# taz.de -- Streitgespräch über Klimapolitik: „2030 ist ambitioniert, ganz … | |
> Muss Berlin bis 2030 klimaneutral werden? Unbedingt, sagt die Initiative | |
> Klimaneustart, die einen Volksentscheid anstrebt. Unmöglich, so die | |
> Grünen. | |
Bild: Ab Samstag kann für einen Volksentscheid Klimaneustart Berlin unterschri… | |
taz: Frau Davis, sind die Berliner Grünen für [1][Ihre Initiative | |
Klimaneustart Berlin] noch Partner im Kampf gegen die Klimakrise? | |
Jessamine Davis: Nein – weil wir den Kampf gegen die Klimakrise als Kampf | |
für die 1,5-Grad-Grenze bei der Erderwärmung betrachten. Die Grünen müssten | |
anerkennen, dass das nur bis 2030 möglich ist. Im rot-grün-roten | |
Koalitionsvertrag steht aber etwas anderes. | |
Herr Graf, arbeiten [2][Ihre Partei und Klimaneustart Berlin gemeinsam] am | |
gleichen Ziel? | |
Werner Graf: Ja, klar. Wir wollen beide den schnellstmöglichen Umbau | |
Berlins zu einer klimaneutralen Stadt. Klimaschutz ist die DNA unserer | |
Partei. Und den Koalitionsvertrag durften wir für diese Legislatur auch | |
nicht alleine schreiben. | |
Aber es geht ja um die [3][Umsetzung] … | |
Graf: Wir mussten Kompromisse schmieden. Aber wir Grüne kämpfen seit | |
Jahrzehnten für Klimaschutz. Ich habe mich 1998 für den Fünf-Mark-Beschluss | |
für Benzin an den Parteiständen verprügeln lassen müssen – ich habe das a… | |
Überzeugung gemacht, weil das der richtige Weg gewesen wäre. Und was Berlin | |
heute betrifft: Wenn es nach uns geht, würden wir überall, wo es möglich | |
ist, noch eine Schippe drauf legen. | |
Davis: Es stimmt ja, dass wir grundsätzlich am gleichen Ziel arbeiten. Es | |
geht darum, die Erderwärmung so zu begrenzen, dass das Klima nicht kippt. | |
Genau deswegen tun wir uns gerade schwer mit der rot-grün-roten Koalition | |
in Berlin: Wir sehen einfach nicht, dass wir dieses Ziel mit der aktuellen | |
Politik schaffen. Immerhin: Die Grüne Jugend ist unser Partner; sie | |
unterstützt unser Ziel, Berlin bis 2030 klimaneutral zu machen. | |
Ein Klassiker: Die Jugend ist wieder mal weiter als die Partei selbst. | |
Graf: Was heißt weiter? Wenn es darum geht, wann wir klimaneutral werden | |
wollen, heißt die Antwort: Morgen. Aber es geht darum, wann wir es | |
physikalisch schaffen. Diese Frage muss ich auch ehrlich beantworten | |
können. Das ist mein Job als Politiker und meine Verantwortung den | |
Berliner*innen gegenüber. Ein tolles Versprechen hilft nichts, wenn man | |
es nicht einhalten kann. Von der Initiative fehlen mir da die Antworten. | |
Was ist das Problem? | |
Graf: Für Berlin sind die beiden wichtigsten Bereiche beim Klimaschutz die | |
Gebäude und der Verkehr. Es ist [4][nur unter härtesten Zumutungen | |
möglich], sie bis 2030 klimaneutral zu bekommen. | |
Warum? | |
Graf: Es wird zum einen immens teuer: Die Finanzschätzung geht beim | |
Volksbegehren von einem dreistelligen Milliardenbetrag aus. Berlin hat | |
gerade den Doppelhaushalt verabschiedet in Höhe von jährlich rund 37 | |
Milliarden Euro. Wir müssten also in den kommenden Jahren jeden Cent nur | |
für Klimaschutz aufwenden – nichts mehr für Kultur, kein Geld für die | |
Polizei; Bildung und Schulen machen wir dicht, kein Cent, um Mieten zu | |
bezuschussen oder Sozialwohnungen zu bauen. Dagegen wäre die Umsetzung von | |
Deutsche Wohnen und Co. enteignen billig. | |
Und zum anderen? | |
Graf: Wir brauchen für die Dämmung der Gebäude die Handwerker*innen. | |
Derzeit arbeiten – je nach Berechnung – im energetischen Bereich in Berlin | |
zwischen 12.000 bis 120.000 Menschen; die schaffen eine Sanierungsquote von | |
jährlich 0,8 Prozent. Wenn wir es mit 2030 ernst meinen, müssen wir | |
ungefähr auf 9,5 Prozent pro Jahr hoch. Wir bräuchten also zwischen 140.000 | |
bis 1,2 Million Handwerker*innen, nur in diesem Bereich. Wenn ich hexen | |
könnte, würde ich sie herzaubern. | |
Davis: Das Problem des Fachkräftemangels ist seit Jahren bekannt. Seit | |
Jahren! Schon lange hätte man Menschen für diese Jobs begeistern können; | |
erst jetzt wird ein Programm dafür aufgelegt. Die Politik hat das Thema | |
verschlafen. | |
Graf: Entweder die Initiative nimmt die Jahreszahl 2030 selbst nicht so | |
ernst oder sie hat nicht den Mut, den Berliner:innen zu sagen, was das | |
dann wirklich heißt. Was passiert eigentlich, wenn wir 2030 haben und – das | |
wird geschehen – die energetische Sanierung und die Wärmewende noch nicht | |
hinbekommen haben? Wird dann allen, die noch keine erneuerbare Wärme | |
bekommen, die Heizung abgestellt? Wir sind in Berlin auch nicht alleine: | |
Wir können den ganzen öffentlichen Fuhrpark bis 2030 auf Elektro umstellen. | |
Aber den Strom, den wir von außen beziehen, der muss auch grün sein. Heißt | |
das, wenn wir 2030 nicht genug ökologischen Strom bekommen, dass das | |
Feuerwehrauto, wenn es zum Notruf gerufen wird, nicht fahren darf? | |
Sie sagen also: Selbst wenn es zum Volksentscheid käme und dieser | |
erfolgreich wäre, könnte die Politik das Ziel 2030 nicht umsetzen? | |
Graf: Für mich als Politiker gilt die Frage: Geht es nur um Zielzahlen oder | |
wirklich um eine handfeste Politik? Und bringt diese Debatte um diese | |
Zielzahlen alleine überhaupt etwas? | |
Davis: Uns geht es nicht um das Jahr 2030 als Selbstzweck. Uns geht es | |
wirklich um das CO2-Budget. Wir möchten, dass das eingehalten wird. | |
Graf: Aber die Initiative lässt ein Gesetz abstimmen, das 2030 verbindlich | |
festschreibt und nicht das Budget. Wir dürfen den Leuten nicht vorgaukeln, | |
dass durch das Gesetz auch nur eine Maßnahme für den Klimaschutz angegangen | |
wird. | |
Davis: 2030 wird ein sehr entscheidendes Jahr werden. Es hat Signalwirkung. | |
Und von wegen vorgaukeln: Dann erwarten wir, dass die Politik in Berlin | |
klar sagt: Wir schaffen es nicht, das 1,5 Grad-Limit einzuhalten. Weil 2045 | |
dafür zu spät ist. | |
Frau Davis, Klimaneustart Berlin will schon bis 2025 rund 70 Prozent | |
weniger Emissionen im Vergleich zu 1990 erreichen. Da würde das Gesetz – | |
sofern 2023 ein Volksentscheid kommt und erfolgreich ist – gerade erst zwei | |
Jahre gelten. | |
Davis: Wir glauben, dass das machbar ist, weil wir mit Expert*innen | |
zusammenarbeiten. Etwa [5][Volker Quaschning] … | |
… dem Professor für Regenerative Energiesysteme an der Berliner Hochschule | |
für Technik und Wirtschaft. | |
Davis: Er hat Anfang Juni im Abgeordnetenhaus in der Debatte für unser | |
Volksbegehren gesprochen. Auch die Energy Watch Group von [6][Hans Josef | |
Fell]… | |
… einem langjährigen grünen Bundestagsabgeordneten… | |
Davis: … unterstützt unsere Position. Sie hat eine Studie erstellt, wonach | |
100 Prozent erneuerbare Energieerzeugung für Berlin und Brandenburg bis | |
2030 möglich ist. Wir haben sehr, sehr viele Expert*innen auf unserer | |
Seite. | |
Graf: Wir sprechen hier von theoretischen Fantasiegebilden. Diese Studien | |
rechnen mit immens hohen Kosten und Facharbeiter*innen, die es gar nicht | |
gibt. | |
Davis: Wenn wir jetzt nicht handeln, wird die Bewältigung der Klimakrise | |
noch viel teurer. Und den Menschen muss klar sein, was noch auf sie zukommt | |
– zum Beispiel, dass wir in Berlin bald Wasserknappheit haben werden. Wir | |
erleben aktuell schon eine Hitzewelle und den fünften Dürresommer in Folge. | |
Nun sind Initiativen, [7][die einen Volksentscheid anstreben, genau dafür | |
da, Forderungen Nachdruck zu verleihen], deren Bedeutung die Parteien | |
verkennen oder als nicht umsetzbar ansehen. Es geht auch um – vermeintliche | |
– Utopien, das hat ja DW enteignen gezeigt. | |
Davis: Wir sehen unsere Rolle darin, der Politik zu verdeutlichen, dass die | |
Zivilgesellschaft und die Bürger*innen tatsächlich bereit sind für viel | |
mehr Klimaschutz. Wir haben in den vergangenen drei Jahren mehrere | |
Unterschriftensammlungen gemacht, wir haben mit mehr als 200.000 | |
Berliner*innen auf der Straße gesprochen – und immer war Offenheit für | |
dieses Thema da. Zu keinem anderen Thema wird sich schneller und | |
umfassender geäußert. | |
Wissen die Leute wirklich, worum es da geht? Verstehen sie die | |
Auswirkungen? | |
Davis: Ja. Die Menschen wissen, es geht um Klimaneutralität in acht Jahren. | |
Ich habe auch heute noch mal eine Umfrage gesehen, wonach die Mehrheit der | |
Deutschen mehr Klimaschutz möchte und auch, dass das per Gesetz | |
durchgesetzt wird. | |
Graf: Die Leute sagen: „Klimaschutz: ja, ja, ja!“ Aber wenn es dann darum | |
geht, dass wir aus der Bergmannstraße in Kreuzberg – also im Herzen eines | |
grün regierten Bezirks – [8][die Autos rausnehmen wollen], dann schreien | |
selbst dort Menschen auf, weil sie ihr Auto behalten wollen. Vor diesem | |
Hintergrund bringt es gar nichts, wenn wir jetzt ein paar Jahre lang | |
Klimaschutzpolitik machen, der allen wirklich weh tut, und danach uns die | |
Leute den Vogel zeigen und sagen: Angesichts dieser sozialen Auswirkungen | |
machen wir nicht mehr mit. | |
Davis: Die [9][Empfehlungen des Klimabürger:innenrates] wurden vor | |
zehn Tagen an die Politik übergeben. Der Rat empfiehlt unter anderen, das | |
Autofahren unattraktiver zu machen mit dem Ziel, dass „in der Innenstadt | |
grundsätzlich nicht mit dem Auto gefahren wird“. Er empfiehlt, dass sogar | |
ab nächstem Jahr keine Verbrenner mehr neu angemeldet werden sollten. Für | |
uns wird daraus klar: Wenn den Bürger:innen wirklich klar kommuniziert | |
wird, was die Folgen der Klimakrise bedeuten, und sie an den Lösungen | |
beteiligt werden, befürworten sie die nötigen Maßnahmen für rasche | |
Klimaneutralität. | |
Graf: Der Klimabürger*innenrat hat Dutzende von Maßnahmen empfohlen, | |
die wirklich was bringen: City-Maut, Parkplätze abschaffen, Entsiegelung, | |
Ernährungswende. Aus meiner Sicht könnten wir diesen Bericht sofort im | |
Senat beschließen und angehen. Statt über eine Jahreszahl zu diskutieren, | |
sollten wir lieber diese Ergebnisse umsetzen. | |
Was ist denn bisher in Berlin erreicht worden? | |
Graf: Berlin ist im Klimaschutz Vorreiter. Wir haben als erstes Bundesland | |
die Klimanotlage ausgerufen, wir haben jetzt schon den größten | |
Elektro-Fuhrpark Europas bei öffentlichen Verkehrsmitteln, wir sind das | |
erste Bundesland, das ein Gesetz erlassen hat, dass die Fernwärme | |
dekarbonisiert werden muss. Verglichen mit den anderen Bundesländern haben | |
wir die geringste CO2-Emission pro Kopf und in den letzten Jahren | |
überdurchschnittliche CO2-Einsparungen erreicht. | |
Davis: Wir sagen gar nicht, dass nichts passiert. Wir sagen, dass nicht | |
genug passiert, um das 1,5 Grad-Ziel zu schaffen. 2030 ist ambitioniert, | |
keine Frage, aber wie Herr Graf gesagt hat: Das Land hat – übrigens dank | |
unserer Initiative – die Klimanotlage erklärt, und wir müssen entsprechend | |
einer Notsituation ambitioniert handeln. | |
Graf: Es gibt die Wissenschaft, die uns mahnt, dass diese Kipppunkte auf | |
uns zukommen. Wir müssen jetzt alles tun, damit wir die nicht | |
überschreiten. Auf der anderen Seite dürfen wir die Wissenschaft auch nicht | |
negieren und sagen, es geht eben auch hier nicht um den Glauben. Sie sagen | |
ständig: „Wir glauben, dass wir es schaffen.“ Aber wo ist der Plan? Wir | |
müssen schauen, welche Maßnahmen wir umsetzen können, etwa im Verkehr. | |
Daher kämpfen wir für eine Citymaut, auch wenn wir uns damit in den | |
Koalitionsverhandlungen leider nicht durchgesetzt haben. Da müssen wir noch | |
mal ran. Wir brauchen eine Zero-Emission-Zone in Berlin bis 2030. | |
Frau Davis, was heißt für Sie ganz konkret „entsprechend einer | |
Notsituation“ zu handeln? | |
Davis: Wir müssen jetzt alles schneller machen. Etwas passiert ja auch | |
schon: Die Radwege kommen endlich, der Bund ermöglicht das 9-Euro-Ticket. | |
Und wir brauchen weniger Bürokratie und schnellere Prozesse in der | |
Verwaltung. Wir müssen Hürden abbauen. | |
Graf: Sehr viele angebliche Hürden in der Verwaltung sichern Ökologie und | |
Naturschutz und machen Sinn. Wenn ich die Hürden reduziere und dafür fünf | |
Fahrradwege ein paar Monate schneller bauen kann, auf der anderen Seite | |
aber immense Flächen mit Beton versiegelt und eben nicht woanders | |
ausgeglichen werden, bringt uns das überhaupt nichts. Hürden wegnehmen – | |
das ist doch neoliberaler Sprech. | |
Davis: Es geht nicht um neoliberale Verschlankungen, die Umwelt- und | |
Sozialauflagen abschaffen. Es geht darum, dass zum Beispiel die Abstimmung | |
zwischen Bezirken und Land vereinfacht oder Umschulungen und Quereinstiege | |
für Ingenieursberufe erleichtert werden. Auch bei der Mobilität könnten | |
Genehmigungsprozesse recht einfach beschleunigt werden. So würden wir die | |
Stadt schneller emissionsfrei bekommen. | |
Graf: Sie meinen die Ladesäulen für E-Autos? | |
Davis: Genau. | |
Graf: Auch da wäre ich vorsichtig. Bei den Ladesäulen führen wir die | |
Debatte: Wo stellen wir die auf? Und es gibt Personen, die wollen die | |
Hürden senken, damit sie die Ladesäulen so positionieren können, damit da | |
kein Fahrradweg mehr gebaut werden kann, weil der Parkplatz mit Ladesäule | |
dann eben nicht mehr für den Radweg weichen kann. Das wollen wir nicht. Uns | |
ist lieber, dass die Leute Fahrrad statt Auto fahren, auch wenn es ein | |
Elektroauto ist. Der beste Autoverkehr ist der, der nicht stattfindet. | |
Frau Davis, würden Sie sagen, dass man, um ein ambitioniertes Programm | |
voran zu treiben, andere Dinge einfach mal außer Acht lassen muss? | |
Davis: Schwierig. Eigentlich geht es nicht um die drei großen Maßnahmen, es | |
geht um die vielen kleinen. Das ist der Hebel. Wir sehen, dass solche | |
Veränderungen besser funktionieren und angenommen werden, wenn die Menschen | |
in die Entscheidung eingebunden werden. Dennoch muss Berlin | |
Genehmigungsprozess schlanker machen. Dazu gehört auch, mehr | |
Mitarbeiter*innen einzustellen. Bei einer Veranstaltung hat eine | |
Mitarbeiterin des Bezirksamts Schöneberg gesagt, dass sie momentan nicht | |
mehr hinkriegen beim Klimaschutzprogramm, weil sie unterbesetzt sind. | |
Graf: Mehr Personal – das betrifft ja viele Bereiche. Aber da sind wir | |
wieder bei dem Problem: Wenn wir den Umbau der Stadt etwa beim Verkehr | |
wollen, brauchen wir beispielsweise Planer:innen. Davon gibt es im | |
Augenblick aber einfach nicht genügend. | |
Kommen wir mal zu den Kosten: Wo soll das Geld für den schnellen | |
Klimaschutz herkommen? | |
Davis: Die Bundesregierung muss mehr in die Pflicht genommen werden, die | |
Klimawende in den Städten mitzufinanzieren. 70 Prozent der Emissionen | |
werden von Städten verursacht. Und Berlin muss mehr Druck über den | |
Bundesrat machen. Auch muss es Förderprogramme geben, dass energische | |
Sanierung nicht auf Kosten der Mieter:innen geht. Dafür könnte der Bund | |
die CO2-Steuer erhöhen. Letztlich ist das nur eine Frage der Priorisierung. | |
Für die Coronakrise und den Ukrainekrieg hat die Bundesregierung – | |
berechtigterweise – plötzlich viel Geld gefunden. | |
Graf: Richtig, Berlin kann nicht allein gelassen werden. Und ja, Geld vom | |
Bund und der EU nehmen wir gerne. Aber das ändert nichts am faktischen | |
Problem: Zu suggerieren, das ist jetzt alles möglich, wenn man es nur will, | |
das stimmt nicht. | |
Welche Zeitspanne ist denn für Sie realistisch, Herr Graf? | |
Graf: In unserem Wahlprogramm haben wir 2035 angepeilt – wenn man nur die | |
Faktoren berechnet, für die Berlin direkt verantwortlich ist. Ernährung – | |
ein ganz wichtiger Faktor – ist bei den Sektoren im Gesetz ja gar nicht | |
dabei. Ginge es nur nach uns, möchten wir bis 2035 unsere Gebäude | |
klimaneutral umbauen. Allein für die städtischen Gebäude würden wir dafür | |
15 Milliarden Euro brauchen. | |
Und daran ist nichts mehr zu beschleunigen? | |
Graf: Selbst für 2035 kennen wir noch nicht alle Konzepte, wie wir es | |
umsetzen wollen. Die Studien, die ich für realistisch halte, gehen von | |
frühestens 2040 aus. | |
Davis: Sie haben ein Ziel im Wahlprogramm ausgegeben, aber wissen nicht, | |
wie Sie dahin kommen? | |
Graf: Bei den Gebäuden, beim Fuhrpark und ähnlichen halte ich 2035 für | |
machbar. | |
Der Unterschied zwischen 2030 und 2035 ist ja nicht so riesig. Gäbe es da | |
nicht die Möglichkeit eines Kompromisses? | |
Davis: Hm. Ein Kompromiss wäre damit verbunden, dass wir die 1,5 | |
Grad-Grenze aufgeben. | |
Graf: Wir müssen uns jetzt in die harte Detailarbeit der Umsetzung der | |
Maßnahmen hineinbegeben. Ich kämpfe seit so langer Zeit dafür, dass dieses | |
Thema ernst genommen wird. Wir sind jetzt in einer Situation, in der | |
tatsächlich eine große Gruppe in dieser Gesellschaft das auch will. Diese | |
Chance dürfen wir nicht verspielen, indem wir nur für eine Zahl eine | |
Mehrheit organisieren. | |
Um noch mal auf die Frage zurück zu kommen: Ist der Unterschied zwischen | |
2030 und 2035 so groß, dass kein Kompromiss möglich ist? | |
Graf: Schon, weil wir etwas anderes gesagt haben. Für die Bereiche, auf die | |
Berlin direkten Einfluss hat, halten wir das Ziel 2035 für machbar. Für den | |
Rest dauert es leider noch länger. | |
Macht Ihnen die Klimakrise eigentlich Angst? | |
Graf: Angst ist für mich persönlich kein Motivator. Ich will unseren | |
Planeten retten. Ich würde mich eher als kampfeslustig bezeichnen. Wir | |
müssen alles in unserer Macht Stehende tun, um die Klimakatastrophe | |
abzuwenden und eine klimaresiliente Stadt aufzubauen. | |
Davis: Unser großer Antreiber ist Hoffnung. Wir glauben an eine positive, | |
gerechte Zukunft für alle. Wir glauben daran, dass sie möglich ist, und | |
darauf arbeiten wir hin. Wir wollen, dass Berlin seiner Verantwortung dem | |
globalen Süden gegenüber gerecht wird. Und wir sind auch Leute, die sehr | |
gerne in Berlin wohnen und das gerne weiterhin tun möchten. Unsere | |
Motivation kommt also auch daher, die tollen Sachen, die diese Stadt | |
ausmacht, vor der Klimakrise retten zu wollen. Aber wir spüren auch Angst, | |
auch ich persönlich. Ich weiß nicht, wie die Situation in 15 Jahren sein | |
wird, wenn die Politik jetzt versagt. | |
Irgendwie habe ich gerade das Gefühl, es sitzen sich hier wieder zwei | |
Generationen gegenüber, so wie die Grünen Anfang der 80er mit der radikalen | |
Forderung nach einem Atomausstieg den Konservativen und der SPD gegenüber | |
saßen. | |
Graf: Na Danke. Das sehe ich komplett anders. Als in Wackersdorf | |
demonstriert wurde, standen ja auf der anderen Seite nicht Personen, die | |
gesagt haben: „Ja, Atomkraft ist scheiße, aber wir brauchen sie noch.“ Da | |
standen Menschen, die gesagt haben: „Atomkraft ist toll.“ Hier sitzen zwei | |
Personen, die sagen: „Wir brauchen den schnellstmöglichen Klimaschutz, der | |
irgendwie möglich ist.“ Es geht um die Debatte was mehr hilft: kämpfen für | |
eine Jahreszahl oder der Kampf für konkrete Maßnahmen. | |
Davis: Wir sagen: Die Maßnahmen sind da – es liegen Studien und | |
Maßnahmenpakete vor – aber der politische Wille fehlt. Um die | |
1,5-Grad-Grenze einzuhalten, müssen diese Maßnahmen jetzt von der Politik | |
mit Beteiligung der Bevölkerung umgesetzt werden. Und, Herr Graf, weil Sie | |
immer fordern, dass wir Ihnen weitere Maßnahmen vorlegen: Wir sind eine | |
weitgehend ehrenamtliche Initiative. Wir sind kein millionenschwerer | |
Thinktank. | |
Graf: Entschuldigung, aber dann dürfen Sie kein Gesetz vorlegen. Sie | |
wollen, dass diese Stadt ein Gesetz verabschiedet, von dem am Ende niemand | |
weiß, wie es technisch umzusetzen ist. Wir wissen es jedenfalls nicht. | |
Davis: Dann muss man ehrlich sein mit dem 1,5-Grad-Ziel. | |
Graf: Wir werden für konkrete radikal vernünftige Maßnahmen kämpfen. | |
(Mitarbeit: Claudius Prößer) | |
11 Jul 2022 | |
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