# taz.de -- 70 Jahre nach dem Tag der Befreiung: Auf die Deutschen geschaut | |
> Deutschland überzog Europa mit einem mörderischen Krieg. Wie sehen die | |
> Nachkommen der Angegriffenen den Aggressor heute? | |
Bild: Überlebende umarmen sich in der Gedenkstätte: 1944 ermordete die SS im … | |
Vor 70 Jahren ging der Raub- und Vernichtungskrieg des deutschen Faschismus | |
mit der Kapitulation Berlins vor der Roten Armee zu Ende. Halb Europa lag | |
in Schutt und Asche, Millionen Juden waren in Vernichtungslagern ermordet | |
worden. | |
Die Sowjetunion hat ihren Anteil am Sieg der Alliierten teuer bezahlt: 20 | |
Millionen Menschen hatten ihr Leben verloren. Das besetzte Griechenland | |
wurde in der selben Zeit von der Besatzungsmacht wirtschaftlich | |
ausgeblutet. | |
Wie sehen die Nachkommen der Überlebenden, der Siegermächte und der | |
Befreiten das Land, von dem ein singuläres Verbrechen und der blutigste | |
Krieg des 20. Jahrhunderts ausgegangen ist? | |
In Griechenland konzentriert sich die Debatte derzeit auf die ausstehenden | |
Reparationszahlungen. Nikos Konstandaras erklärt in der taz, warum das | |
Thema erst jetzt wieder auf der Tagesordnung steht. | |
## Erstmals eine radikale linke Regierung | |
Die griechischen Ansprüche umfassen dabei drei Aspekte: Reparationen für | |
materielle Zerstörungen, Rückzahlung einer Zwangsanleihe und Entschädigung | |
für Überlebende und Nachkommen der Opfer einer brutalen Besatzungspolitik. | |
Dass diese Forderungen von griechischer Seite so lange nicht erhoben | |
wurden, hat wiederum drei Gründe: die innenpolitischen Verhältnisse, die | |
bilateralen Beziehungen mit Deutschland und die weltpolitische | |
Konstellation zur Zeit des Kalten Kriegs. | |
Seit Januar ist in Athen erstmals eine radikale Linke an der Macht, während | |
das Land zugleich am Rande des Bankrotts steht. Die Forderung nach | |
Reparationen ist nur eine von mehreren Initiativen, mit der die neue | |
Regierung ihre europäischen Partner/Gläubiger herausfordert. | |
Warum aber haben frühere Regierungen in der Reparationsfrage gekuscht? Die | |
Okkupation hat ein brutalisiertes und polarisiertes Land hinterlassen. Es | |
folgte ein Bürgerkrieg, in dem die Athener Regierung viele ehemalige Rechte | |
rekrutierte, die mit den Deutschen kollaboriert hatten. Später hat dann | |
keine Regierung mehr riskiert, den deutschen Verbündeten die volle Rechnung | |
zu präsentieren, aus Angst, die innenpolitischen Kräfteverhältnisse zu | |
gefährden. Die relative soziale Stabilität beruhte auf wirtschaftlichem | |
Wachstum, das wiederum gute Beziehungen mit dem maßgeblichen EU-Land | |
voraussetzte. | |
Mit Russland liegt der Fall derweil anders, hatte die Sowjetunion doch | |
durchaus Reparationen in ihrer Einflusszone, der späteren DDR, | |
eingetrieben. Starke Vorbehalte gegen Deutschland sind jedoch sichtbar und | |
haben sich im Zuge der Konfrontation mit dem Westen über den | |
Ukrainekonflikt noch verstärkt. | |
Unsere Autorin Irina Kosterina fühlt sich zum Teil an die Sowjetzeit | |
erinnert, als alles schechte aus dem Westen kam; vergessen der kurze | |
Frühling der Neugier nach dem Systemzusammenbruch im Osten. | |
## Von Israel nach Berlin | |
Wüste Beschimpfungen Richtung Westen wie „GAYropa“ sind salonfähig | |
geworden, und das Verhältnis zu den USA erinnert an die Zeiten des Kalten | |
Krieges. „Wieso machen sie uns zu den Sündenböcken für alles? Warum zwingen | |
sie uns ihren Willen auf? Sie haben doch nur Angst vor uns, sie beneiden | |
uns!“ | |
Ein ganz anderes Bild zeichnet Ester Amrami. Die aus Israel stammende | |
Regisseurin lebt seit 10 Jahren in Berlin und beschreibt die Besonderheiten | |
des Lebens in Deutschland, die Schrullen der Busfahrer, den Drang, Regeln | |
zu befolgen. Die Frage nach der Vergangenheit ist keine, die sich für sie | |
tagtäglich stellen würde. Der bleibende Eindruck ist, dass sie die | |
Möglichkeit eines jüdischen Lebens in Deutschland heute als | |
selbstverständlich annimmt. | |
Die Texte aus Russland, Griechenland und Deutschland über den Blick auf das | |
Land der Täter sind Teil des Dossiers zum 70. Jahrestag der Befreiung und | |
finden sich in der am 8. Mai erscheinenden Ausgabe der taz in voller Länge. | |
8 May 2015 | |
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