# taz.de -- Jüdisches Museum in Frankfurt: Umbau am Untermain-Kai | |
> In Frankfurt am Main wird das Jüdische Museum von Grund auf umgestaltet. | |
> Auf einem Pop-up-Boot zeigt sich derweil, wohin die Reise wohl geht | |
Bild: Wie aus alt neu wird, kann man derzeit auf dem Pop-Up-Boot nachvollziehen | |
Die Antworten der Besucher auf die Frage, was sie sich vom neuen Jüdischen | |
Museum wünschen, reichen von „Kritisch auf Israel blicken“ über „Ein He… | |
für Palästina“ und „Vielstimmigkeit“ bis hin zu „Free Wi-Fi“. Inwie… | |
sich das verwirklicht, wird sich zeigen. | |
Bis zum Jahr 2018 soll der Stammsitz des Museums im Rothschild-Palais am | |
Untermain-Kai erneuert sowie um einen Neubau erweitert sein. Derzeit | |
herrscht dort Baustelle. | |
Den Bauzaun verschönern netterweise eigens dafür erdachte Comic-Geschichten | |
von Volker Reiche, die er alle zwei Wochen fortschreibt und -zeichnet. Eine | |
der vielen Ideen, mit denen das Team um die neue Direktorin des Jüdischen | |
Museums, Mirjam Wenzel, die Zeit bis zur Wiedereröffnung verkürzen. | |
Einen Vorgeschmack auf das, was künftig im Museum zu erleben sein wird, | |
bietet derzeit ein sogenanntes Pop-up-Boot, das einige Wellenlängen vom | |
Rothschild-Palais entfernt auf dem Main liegt. Genauer gesagt: am Eisernen | |
Steg, auf der Sachsenhäuser Seite. | |
Dort können die Besucher nicht nur ihre eingangs zitierten Wünsche äußern, | |
sondern sich auch an der Namensgebung für den künftigen Museumsvorplatz | |
beteiligen. Berühmte Persönlichkeiten stehen zur Auswahl, und auch neue | |
Vorschläge sind willkommen. | |
## Wunschname Hannah Arendt | |
Derzeit liegt Hannah Arendt vorn, dicht gefolgt von Marcel Reich-Ranicki. | |
Wenn es nach Mirjam Wenzel ginge, dürfte durchaus einmal eine Frau zum Zuge | |
kommen. Im Januar dieses Jahres ist sie, die 1972 in Frankfurt geboren | |
wurde, die Nachfolge von Raphael Gross angetreten. Zuvor war sie Leiterin | |
der Medienabteilung am Jüdischen Museum Berlin. | |
Die Jüdische Gemeinde in Frankfurt erlebt Wenzel als sehr selbstbewusst. | |
Ihr gefalle, sagt sie im taz-Gespräch, dass sich die rund 7.000 | |
Gemeindemitglieder auch für das Museum mitverantwortlich fühlten. Den | |
Austausch mit ihnen empfindet sie als befruchtend, wie ihr überhaupt am | |
Dialog gelegen sei. | |
Auch das bis zum Beginn des Laubhüttenfestes am 17. Oktober vor Anker | |
liegende Boot dient dazu, die künftige Gestaltung des Museums ins Gespräch | |
der Stadt zu bringen. Jeden Tag, außer an den hohen Feiertagen Rosch | |
Haschana und Jom Kippur, lädt es zum Besuch. | |
Bei sogenannten Lunch Talks wollen Kuratoren des Museums ungezwungen über | |
ihre Pläne informieren und stehen für Fragen und Anregungen bereit. Wie | |
etwa der stellvertretende Direktor des Museums, Fritz Backhaus. | |
Der erläutert in einer solchen Veranstaltung die Neukonzeption der | |
Dauerstellung im Rothschild-Palais anhand eines eingerichteten Setzkastens, | |
der Exponate des Museums ausstellt und damit einen Einblick in die Vielfalt | |
der Objekte gibt. | |
## FDP-gelber Schlips von Ignatz Bubis | |
Ein FDP-gelber Schlips des Politikers und ehemaligen Vorsitzenden des | |
Zentralrats der Juden, Ignatz Bubis, findet sich ebenso darunter wie ein | |
selbst gebasteltes Quartett von Buddy Elias, dem Cousin von Anne Frank. Die | |
Reproduktion eines Bildes von Moritz Daniel Oppenheim verweist, wie | |
Backhaus erklärt, auf die Kunstsammlung des Museums, zu deren Höhepunkten | |
auch der künstlerische Nachlass des Expressionisten Ludwig Meidner zählt. | |
Alte Postkarten, die für das einstige explizit antisemitische Frankfurter | |
Hotel Kölner Hof werben, leiten Backhaus zu der Frage, was man dauerhaft | |
ausstellen soll und was besser nicht. Bezüge zur Gegenwart und anderen | |
Religionen liegen auf der Hand – und sollen künftig noch stärker in den | |
Vordergrund rücken. | |
Die Sammlung auch öffentlich zugänglich zu machen gehört dabei zu den | |
Herzensanliegen von Mirjam Wenzel. Die künftigen Onlineaktivitäten | |
betrachtet sie als eigenes Standbein ihres Hauses, zu dem auch das im März | |
wiedereröffnete Museum Judengasse zählt. | |
Bis alles so kommt, dient das Boot als temporäre Plattform. Dort stellt | |
Dmitrij Belkin sein Buch „Germanija. Wie ich in Deutschland jüdisch und | |
erwachsen wurde“ vor und Deborah Feldman ihre schockierende Autobiografie | |
„Unorthodox“. | |
Hinzu kommen Kindersachen, Filme, Diskussionen, Konzerte und zum Abschluss | |
am 16. Oktober ein Sukkot Dinner mit anschließender Boat Closing Party. Das | |
Veranstaltungsprogramm stellt Fragen nach Religion, Flucht, Migration und | |
Miteinander und spiegelt dabei auch das, was Wenzel besonders wichtig ist: | |
„ein lebendiges Zentrum für jüdische Kultur zu sein“. | |
20 Sep 2016 | |
## AUTOREN | |
Shirin Sojitrawalla | |
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