| # taz.de -- Jüdisches Museum Berlin: Der Mittelpunkt der Welt | |
| > Das Jüdische Museum zeigt eine neue Dauerausstellung. „Welcome to | |
| > Jerusalem“ beschäftigt sich mit dem Zentrum dreier Weltreligionen. | |
| Bild: Die ganze Welt in einem kleinen Kleeblatt, Holzschnitt von 1600 im Jüdis… | |
| Es ist Freitag, der Feiertag der Muslime, und es ist der von Palästinensern | |
| ausgerufene „Tag des Zorns“. In Jerusalem und dem Westjordanland kommt es | |
| als Reaktion auf die Anerkennung Jerusalems als Hauptstadt Israels durch | |
| US-Präsident Donald Trump zu Protesten und Ausschreitungen. Und in Berlin | |
| sieht sich Peter Schäfer, Direktor des Jüdischen Museums, dazu genötigt zu | |
| erklären: „Unsere Ausstellung hat mit Herrn Trump nichts zu tun.“ | |
| Jerusalem befindet sich gerade einmal wieder im Zentrum des Weltgeschehens. | |
| Das Jüdische Museum lädt passend dazu ein, sich näher mit der Geschichte | |
| dieses merkwürdigen Gebildes auseinanderzusetzen, von dem noch nicht einmal | |
| geklärt ist, ob es sich um eine (Jerusalem) oder um zwei Städte (West- und | |
| Ost-Jerusalem) handelt. | |
| Dass Jerusalem aber nicht nur existiert, sondern mehr ist als nur ein | |
| verschlafenes Provinznest, liegt gewiss nicht an seiner Bedeutung über die | |
| Jahrhunderte hinweg. Die gab es nämlich nicht. Wirtschaftlich uninteressant | |
| und an der hintersten Ecke eines Großreichs gelegen, war die Stadt lange | |
| Zeit abgemeldet. Ihre überragende Bedeutung gewann sie aus zwei Gründen. | |
| Der erste findet sich in einem großen, ganz in Weiß gehaltenen Saal, in | |
| deren Mitte drei Modelle stehen: das des Haram asch-Scharif mit dem | |
| muslimischen Felsendom in der Mitte wurde 1879 angefertigt. Die kleineren | |
| und neueren Modelle von Klagemauer und Grabeskirche verdeutlichen: Es geht | |
| hier um die drei monotheistischen Weltreligionen, denen Jerusalem heilig | |
| ist. Die Existenz von mehr als 500 Sakralbauten nebst deren Gläubigen macht | |
| Kompromisse ausgesprochen schwierig. | |
| Der zweite Grund hängt mit dem ersten zusammen und ist in einem kleineren | |
| Raum, dargestellt mithilfe von Bildern und Filmen, zu sehen: der Tourismus. | |
| Man sieht das im jüdischen Westen gelegene vornehme Kind David Hotel oder | |
| das American Colony im Ostteil und möchte sich auf der Stelle dort auf das | |
| feine Gestühl setzen und einen Drink bestellen. Die Ausstellungsmacherin | |
| Cilly Kugelmann bemerkt, dass der überraschendste Moment bei der Konzeption | |
| der Schau für sie die Bedeutung des Fremdenverkehrs war. Tatsächlich begann | |
| der christlich geprägte Pilgertourismus schon am Ende des Mittelalters, | |
| expandierte im 19. Jahrhundert und ist heute der wichtigste | |
| Wirtschaftszweig der Stadt. | |
| ## Im Zentrum des Kleeblatts | |
| Jerusalem ist Welt-Mittelpunkt. Dass diese Redensart nicht nur dem | |
| übersteigerten Sendungsbewusstsein mancher seiner Einwohner entspricht, | |
| macht ein Holzschnitt aus dem Jahr 1600 deutlich. Zu sehen ist dort ein | |
| Kleeblatt, links Europa, rechts Asien, unten Afrika, in der Mitte aber, | |
| unangefochten: Jerusalem. Dabei steht das Blatt für eine ganze Reihe | |
| weiterer Karten aus der Zeit, auf denen die Heilige Stadt im Mittelpunkt | |
| steht. | |
| Jerusalem ist aber auch ganz prosaisch eine Stadt, in der gearbeitet, | |
| gegessen und geschlafen wird. Das zu erspüren und die Geräuschkulisse zu | |
| hören, ist der Schau glänzend gelungen. Denn nicht nur laufen thematisch | |
| passende Dokumentarfilme. Der Alltag der heutigen Stadt wird durch eine | |
| Filmspur des Projekts „24h Jerusalem“ auf übergroßen Leinwänden | |
| präsentiert. | |
| Da 1.000 Quadratmeter Fläche nicht zur umfassenden Erklärung Jerusalems | |
| ausreichen, haben die Ausstellungsmacher sich auf einige Themen | |
| konzentriert. Deshalb kommt bedauerlicherweise manches etwas zu kurz. Dass | |
| die Zeit der Kreuzritter unterrepräsentiert ist, liegt auch daran, dass es | |
| an ausstellungsfähigen Objekten darüber mangelt. Das lässt sich über den | |
| Zionismus und die jüdische Einwanderung nicht behaupten, und dennoch ist | |
| dem Thema kein eigenes Kapitel gewidmet, obwohl es doch die Stadtgeschichte | |
| der letzten Jahrzehnte entscheidend geprägt hat. | |
| Jerusalem in fünf Minuten: Zwischen alten Landkarten läuft auf einem großen | |
| Tisch ein animierter Stadtplan, der die Entwicklung Jerusalems von der | |
| Antike bis zum heutigen Tag zeigt, mit der Altstadt im Mittelpunkt, dem | |
| zweiten Tempel bis zum Jahre 70, der arabischen Eroberung, Kreuzrittern, | |
| Kriegen, der grünen Linie der Grenze bis 1967, entstehenden neuen | |
| Stadtvierteln, sich verschiebenden Bevölkerungsanteilen von Juden, Muslimen | |
| und Christen. | |
| Man möchte irre werden an dieser Stadt – oder doch besser nicht. Zu viele | |
| hat das Jerusalem-Syndrom bereits ergriffen. | |
| 10 Dec 2017 | |
| ## AUTOREN | |
| Klaus Hillenbrand | |
| ## TAGS | |
| Jüdisches Museum Berlin | |
| Jerusalem | |
| Israel | |
| Israel | |
| Jerusalem | |
| Schwerpunkt Nahost-Konflikt | |
| Schleswig-Holstein | |
| Beutekunst | |
| Hannah Arendt | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Gegen Jerusalem-Entscheidung: Wieder Anti-Trump-Demo in Berlin | |
| Erneut protestieren vornehmlich arabischstämmige DemonstrantInnen gegen | |
| US-Präsident Trumps Jerusalem-Beschluss. Polizeiauflage: nichts verbrennen. | |
| Bürger zum Streit um die Heilige Stadt: Mit der Linie 1 durch Jerusalem | |
| Donald Trump legt fest, wem die Heilige Stadt gehört. Was sagen die | |
| Jerusalemer? Eine Fahrt mit der Straßenbahn von West nach Ost. | |
| Kommentar Arabische Liga zu Jerusalem: Die üblichen Nahost-Reflexe | |
| Seit Jahren ist die Arabische Liga zerstritten. Beim Thema Jerusalem | |
| herrscht das erste Mal wieder relative Einigkeit. Konkretes folgt daraus | |
| nicht. | |
| Ein einfacher Bürger: Der Gerechte aus Rendsburg | |
| Israel zeichnet mit Erich Mahrt erstmals einen Schleswig-Holsteiner als | |
| Gerechten unter den Völkern aus: Der Arbeitersohn rettete seine jüdische | |
| Verlobte vor den Nazis. | |
| Ausstellung in Lüttich: Kunst im Kontext | |
| Das Museum La Boverie im belgischen Lüttich zeigt mit „21 rue la Boétie“ | |
| Kunst-, Sozial- und Politikgeschichte. Warum das spannend und wichtig ist. | |
| Jüdisches Museum in Frankfurt: Umbau am Untermain-Kai | |
| In Frankfurt am Main wird das Jüdische Museum von Grund auf umgestaltet. | |
| Auf einem Pop-up-Boot zeigt sich derweil, wohin die Reise wohl geht |