Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Streitgespräch über Klimapolitik: „2030 ist ambitioniert, ganz …
> Muss Berlin bis 2030 klimaneutral werden? Unbedingt, sagt die Initiative
> Klimaneustart, die einen Volksentscheid anstrebt. Unmöglich, so die
> Grünen.
Bild: Ab Samstag kann für einen Volksentscheid Klimaneustart Berlin unterschri…
taz: Frau Davis, sind die Berliner Grünen für [1][Ihre Initiative
Klimaneustart Berlin] noch Partner im Kampf gegen die Klimakrise?
Jessamine Davis: Nein – weil wir den Kampf gegen die Klimakrise als Kampf
für die 1,5-Grad-Grenze bei der Erderwärmung betrachten. Die Grünen müssten
anerkennen, dass das nur bis 2030 möglich ist. Im rot-grün-roten
Koalitionsvertrag steht aber etwas anderes.
Herr Graf, arbeiten [2][Ihre Partei und Klimaneustart Berlin gemeinsam] am
gleichen Ziel?
Werner Graf: Ja, klar. Wir wollen beide den schnellstmöglichen Umbau
Berlins zu einer klimaneutralen Stadt. Klimaschutz ist die DNA unserer
Partei. Und den Koalitionsvertrag durften wir für diese Legislatur auch
nicht alleine schreiben.
Aber es geht ja um die [3][Umsetzung] …
Graf: Wir mussten Kompromisse schmieden. Aber wir Grüne kämpfen seit
Jahrzehnten für Klimaschutz. Ich habe mich 1998 für den Fünf-Mark-Beschluss
für Benzin an den Parteiständen verprügeln lassen müssen – ich habe das a…
Überzeugung gemacht, weil das der richtige Weg gewesen wäre. Und was Berlin
heute betrifft: Wenn es nach uns geht, würden wir überall, wo es möglich
ist, noch eine Schippe drauf legen.
Davis: Es stimmt ja, dass wir grundsätzlich am gleichen Ziel arbeiten. Es
geht darum, die Erderwärmung so zu begrenzen, dass das Klima nicht kippt.
Genau deswegen tun wir uns gerade schwer mit der rot-grün-roten Koalition
in Berlin: Wir sehen einfach nicht, dass wir dieses Ziel mit der aktuellen
Politik schaffen. Immerhin: Die Grüne Jugend ist unser Partner; sie
unterstützt unser Ziel, Berlin bis 2030 klimaneutral zu machen.
Ein Klassiker: Die Jugend ist wieder mal weiter als die Partei selbst.
Graf: Was heißt weiter? Wenn es darum geht, wann wir klimaneutral werden
wollen, heißt die Antwort: Morgen. Aber es geht darum, wann wir es
physikalisch schaffen. Diese Frage muss ich auch ehrlich beantworten
können. Das ist mein Job als Politiker und meine Verantwortung den
Berliner*innen gegenüber. Ein tolles Versprechen hilft nichts, wenn man
es nicht einhalten kann. Von der Initiative fehlen mir da die Antworten.
Was ist das Problem?
Graf: Für Berlin sind die beiden wichtigsten Bereiche beim Klimaschutz die
Gebäude und der Verkehr. Es ist [4][nur unter härtesten Zumutungen
möglich], sie bis 2030 klimaneutral zu bekommen.
Warum?
Graf: Es wird zum einen immens teuer: Die Finanzschätzung geht beim
Volksbegehren von einem dreistelligen Milliardenbetrag aus. Berlin hat
gerade den Doppelhaushalt verabschiedet in Höhe von jährlich rund 37
Milliarden Euro. Wir müssten also in den kommenden Jahren jeden Cent nur
für Klimaschutz aufwenden – nichts mehr für Kultur, kein Geld für die
Polizei; Bildung und Schulen machen wir dicht, kein Cent, um Mieten zu
bezuschussen oder Sozialwohnungen zu bauen. Dagegen wäre die Umsetzung von
Deutsche Wohnen und Co. enteignen billig.
Und zum anderen?
Graf: Wir brauchen für die Dämmung der Gebäude die Handwerker*innen.
Derzeit arbeiten – je nach Berechnung – im energetischen Bereich in Berlin
zwischen 12.000 bis 120.000 Menschen; die schaffen eine Sanierungsquote von
jährlich 0,8 Prozent. Wenn wir es mit 2030 ernst meinen, müssen wir
ungefähr auf 9,5 Prozent pro Jahr hoch. Wir bräuchten also zwischen 140.000
bis 1,2 Million Handwerker*innen, nur in diesem Bereich. Wenn ich hexen
könnte, würde ich sie herzaubern.
Davis: Das Problem des Fachkräftemangels ist seit Jahren bekannt. Seit
Jahren! Schon lange hätte man Menschen für diese Jobs begeistern können;
erst jetzt wird ein Programm dafür aufgelegt. Die Politik hat das Thema
verschlafen.
Graf: Entweder die Initiative nimmt die Jahreszahl 2030 selbst nicht so
ernst oder sie hat nicht den Mut, den Berliner:innen zu sagen, was das
dann wirklich heißt. Was passiert eigentlich, wenn wir 2030 haben und – das
wird geschehen – die energetische Sanierung und die Wärmewende noch nicht
hinbekommen haben? Wird dann allen, die noch keine erneuerbare Wärme
bekommen, die Heizung abgestellt? Wir sind in Berlin auch nicht alleine:
Wir können den ganzen öffentlichen Fuhrpark bis 2030 auf Elektro umstellen.
Aber den Strom, den wir von außen beziehen, der muss auch grün sein. Heißt
das, wenn wir 2030 nicht genug ökologischen Strom bekommen, dass das
Feuerwehrauto, wenn es zum Notruf gerufen wird, nicht fahren darf?
Sie sagen also: Selbst wenn es zum Volksentscheid käme und dieser
erfolgreich wäre, könnte die Politik das Ziel 2030 nicht umsetzen?
Graf: Für mich als Politiker gilt die Frage: Geht es nur um Zielzahlen oder
wirklich um eine handfeste Politik? Und bringt diese Debatte um diese
Zielzahlen alleine überhaupt etwas?
Davis: Uns geht es nicht um das Jahr 2030 als Selbstzweck. Uns geht es
wirklich um das CO2-Budget. Wir möchten, dass das eingehalten wird.
Graf: Aber die Initiative lässt ein Gesetz abstimmen, das 2030 verbindlich
festschreibt und nicht das Budget. Wir dürfen den Leuten nicht vorgaukeln,
dass durch das Gesetz auch nur eine Maßnahme für den Klimaschutz angegangen
wird.
Davis: 2030 wird ein sehr entscheidendes Jahr werden. Es hat Signalwirkung.
Und von wegen vorgaukeln: Dann erwarten wir, dass die Politik in Berlin
klar sagt: Wir schaffen es nicht, das 1,5 Grad-Limit einzuhalten. Weil 2045
dafür zu spät ist.
Frau Davis, Klimaneustart Berlin will schon bis 2025 rund 70 Prozent
weniger Emissionen im Vergleich zu 1990 erreichen. Da würde das Gesetz –
sofern 2023 ein Volksentscheid kommt und erfolgreich ist – gerade erst zwei
Jahre gelten.
Davis: Wir glauben, dass das machbar ist, weil wir mit Expert*innen
zusammenarbeiten. Etwa [5][Volker Quaschning] …
… dem Professor für Regenerative Energiesysteme an der Berliner Hochschule
für Technik und Wirtschaft.
Davis: Er hat Anfang Juni im Abgeordnetenhaus in der Debatte für unser
Volksbegehren gesprochen. Auch die Energy Watch Group von [6][Hans Josef
Fell]…
… einem langjährigen grünen Bundestagsabgeordneten…
Davis: … unterstützt unsere Position. Sie hat eine Studie erstellt, wonach
100 Prozent erneuerbare Energieerzeugung für Berlin und Brandenburg bis
2030 möglich ist. Wir haben sehr, sehr viele Expert*innen auf unserer
Seite.
Graf: Wir sprechen hier von theoretischen Fantasiegebilden. Diese Studien
rechnen mit immens hohen Kosten und Facharbeiter*innen, die es gar nicht
gibt.
Davis: Wenn wir jetzt nicht handeln, wird die Bewältigung der Klimakrise
noch viel teurer. Und den Menschen muss klar sein, was noch auf sie zukommt
– zum Beispiel, dass wir in Berlin bald Wasserknappheit haben werden. Wir
erleben aktuell schon eine Hitzewelle und den fünften Dürresommer in Folge.
Nun sind Initiativen, [7][die einen Volksentscheid anstreben, genau dafür
da, Forderungen Nachdruck zu verleihen], deren Bedeutung die Parteien
verkennen oder als nicht umsetzbar ansehen. Es geht auch um – vermeintliche
– Utopien, das hat ja DW enteignen gezeigt.
Davis: Wir sehen unsere Rolle darin, der Politik zu verdeutlichen, dass die
Zivilgesellschaft und die Bürger*innen tatsächlich bereit sind für viel
mehr Klimaschutz. Wir haben in den vergangenen drei Jahren mehrere
Unterschriftensammlungen gemacht, wir haben mit mehr als 200.000
Berliner*innen auf der Straße gesprochen – und immer war Offenheit für
dieses Thema da. Zu keinem anderen Thema wird sich schneller und
umfassender geäußert.
Wissen die Leute wirklich, worum es da geht? Verstehen sie die
Auswirkungen?
Davis: Ja. Die Menschen wissen, es geht um Klimaneutralität in acht Jahren.
Ich habe auch heute noch mal eine Umfrage gesehen, wonach die Mehrheit der
Deutschen mehr Klimaschutz möchte und auch, dass das per Gesetz
durchgesetzt wird.
Graf: Die Leute sagen: „Klimaschutz: ja, ja, ja!“ Aber wenn es dann darum
geht, dass wir aus der Bergmannstraße in Kreuzberg – also im Herzen eines
grün regierten Bezirks – [8][die Autos rausnehmen wollen], dann schreien
selbst dort Menschen auf, weil sie ihr Auto behalten wollen. Vor diesem
Hintergrund bringt es gar nichts, wenn wir jetzt ein paar Jahre lang
Klimaschutzpolitik machen, der allen wirklich weh tut, und danach uns die
Leute den Vogel zeigen und sagen: Angesichts dieser sozialen Auswirkungen
machen wir nicht mehr mit.
Davis: Die [9][Empfehlungen des Klimabürger:innenrates] wurden vor
zehn Tagen an die Politik übergeben. Der Rat empfiehlt unter anderen, das
Autofahren unattraktiver zu machen mit dem Ziel, dass „in der Innenstadt
grundsätzlich nicht mit dem Auto gefahren wird“. Er empfiehlt, dass sogar
ab nächstem Jahr keine Verbrenner mehr neu angemeldet werden sollten. Für
uns wird daraus klar: Wenn den Bürger:innen wirklich klar kommuniziert
wird, was die Folgen der Klimakrise bedeuten, und sie an den Lösungen
beteiligt werden, befürworten sie die nötigen Maßnahmen für rasche
Klimaneutralität.
Graf: Der Klimabürger*innenrat hat Dutzende von Maßnahmen empfohlen,
die wirklich was bringen: City-Maut, Parkplätze abschaffen, Entsiegelung,
Ernährungswende. Aus meiner Sicht könnten wir diesen Bericht sofort im
Senat beschließen und angehen. Statt über eine Jahreszahl zu diskutieren,
sollten wir lieber diese Ergebnisse umsetzen.
Was ist denn bisher in Berlin erreicht worden?
Graf: Berlin ist im Klimaschutz Vorreiter. Wir haben als erstes Bundesland
die Klimanotlage ausgerufen, wir haben jetzt schon den größten
Elektro-Fuhrpark Europas bei öffentlichen Verkehrsmitteln, wir sind das
erste Bundesland, das ein Gesetz erlassen hat, dass die Fernwärme
dekarbonisiert werden muss. Verglichen mit den anderen Bundesländern haben
wir die geringste CO2-Emission pro Kopf und in den letzten Jahren
überdurchschnittliche CO2-Einsparungen erreicht.
Davis: Wir sagen gar nicht, dass nichts passiert. Wir sagen, dass nicht
genug passiert, um das 1,5 Grad-Ziel zu schaffen. 2030 ist ambitioniert,
keine Frage, aber wie Herr Graf gesagt hat: Das Land hat – übrigens dank
unserer Initiative – die Klimanotlage erklärt, und wir müssen entsprechend
einer Notsituation ambitioniert handeln.
Graf: Es gibt die Wissenschaft, die uns mahnt, dass diese Kipppunkte auf
uns zukommen. Wir müssen jetzt alles tun, damit wir die nicht
überschreiten. Auf der anderen Seite dürfen wir die Wissenschaft auch nicht
negieren und sagen, es geht eben auch hier nicht um den Glauben. Sie sagen
ständig: „Wir glauben, dass wir es schaffen.“ Aber wo ist der Plan? Wir
müssen schauen, welche Maßnahmen wir umsetzen können, etwa im Verkehr.
Daher kämpfen wir für eine Citymaut, auch wenn wir uns damit in den
Koalitionsverhandlungen leider nicht durchgesetzt haben. Da müssen wir noch
mal ran. Wir brauchen eine Zero-Emission-Zone in Berlin bis 2030.
Frau Davis, was heißt für Sie ganz konkret „entsprechend einer
Notsituation“ zu handeln?
Davis: Wir müssen jetzt alles schneller machen. Etwas passiert ja auch
schon: Die Radwege kommen endlich, der Bund ermöglicht das 9-Euro-Ticket.
Und wir brauchen weniger Bürokratie und schnellere Prozesse in der
Verwaltung. Wir müssen Hürden abbauen.
Graf: Sehr viele angebliche Hürden in der Verwaltung sichern Ökologie und
Naturschutz und machen Sinn. Wenn ich die Hürden reduziere und dafür fünf
Fahrradwege ein paar Monate schneller bauen kann, auf der anderen Seite
aber immense Flächen mit Beton versiegelt und eben nicht woanders
ausgeglichen werden, bringt uns das überhaupt nichts. Hürden wegnehmen –
das ist doch neoliberaler Sprech.
Davis: Es geht nicht um neoliberale Verschlankungen, die Umwelt- und
Sozialauflagen abschaffen. Es geht darum, dass zum Beispiel die Abstimmung
zwischen Bezirken und Land vereinfacht oder Umschulungen und Quereinstiege
für Ingenieursberufe erleichtert werden. Auch bei der Mobilität könnten
Genehmigungsprozesse recht einfach beschleunigt werden. So würden wir die
Stadt schneller emissionsfrei bekommen.
Graf: Sie meinen die Ladesäulen für E-Autos?
Davis: Genau.
Graf: Auch da wäre ich vorsichtig. Bei den Ladesäulen führen wir die
Debatte: Wo stellen wir die auf? Und es gibt Personen, die wollen die
Hürden senken, damit sie die Ladesäulen so positionieren können, damit da
kein Fahrradweg mehr gebaut werden kann, weil der Parkplatz mit Ladesäule
dann eben nicht mehr für den Radweg weichen kann. Das wollen wir nicht. Uns
ist lieber, dass die Leute Fahrrad statt Auto fahren, auch wenn es ein
Elektroauto ist. Der beste Autoverkehr ist der, der nicht stattfindet.
Frau Davis, würden Sie sagen, dass man, um ein ambitioniertes Programm
voran zu treiben, andere Dinge einfach mal außer Acht lassen muss?
Davis: Schwierig. Eigentlich geht es nicht um die drei großen Maßnahmen, es
geht um die vielen kleinen. Das ist der Hebel. Wir sehen, dass solche
Veränderungen besser funktionieren und angenommen werden, wenn die Menschen
in die Entscheidung eingebunden werden. Dennoch muss Berlin
Genehmigungsprozess schlanker machen. Dazu gehört auch, mehr
Mitarbeiter*innen einzustellen. Bei einer Veranstaltung hat eine
Mitarbeiterin des Bezirksamts Schöneberg gesagt, dass sie momentan nicht
mehr hinkriegen beim Klimaschutzprogramm, weil sie unterbesetzt sind.
Graf: Mehr Personal – das betrifft ja viele Bereiche. Aber da sind wir
wieder bei dem Problem: Wenn wir den Umbau der Stadt etwa beim Verkehr
wollen, brauchen wir beispielsweise Planer:innen. Davon gibt es im
Augenblick aber einfach nicht genügend.
Kommen wir mal zu den Kosten: Wo soll das Geld für den schnellen
Klimaschutz herkommen?
Davis: Die Bundesregierung muss mehr in die Pflicht genommen werden, die
Klimawende in den Städten mitzufinanzieren. 70 Prozent der Emissionen
werden von Städten verursacht. Und Berlin muss mehr Druck über den
Bundesrat machen. Auch muss es Förderprogramme geben, dass energische
Sanierung nicht auf Kosten der Mieter:innen geht. Dafür könnte der Bund
die CO2-Steuer erhöhen. Letztlich ist das nur eine Frage der Priorisierung.
Für die Coronakrise und den Ukrainekrieg hat die Bundesregierung –
berechtigterweise – plötzlich viel Geld gefunden.
Graf: Richtig, Berlin kann nicht allein gelassen werden. Und ja, Geld vom
Bund und der EU nehmen wir gerne. Aber das ändert nichts am faktischen
Problem: Zu suggerieren, das ist jetzt alles möglich, wenn man es nur will,
das stimmt nicht.
Welche Zeitspanne ist denn für Sie realistisch, Herr Graf?
Graf: In unserem Wahlprogramm haben wir 2035 angepeilt – wenn man nur die
Faktoren berechnet, für die Berlin direkt verantwortlich ist. Ernährung –
ein ganz wichtiger Faktor – ist bei den Sektoren im Gesetz ja gar nicht
dabei. Ginge es nur nach uns, möchten wir bis 2035 unsere Gebäude
klimaneutral umbauen. Allein für die städtischen Gebäude würden wir dafür
15 Milliarden Euro brauchen.
Und daran ist nichts mehr zu beschleunigen?
Graf: Selbst für 2035 kennen wir noch nicht alle Konzepte, wie wir es
umsetzen wollen. Die Studien, die ich für realistisch halte, gehen von
frühestens 2040 aus.
Davis: Sie haben ein Ziel im Wahlprogramm ausgegeben, aber wissen nicht,
wie Sie dahin kommen?
Graf: Bei den Gebäuden, beim Fuhrpark und ähnlichen halte ich 2035 für
machbar.
Der Unterschied zwischen 2030 und 2035 ist ja nicht so riesig. Gäbe es da
nicht die Möglichkeit eines Kompromisses?
Davis: Hm. Ein Kompromiss wäre damit verbunden, dass wir die 1,5
Grad-Grenze aufgeben.
Graf: Wir müssen uns jetzt in die harte Detailarbeit der Umsetzung der
Maßnahmen hineinbegeben. Ich kämpfe seit so langer Zeit dafür, dass dieses
Thema ernst genommen wird. Wir sind jetzt in einer Situation, in der
tatsächlich eine große Gruppe in dieser Gesellschaft das auch will. Diese
Chance dürfen wir nicht verspielen, indem wir nur für eine Zahl eine
Mehrheit organisieren.
Um noch mal auf die Frage zurück zu kommen: Ist der Unterschied zwischen
2030 und 2035 so groß, dass kein Kompromiss möglich ist?
Graf: Schon, weil wir etwas anderes gesagt haben. Für die Bereiche, auf die
Berlin direkten Einfluss hat, halten wir das Ziel 2035 für machbar. Für den
Rest dauert es leider noch länger.
Macht Ihnen die Klimakrise eigentlich Angst?
Graf: Angst ist für mich persönlich kein Motivator. Ich will unseren
Planeten retten. Ich würde mich eher als kampfeslustig bezeichnen. Wir
müssen alles in unserer Macht Stehende tun, um die Klimakatastrophe
abzuwenden und eine klimaresiliente Stadt aufzubauen.
Davis: Unser großer Antreiber ist Hoffnung. Wir glauben an eine positive,
gerechte Zukunft für alle. Wir glauben daran, dass sie möglich ist, und
darauf arbeiten wir hin. Wir wollen, dass Berlin seiner Verantwortung dem
globalen Süden gegenüber gerecht wird. Und wir sind auch Leute, die sehr
gerne in Berlin wohnen und das gerne weiterhin tun möchten. Unsere
Motivation kommt also auch daher, die tollen Sachen, die diese Stadt
ausmacht, vor der Klimakrise retten zu wollen. Aber wir spüren auch Angst,
auch ich persönlich. Ich weiß nicht, wie die Situation in 15 Jahren sein
wird, wenn die Politik jetzt versagt.
Irgendwie habe ich gerade das Gefühl, es sitzen sich hier wieder zwei
Generationen gegenüber, so wie die Grünen Anfang der 80er mit der radikalen
Forderung nach einem Atomausstieg den Konservativen und der SPD gegenüber
saßen.
Graf: Na Danke. Das sehe ich komplett anders. Als in Wackersdorf
demonstriert wurde, standen ja auf der anderen Seite nicht Personen, die
gesagt haben: „Ja, Atomkraft ist scheiße, aber wir brauchen sie noch.“ Da
standen Menschen, die gesagt haben: „Atomkraft ist toll.“ Hier sitzen zwei
Personen, die sagen: „Wir brauchen den schnellstmöglichen Klimaschutz, der
irgendwie möglich ist.“ Es geht um die Debatte was mehr hilft: kämpfen für
eine Jahreszahl oder der Kampf für konkrete Maßnahmen.
Davis: Wir sagen: Die Maßnahmen sind da – es liegen Studien und
Maßnahmenpakete vor – aber der politische Wille fehlt. Um die
1,5-Grad-Grenze einzuhalten, müssen diese Maßnahmen jetzt von der Politik
mit Beteiligung der Bevölkerung umgesetzt werden. Und, Herr Graf, weil Sie
immer fordern, dass wir Ihnen weitere Maßnahmen vorlegen: Wir sind eine
weitgehend ehrenamtliche Initiative. Wir sind kein millionenschwerer
Thinktank.
Graf: Entschuldigung, aber dann dürfen Sie kein Gesetz vorlegen. Sie
wollen, dass diese Stadt ein Gesetz verabschiedet, von dem am Ende niemand
weiß, wie es technisch umzusetzen ist. Wir wissen es jedenfalls nicht.
Davis: Dann muss man ehrlich sein mit dem 1,5-Grad-Ziel.
Graf: Wir werden für konkrete radikal vernünftige Maßnahmen kämpfen.
(Mitarbeit: Claudius Prößer)
11 Jul 2022
## LINKS
[1] /Volksbegehren-Klimaneustart-in-Berlin/!5806915
[2] /Nein-zu-Klima-Volksbegehren/!5847624
[3] /Neues-Volksbegehren-Klimaneutral-2030/!5779395
[4] /Umweltsenatorin-ueber-Klimaschutz/!5797991
[5] http://www.volker-quaschning.de/index.php
[6] http://hans-josef-fell.de
[7] /Klimabuergerinnenrat-startet/!5829826
[8] /Parkplatzfreier-Kiez-in-Berlin-geplant/!5851517
[9] /Berliner-Klimabuergerinnenrat/!5864882
## AUTOREN
Bert Schulz
## TAGS
Grüne Berlin
Klimaneutralität
Werner Graf
Direkte Demokratie
Klima-Volksentscheid
Grüne Woche
Schwerpunkt Klimawandel
Klimaneutralität
Wochenkommentar
Schwerpunkt Klimawandel
Schwerpunkt Klimawandel
Schwerpunkt Klimawandel
Schwerpunkt Klimawandel
Klimaneutralität
Schwerpunkt Atomkraft
CO2-Kompensation
Klimaneutralität
Klimaneutralität
Schwerpunkt Klimawandel
U-Bahn Berlin
## ARTIKEL ZUM THEMA
Bilanz zur Grünen Woche: Mehr als nur satt werden
Ein Pilotprojekt der sozialökologischen „Ernährungswende“ Berlins ist die
„Kantine Zukunft“. Der Berliner Ernährungsrat fordert mehr.
Politologin über Berlins Klima-Entscheid: „Wir brauchen radikale Schritte“
Metropolen sind wichtig im Kampf gegen die Klimakrise, sagt Lena Partzsch.
Für deren Bürger*innen bedeute mehr Klimaschutz auch mehr
Lebensqualität.
Klima-Volksentscheid in Berlin: Briefwähler mussten draußen bleiben
Wegen Wartungsarbeiten konnten Briefabstimmungen am Samstag nur sehr
eingeschränkt online beantragt werden. Die Initiative reagiert empört.
Klima-Volksentscheid: Kann Berlin Klimaschutz?
Der Entscheid war hart erkämpft; die Debatte über den Abstimmungstermin ist
skandalös. Jetzt muss es schnell auch um die Ziele der Initiative gehen.
Volksbegehren Berlin Klimaneutral 2030: Gutes Klima für Volksentscheid
Im Endspurt haben Aktivist*innen 260.000 Unterschriften für mehr
Klimaschutz gesammelt. Abgestimmt wird wohl am 12. Februar.
Klima-Volksbegehren in Berlin: Vier Tage, 60.000 Unterschriften
Bis Montag können Berliner*innen für einen Volksentscheid über mehr
Klimaschutz unterschreiben. Damit das passiert, braucht es noch viele
Stimmen.
Volksbegehren für Klimaschutz in Berlin: Noch eine Woche sammeln fürs Klima
Bis 14. November haben die Berliner*innen Zeit, das Volksbegehren
Berlin 2030 klimaneutral zu unterstützen. Absehbar ist: Es wird sehr, sehr
knapp.
Volksentscheid Berlin 2030 klimaneutral: Wo ist die Bewegung hin?
Der Klimaneutral-Volksentscheid wackelt, aber warum eigentlich? Treibt das
Thema doch weniger Menschen um, als es scheint?
Volksbegehren Berlin 2030 klimaneutral: Langsam wird's brenzlig
Das Volksbegehren „Berlin 2030 klimaneutral“ hat zur Halbzeit der
Sammlungsphase erst rund ein Viertel der benötigten Unterschriften
zusammen.
Laufzeitverlängerung für Kernkraftwerke: „Scheindebatte“ auf Wiedervorlage
Die FDP verschärft den Ton in der Atomkraft-Diskussion. Neben inhaltlichen
Überlegungen könnte dahinter auch die schlechten Umfragewerte stecken.
Ferienbeginn am BER: Überraschung am Pannenflughafen
Am ersten Ferientag blieb das Chaos am Großflughafen BER aus. Aber das wird
sich vermutlich bald ändern- spätestens am Wochenende.
Berliner Klimabürger:innenrat: Das Volk macht Druck beim Klima
Der Berliner Klimabürger:innenrat hat mehrere Dutzend Empfehlungen an
die Politik vorgelegt – auch die deutliche Reduktion des Autoverkehrs.
„Klimaneutral 2030“ im Parlament: Eigentlich ja, aber nein
Der Ausschuss für Umwelt- und Klimaschutz hat das Volksbegehren „Berlin
2030 klimaneutral“ geschlossen abgelehnt – damit kann es jetzt kommen.
Nein zu Klima-Volksbegehren: Senat gegen Berliner Alleingang
Umweltsenatorin Jarasch (Grüne) begründet Ablehnung des
Klimavolksbegehrens mit hohen Kosten und fehlendem Einfluss des landes.
Senatorin Jarasch über grünen Stadtumbau: „Es ist die Aufgabe meines Lebens…
Im taz-Interview erklärt Mobilitäts- und Klimaschutzsenatorin Bettina
Jarasch (Grüne), wie sie die Stadt verändern will – und zwar möglichst
schnell.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.