# taz.de -- Innenminister zur Migrationspolitik: Härter, immer härter | |
> Mehr Zurückweisungen und Abschiebungen: Auf der bevorstehenden | |
> Innenministerkonferenz soll erneut migrationspolitische Strenge | |
> demonstriert werden. | |
Bild: „Freebird“: Im Juni startete in Hamburg ein Charterflug mit 17 abgele… | |
Berlin taz | Vor der [1][Neuwahl] fordern die Unions-Innenminister*innen | |
der Länder erneut eine härtere Migrationspolitik. In einer Beschlussvorlage | |
vor der am Mittwoch beginnenden Innenministerkonferenz im brandenburgischen | |
Rheinsberg verlangen sie eine „grundlegende Wende“. Die „irreguläre | |
Migration“ müsse dringend reduziert werden, um die Kommunen zu entlasten, | |
heißt es darin. Längerfristige Grenzkontrollen und Zurückweisungen seien | |
„zwingend geboten“. | |
Der aktuelle Gastgeber der IMK, [2][Brandenburgs Michael Stübgen (CDU)], | |
erklärte, die Geflüchtetenaufnahmen der vergangenen Jahre hätten die | |
Systeme „bis an die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit geführt“. Man müsse | |
von Anfang an auf Zurückweisungen setzen, statt auf Ausweisungen. Hessens | |
Roman Poseck (CDU) fordert eine „Trendwende in der Asylpolitik“, es brauche | |
eine „spürbare Begrenzung“. Er hoffe sehr, dass die neue Bundesregierung | |
„den Ernst der Lage erkennt und konsequent im Sinne unserer Sicherheit | |
handelt“. | |
Auch [3][Sachsens Innenminister Armin Schuster] sagte der taz, „es kommt | |
jetzt darauf an, den von der Bundesregierung in Wahrheit nie gewollten | |
Kurswechsel in der Migrationspolitik endlich zu vollziehen. Dieses | |
deutliche Signal muss von dieser Innenministerkonferenz ausgehen.“ | |
In der Beschlussvorlage, die der taz vorliegt, heißt es, eine Begrenzung | |
der Geflüchtetenzahlen sei „unabdingbar“. Das europäische | |
[4][Dublin-System] wird als „dysfunktional“ bezeichnet. Wegen der hohen | |
Zahl der Schutzsuchenden und der gekürzten Bundesmittel für Integration | |
werde „eine ausreichende Integration immer schwieriger“. Die politische | |
Stabilität hierzulande sei bereits „erheblich beeinträchtigt“. | |
## Wieder Debatte um Zurückweisungen an der Grenze | |
Die Union-Innenminister*innen stellen gleich eine ganze Reihe an | |
Forderungen. So sollten [5][die bis März 2025 geltenden Grenzkontrollen] | |
verlängert werden, bis die EU-Außengrenzen „nachhaltig“ gesichert seien. | |
Personen aus sicheren Drittländern müsse die Einreise verweigert werden – | |
also praktisch fast allen. Asylanträge sollen generell abgelehnt werden, | |
wenn Schutzsuchende „unrechtmäßig“ einreisten und sich nicht „unverzüg… | |
bei Behörden anmeldeten. | |
Auch CDU-Spitzenkandidat Friedrich Merz vertrat offensiv die Forderung nach | |
Zurückweisungen, äußerte sich zuletzt aber nicht mehr so vernehmbar – wohl | |
auch, weil die rechtlichen Hürden hoch sind und Deutschlands Nachbarländer | |
bereits erklärten, zurückgewiesene Geflüchtete nicht aufzunehmen. An der | |
Frage waren im Herbst Gespräche mit der damaligen Ampelregierung [6][über | |
ein gemeinsames Sicherheitspaket gescheitert]. Die Ampel verabschiedete | |
Teile davon darauf allein – was der Union nicht genügte. | |
Die Unions-Innenminister*innen fordern nun auch deutlich mehr | |
Abschiebungen. Hinweise auf Abschiebetermine, etwa über Apps, müssten | |
„vereitelt“ werden. Auch die SPD ist offen dafür. Berlins | |
SPD-Innensenatorin Iris Spranger will ebenso die Veröffentlichung von | |
Rückführungsterminen „wirksam unterbinden und sanktionieren“. | |
Die Union fordert auch eine Meldepflicht für Ausreisepflichtige, deren | |
Missachtung zur Streichung staatlicher Leistungen führen soll. | |
Abzuschiebende sollen generell nur noch Leistungen „auf Existenzminimum“ | |
erhalten. Rechtsmittel in Asylverfahren sollen „auf das | |
verfassungsrechtlich zwingende Mindestmaß beschränkt“ werden. | |
## „Sofortarrest“ und „Bundesausreisezentren“ | |
Zudem sollen Überstellungsfristen in andere Länder, nach deren Ablauf | |
Abschiebungen nicht mehr möglich sind, verlängert oder ganz aufgehoben | |
werden. Der Ausreisegewahrsam von 28 Tagen soll ausgeweitet werden. Die | |
Aufenthaltsdauer von Familien mit minderjährigen Kindern in | |
Erstaufnahmestellen soll von sechs auf zwölf Monate verlängert werden, um | |
Abschiebungen von dort zu erleichtern. Abgeschobene sollen längere | |
Einreisesperren erhalten und für neue Visa erstmal ihre Abschiebekosten | |
begleichen. | |
Die Union will auch einen „Sofortarrest“ für Straftäter und Gefährder | |
ermöglichen. Ebenso wie „Bundesausreisezentren“, in denen schwere | |
Straftäter oder Gefährder so lange untergebracht werden sollen, „bis sie | |
freiwillig ausreisen“. An Flughäfen sollen Abschiebezentren entstehen, in | |
Grenznähe die [7][von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) bereits | |
angekündigten „Dublin-Zentren“ für Geflüchtete], deren Asylverfahren in | |
anderen EU-Ländern geführt werden. | |
Alle Fluggesellschaften, die deutsche Flughäfen nutzten, sollen zudem | |
verpflichtet werden, auch Abzuschiebende mitzunehmen – was bisher nicht der | |
Fall ist. Überstellungen sollen künftig auch über den Landweg erfolgen. | |
Und: Die staatliche Förderung von Organisationen, die „den Vollzug des | |
Asyl- und Aufenthaltsrechts systematisch konterkarieren“, sei einzustellen. | |
Gefordert wird auch eine „Verstetigung“ von Abschiebungen nach Afghanistan | |
und ein „Sofortprogramm“ für Ausweisungen nach Syrien. Nancy Faesers | |
Bundesinnenministerium plädierte in Vorgesprächen ebenfalls für | |
Abschiebungen in beide Länder. Angesichts des derzeitigen [8][Aufstands | |
islamistischer Rebellen in Syrien] erscheint dies zumindest für das Land | |
ausgeschlossen. Abschiebungen nach Syrien seien „nur denkbar, wenn die | |
Sicherheitslage vor Ort dies zulässt“, erklärte ein Ministeriumssprecher | |
auf taz-Anfrage. Nach Afghanistan indes würden aktuell „weitere | |
Abschiebungen“ vorbereitet. | |
## Mehr Druck auf „unkooperative“ Länder? | |
Dazu plädiert die Union für die Einstufung weiterer sicherer | |
Herkunftsstaaten: Armenien, Indien, Tunesien, Algerien und Marokko. | |
Abschiebungen dorthin würden damit erleichtert. Mit anderen Staaten müssten | |
Migrationsabkommen geschlossen werden, „unkooperative“ Länder über den | |
„Visa-Hebel“, das Aussetzen wirtschaftlicher Zusammenarbeit oder durch | |
Kürzungen von Entwicklungshilfe unter Druck gesetzt werden. | |
Die Unions-Minister*innen drängen generell darauf, die Asylverfahren zu | |
beschleunigen. Dublin-Überstellungen soll das Bundesamt für Migration und | |
Flüchtlinge (Bamf) übernehmen. Die Bezahlkarte für Geflüchtete soll | |
bundesweit mit einem Betrag von 50 Euro eingeführt werden. | |
Schließlich will die Union auch [9][bei der europäischen Geas-Reform] | |
nachbessern: Asylverfahren in Drittstaaten außerhalb der EU müssten | |
erlaubt, das „Verbindungselement“ gestrichen werden. Letzteres besagt, dass | |
eine Zurückweisung einer Person in ein Drittland nur erlaubt ist, wenn | |
diese dorthin einen Bezug hat. Auch müsse der Familiennachzug von subsidiär | |
Schutzberechtigten „bis auf Weiteres ausgesetzt“ werden. Freiwillige | |
Aufnahmeprogramme wie das Bundesprogramm Afghanistan gehörten „unverzüglich | |
eingestellt“. [10][Das Programm stand zuvor auf der Kippe, wurde aber | |
verlängert] – nun ist es wieder fraglich. | |
## Auch die SPD zeigte zuletzt migrationspolitisch Härte | |
Ob die SPD-Innenminister*innen alle diese Maßnahmen mittragen, ist offen. | |
Faeser und andere Sozialdemokraten plädierten zuletzt für „Ordnung“ und | |
strenge Maßnahmen. Zurückweisungen an der Grenze lehnt die Partei jedoch | |
weiter ab. Hamburgs Innensenator Andy Grote (SPD) appellierte an die Union, | |
etwa den vorliegenden Regierungsentwurf zur Geas-Reform noch in dieser | |
Legislatur umzusetzen. Dies dulde keinen weiteren Aufschub, man könne nicht | |
noch ein halbes Jahr länger warten. | |
Gastgeber Stübgen sagte der taz, er wolle die Themen nicht in den | |
Bundestagswahlkampf ziehen. „Die Sicherheit der Bundesrepublik taugt nicht | |
als Showbühne der Parteiprofilierung.“ | |
Hilforganisationen für Geflüchtete zeigten sich ob der Pläne entsetzt. | |
„Allein die Überlegung, nach Syrien abzuschieben, ist verantwortungslos“, | |
sagt Tareq Alaows von Pro Asyl. Eva Beyer von der Organisation Kabul | |
Luftbrücke sagt der taz: „Das Bundesaufnahmeprogramm muss mindestens bis | |
Ende der Legislatur fortgesetzt werden, so wie es ja auch im | |
Koalitionsvertrag steht.“ Wenigstens die Fälle der 17.000 Personen, denen | |
die Evakuierung in Aussicht gestellt wurde, müssten noch geprüft werden. | |
3 Dec 2024 | |
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## AUTOREN | |
Konrad Litschko | |
Frederik Eikmanns | |
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