# taz.de -- Volksbegehren Berlin Klimaneutral 2030: Gutes Klima für Volksentsc… | |
> Im Endspurt haben Aktivist*innen 260.000 Unterschriften für mehr | |
> Klimaschutz gesammelt. Abgestimmt wird wohl am 12. Februar. | |
Bild: Jubelstimmung bei der finalen Unterschriftenabgabe von Berlin 2030 Kliman… | |
BERLIN taz | Viele haben lange daran gezweifelt, ob es die | |
Unterstützer*innen eines Volksentscheids für radikal mehr Klimaschutz | |
in Berlin schaffen würden, [1][genügend Unterschriften für einen | |
Volksentscheid zusammen] zu bekommen. Nun kann als sicher gelten: Es ist | |
gelungen. Exakt 261.968 Unterschriften sind innerhalb der vergangen vier | |
Monate gesammelt worden, teilte Jessamine Davis, Sprecherin der | |
[2][Initiative Klimaneustart Berlin], am Dienstagmorgen mit. „Das ist eine | |
unglaubliche Zahl“. | |
Die letzte Hürde für einen Volksentscheid in Berlin sind derzeit gut | |
170.000 Unterschriften. Da zuletzt allerdings etwa ein Viertel davon | |
ungültig waren – die Unterstützer*innen müssen für die Wahl des | |
Berliner Abgeordnetenhauses wahlberechtigt sein, das schließt etwa alle | |
Menschen ohne deutschen Pass aus -, hatte auch die Klimainitiative ein | |
deutlich höheres Ziel ausgegeben. Und erreicht: „Wir haben beim Sammeln der | |
Unterschriften auf der Straße gemerkt: Die Berliner*innen wollen mehr | |
Klimaschutz, sie sind nicht zufrieden mit dem Stand derzeit“, sagte Rabea | |
Koss von der Initiative. | |
Auch Werner Graf, Fraktionschef der Grünen im Abgeordnetenhaus, zeigte sich | |
erfreut über die große Zahl der gesammelten Stimmen. „Klimaschutz ist eine | |
echte Herausforderung, da brauchen wir jede Unterstützung“, sagte er der | |
taz. | |
Gleichwohl werden die Grünen laut Graf den bei einem Entscheid zur | |
Abstimmung stehenden Gesetzentwurf der Initiative Klimaneustart nicht | |
unterstützen. Der Entwurf sieht vor, dass [3][Berlin bis 2030 klimaneutral | |
sein muss]. Fände das eine Mehrheit beim Entscheid, müsste das Land | |
erheblich mehr Geld und Anstrengungen etwa in die Verkehrswende und die | |
Dämmung aller Gebäude stecken. Laut der Initiative wäre das dringend nötig, | |
um das Ziel, die Erderwärmung auf höchstens 1,5 Grad zu begrenzen, noch zu | |
erreichen. Der rot-grün-rote Senat wie auch die Grünen selbst lehnen das | |
Gesetz ab; das Ziel sei in dieser kurzen Zeitspanne schlicht nicht | |
umsetzbar. | |
Möglich wurde das Sammelergebnis durch einen fulminanten Endspurt. Noch vor | |
einer Woche fehlten 70.000 Unterschriften bis zum gesetzten Ziel von | |
240.000. Dass dieses übertroffen werden würde stand dann erst am Montag | |
gegen 21 Uhr fest. Vor ihrem Kampagnenbüro in der ersten Etage eines | |
Wohnhauses in der Gneisenaustraße hatten die Aktivist:innen einen Stand | |
aufgebaut und nahmen die letzten Bögen entgegen. | |
## „Krasse Dynamik“ | |
Je später es wurde, desto mehr Menschen kamen vorbei. Im Minutentakt | |
schwang Niklas Schäfer mit einer Glocke – bei jeder neuen Übergabe von | |
Unterschriftenbögen. Schäfer, bei Klimaneutral 2030 für die | |
Politik-Kontakte zuständig, war wie beseelt: „In den letzten drei Tagen ist | |
so eine krasse Dynamik dazugekommen“. Bis zu 40.000 Unterschriften sind es | |
wohl allein am letzten Tag. Vor den Tischen umarmen sich Menschen mit und | |
ohne pinkfarbene Sammelwesten, immer wieder sind Jubelschreie zu hören. | |
Für ein Jubelbild mit zwei Aktivisten in ihren Westen posiert auch | |
Antonella Wewerka. Die Abiturientin aus dem Westend hörte erst am Morgen | |
davon, dass dem Volksbegehren nur noch wenige Tausend Unterschriften | |
fehlten. Sie habe sich gedacht: „Dieser Tag wird investiert. Das ist eine | |
Investition für die nächsten 50 Jahre.“ | |
Zwei Freunde beteiligen sie schließlich auf ihrer stundenlangen Sammeltour | |
vom Westen über Schöneberg bis nach Kreuzberg. „Es wurde immer besser. Das | |
ist so beglückend“, sagt sie strahlend. Polittisch aktiv seien sie und ihre | |
Freunde noch nicht. Aber das „kann man für die Zukunft überlegen“, so ihr | |
Begleiter Ilja Treu. | |
Eine andere, die an diesem Tag bis zuletzt Unterschriften sammelte, ist | |
Marit Schatzmann, aktiv bei den Eltern gegen die Fossilindustrie. Sie sagt: | |
„Es ist schwer, ehrenamtlich nach Feierabend die Welt zu retten, während | |
sie andere hauptamtlich zerstören.“ | |
Eine Etage höher geht es zu wie auf einer WG-Party. Menschen wuseln | |
aufgeregt durch die mit Materialien vollgestellten Zimmer. Nur in einem | |
herrscht Konzentration. Hier sitzen etwa ein Dutzend Aktivist:innen an | |
einer langen Tafel – und zählen die Unterschriften. An einer Tafel werden | |
die Zwischenstände notiert. Als es schon über 260.000 sind, tanzen einige | |
zu „I Just can’t get enough“ durch den Raum. | |
## Mit dem Rad zur Innenverwaltung | |
Gegen 23 Uhr setzt sich dann ein Fahrradkorso zur Innenverwaltung an der | |
Klosterstraße in Bewegung. Auf Lastenrädern werden die Kartons mit den | |
Listen transportiert, begleitet von Dutzenden Aktivist:innen, die noch eine | |
lange Feiernacht vor sich hatten. | |
Damit das Gesetz angenommen wird, muss in einem Volksentscheid eine | |
Mehrheit dafür stimmen, und diese Mehrheit muss aus mindestens einem | |
Viertel der Wahlberechtigten bestehen. Da der Klimaentscheid wohl parallel | |
zu einer Wahl stattfinden wird, dürfte dieses Quorum aber keine Hürde sein. | |
„Die Neuwahl ist für uns ein großer Joker“, so Aktivist Niklas Schäfer. | |
Vorbereitet auf den Wahlkampf, bei dem sich alle Parteien des | |
Abgeordnetenhauses gegen die Initiative aussprechen, sei man allerdings | |
noch nicht. | |
Am morgigen Mittwoch [4][entscheidet das Berliner Verfassungsgericht], ob | |
die Abgeordnetenhauswahl vom September 2021 wiederholt werden muss. Alle | |
Parteien in Berlin rechnen mit dieser Wahlwiederholung, die dann innerhalb | |
von 90 Tagen stattfinden muss. Termin für Wahl wie Entscheid wird wohl der | |
12. Februar. | |
„Der Wahlkampf wird im Zeichen unseres Klimaentscheids stehen“, | |
prognostiziert Stefan Zimmer auf der Pressekonferenz am Dienstagmorgen. | |
„Die Klimakrise ist damit endgültig wieder auf der politischen Tagesordnung | |
angekommen, nachdem das Thema durch die vielen anderen Krisen teilweise | |
überdeckt worden war.“ | |
Zugleich weist Zimmer darauf hin, dass Berlin keineswegs die einzige Stadt | |
sei, in der über solche radikale Schritte für mehr Klimaschutz diskutiert | |
werde. „In Europa gibt es 100 Städte, die sich 2030 oder 2035 als Ziel | |
vorgenommen haben.“ Zudem gebe es in Deutschland in mehr als 80 Städten | |
Anläufe für Bürgerentscheide zu mehr Klimaschutz. Zimmer: „Wir sind eine | |
bundesweite Bewegung.“ | |
15 Nov 2022 | |
## LINKS | |
[1] /Kampf-gegen-Erderwaermung-in-Berlin/!5885398 | |
[2] /Klima-Volksbegehren-in-Berlin/!5889336 | |
[3] /Streitgespraech-ueber-Klimapolitik/!5865260 | |
[4] /Wahl-zum-Berliner-Abgeordnetenhaus/!5891787 | |
## AUTOREN | |
Erik Peter | |
Bert Schulz | |
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