| # taz.de -- Klima-Volksentscheid: Kann Berlin Klimaschutz? | |
| > Der Entscheid war hart erkämpft; die Debatte über den Abstimmungstermin | |
| > ist skandalös. Jetzt muss es schnell auch um die Ziele der Initiative | |
| > gehen. | |
| Bild: Protest vor dem Roten Rathaus: Klimaaktivist*innen fordern einen Abstimmu… | |
| Dem Klimaentscheid gebührt schon jetzt – mehrere Monate vor der Abstimmung | |
| – ein besonderer Platz in der Geschichte der direkten Demokratie in Berlin. | |
| Aus zwei Gründen: Noch nie hat ein Volksbegehren auf den letzten Metern | |
| derart an Fahrt aufgenommen. [1][Vier Tage vor Fristende meldete die | |
| Initiative Klimaneustart] gerade mal 180.000 Unterschriften – das wären, | |
| wie wir [2][seit Dienstag wissen], fast 70.000 zu wenig gewesen. | |
| Und in der erbittert geführten Debatte um den Abstimmungstermin zeigt sich, | |
| welche politischen Kräfte den Souverän, also die Berliner Bevölkerung, | |
| wirklich ernst nehmen. Am kommenden Dienstag will der Senat final klären, | |
| ob der Entscheid am selben Tag wie die Wiederholungswahl stattfindet, also | |
| am 12. Februar 2023. Jede anderslautende Entscheidung wäre ein Affront; | |
| dennoch deutet derzeit alles darauf hin. Offenbar war die in Sachen | |
| Volksentscheide berüchtigte Blockadestrategie der SPD-geführten | |
| Innenverwaltung wieder mal erfolgreich. | |
| Unabhängig vom Tag der Abstimmung muss daher nun endlich die inhaltliche | |
| Auseinandersetzung mit den Zielen dieses Entscheids beginnen. Die ist | |
| nämlich bislang kaum geführt worden – weder während der Sammelphase, in der | |
| wohl auch viele Politiker*innen einen Erfolg als unwahrscheinlich | |
| betrachteten, noch nach der [3][Übergabe der mehr als 260.000 | |
| Unterschriften Mitte November], weil schnell die Terminfrage alles andere | |
| überlagerte. | |
| Dabei ist die Klimapolitik, übrigens nicht nur des Senats, sondern | |
| weltweit, voller Widersprüche und vor allem geprägt von | |
| Lippenbekenntnissen. So hat zum Beispiel Rot-Rot-Grün im Januar 2020 die | |
| Klimanotlage im Land ausgerufen und sich damit zum Ziel des Pariser | |
| Abkommens bekannt, die Erderhitzung auf 1,5 Grad gegenüber vorindustriellen | |
| Werten zu begrenzen. Inzwischen gehen die meisten Expert*innen | |
| allerdings davon aus, dass schon eine Begrenzung auf 2 Grad schwierig wird. | |
| Aus diesem Grund haben etwa die Aktivist*innen der „Letzten Generation“ | |
| am Freitag die Fortsetzung ihrer kurzzeitig unterbrochenen Blockaden in | |
| Berlin und München angekündigt. | |
| Bisher will Berlin bis 2045 klimaneutral werden. Dank des Volksbegehrens | |
| liegt nun ein Gesetzentwurf zur Abstimmung vor, der viel radikalere Ziele | |
| vorsieht: Bis 2030 müsste Berlin die klimaschädlichen CO2-Emissionen danach | |
| um 95 Prozent mindern, verglichen mit dem Niveau von 1990. Zu erreichen | |
| wäre das nur mit auch finanziell massiv verstärkten Anstrengungen etwa bei | |
| der Verkehrswende, bei der Dämmung von Gebäuden, bei der Wärmeversorgung | |
| der Stadt. | |
| Eine Frage dabei: Was kann Berlin allein ausrichten? Global gesehen wenig; | |
| als Symbol und als deutschland- oder sogar europaweites Vorbild ist eine | |
| radikalere Klimapolitik allerdings sinnvoll. | |
| Eine andere Frage lautet: Kann das vorgelegte Gesetz dabei helfen oder ist | |
| dessen Umsetzung [4][schlicht völlig unrealistisch?] Tatsächlich liegt | |
| Letzteres nahe, denn der erste Stichtag ist bereits 2025: Bereits bis dahin | |
| muss laut die Gesetz die Kohlendioxid-Reduktion schon 70 Prozent betragen. | |
| Da wäre das Gesetz – eine Zustimmung beim Entscheid vorausgesetzt – keine | |
| drei Jahre in Kraft. | |
| ## Pokern auf eine geringe Beteiligung | |
| Kein Wunder, dass [5][Politiker*innen fürchten, von der Bevölkerung zu | |
| etwas verpflichtet zu werden], was sie nicht erfüllen können, weil es | |
| schlicht zu teuer ist und die Fachkräfte fehlen; wozu die Politik | |
| allerdings per Klage gezwungen werden könnte. Vor diesem Hintergrund wird | |
| offensichtlich, warum ein von der Wahl getrennter Abstimmungstermin der | |
| Politik gelegen kommt. Denn dabei ist, das zeigen frühere Beispiele, die | |
| Beteiligung deutlich geringer; dass der Entscheid am Quorum von 25 Prozent | |
| scheitern könnte, wird viel wahrscheinlicher. | |
| Gleichwohl braucht es die Debatte dringender denn je. Denn die Frage, wie | |
| viel Klimaschutz wir uns leisten wollen, können, müssen, was das kostet und | |
| was wir bereit sind, dafür aufzugeben, muss jetzt geführt werden. Und so | |
| breit wie möglich. | |
| 3 Dec 2022 | |
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| Bert Schulz | |
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