell wie möglich | |
| verlassen. „Nach der Befreiung wurde uns rasch klar, dass Hitler und die | |
| Nazis nicht aus den Köpfen der Menschen verschwunden waren. Wir hatten | |
| Erlebnisse, die uns zeigten, dass wir in diesem Deutschland nicht leben | |
| konnten“, sagt Frankenstein heute. | |
| ## Illegale Weiterfahrt nach Frankreich | |
| Ihr Ziel war Palästina, damals unter britischer Kontrolle, wo zwei Brüder | |
| Walter Frankenstein lebten – die einzigen Verwandten, die dem Holocaust | |
| entkommen waren. Doch die Briten hatten die Einwanderung stark begrenzt – | |
| nur 1.500 Juden durften monatlich einreisen, obwohl Hunderttausende | |
| Überlebende dort einen Neuanfang wagen wollten. | |
| Frankensteins Frau Leoni und die Kinder Uri und Michael durften Ende 1945 | |
| per Schiff legal einreisen. Doch für Walter begann eine Odyssee. Die ersten | |
| Monate des Jahres 1946 verbrachte er in einem oberbayerischen Dorf, wo | |
| überlebende Juden sich auf ihre Zukunft in einem Kibbuz vorbereiteten. | |
| Danach, Mitte 1946, ging es in einem Konvoi illegal nach Frankreich. | |
| In Marseille baute Frankenstein zusammen mit Helfern der jüdischen | |
| Fluchtorganisation Bricha Schiffe für den Transport möglichst vieler | |
| Menschen nach Palästina um. Erst im Oktober kam er selbst an Bord eines | |
| dieser Boote: „Das war die 'Latrun'. Sie war für 75 Passagiere gebaut. Wir | |
| aber waren 1.252 Männer, Frauen und Kinder“, berichtet er. | |
| Das Schiff wurde unterwegs von der britischen Marine entdeckt und geentert. | |
| Statt nach Palästina kamen die Passagiere nach Zypern, dort wurden sie als | |
| illegale Einwanderer interniert. „Wir lebten in britischen Tropenzelten“, | |
| erinnert sich Frankenstein. | |
| ## „Was diese Leute früher gemacht haben“ | |
| Erst im Mai 1947 erreichte er Palästina, geriet dort aber zunächst erneut | |
| in Haft. Im Juli zog er endlich zu seiner Familie südlich von Haifa. Ein | |
| Jahr später musste Frankenstein als Soldat in den israelischen | |
| Unabhängigkeitskrieg ziehen. | |
| Heute lebt er in Schweden. Er kommt gerne zu Besuch nach Deutschland. Nur | |
| um gleichaltrige Deutsche macht Frankenstein einen großen Bogen. „Man | |
| konnte ja nicht wissen, was diese Leute früher gemacht haben“, sagt er. | |
| Das vollständige Interview mit Walter Frankenstein lesen Sie in der taz am | |
| 8. Mai 2015 zum 70. Jahrestag der Befreiung. | |
| 7 May 2015 | |
| ## AUTOREN | |
| Klaus Hillenbrand | |
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