| # taz.de -- Ministerpräsidentenkonferenz: Länderchefs wollen schneller abschi… | |
| > Die Konferenz der Länderchefs ist beim Thema Migration überraschend | |
| > einig. Sie setzt auf die umstrittene GEAS-Reform und will weniger | |
| > Familiennachzug. | |
| Bild: Die Ministerpräsidenten Schweitzer, Kretschmer und Weil (von links) am F… | |
| Berlin taz | „Bund und Länder halten zusammen“, war die Botschaft des | |
| sächsischen Ministerpräsidenten Michael Kretschmer (CDU) am | |
| Freitagnachmittag in Leipzig. Mit eineinhalb Stunden Verzögerung traten er, | |
| Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) und der | |
| rheinland-pfälzische Ministerpräsident Alexander Schweitzer (SPD) vor die | |
| Kameras, um die Ergebnisse der dreitägigen | |
| Ministerpräsident:innenkonferenz zu verkünden. | |
| Es gab Einigungen bei den Themen Inklusion, Wirtschaft und Rundfunkreform. | |
| [1][Bei letzterem ist vorgesehen], dass die öffentlich-rechtlichen | |
| Hörfunksender von 70 auf 53 reduziert werden. Der TV-Sender Arte soll zu | |
| einer europäischen Kulturplattform ausgebaut, der Sender 3Sat genauso wie | |
| der Kinderkanal Kika erhalten bleiben. Beim Thema Beitragserhöhung wolle | |
| man sich im Dezember einigen. Schweitzer kündigte ein neues | |
| Finanzierungssystem an. | |
| Die Streitigkeiten zwischen privaten Verlagen und den | |
| Öffentlich-Rechtlichen seien mit der Reform hoffentlich beigelegt, so | |
| Schweitzer. Die Verlage hatten sich über die Social Media-Auftritte der | |
| Öffentlich-Rechtlichen beschwert, die daraufhin Angst hatten, sie dürften | |
| in Zukunft nur noch Onlinebeiträge zu Themen machen, zu denen es schon eine | |
| Sendung im Fernsehen oder Radio gab. | |
| Besonders interessant war daneben aber das Thema Migration. Denn die | |
| Erwartungen lagen, so Kretschmer, „groß auseinander“. Vorausgegangen war | |
| die [2][Ablehnung des zweiten Teils des umstrittenen des Sicherheitspakets] | |
| der Ampelkoalition durch die unionsgeführten Länder im Bundesrat. Während | |
| Menschenrechtsorganisationen gegen die Pläne Sturm laufen, geht der Entwurf | |
| der Union nicht weit genug. Zudem sollen die CDU-Länder laut | |
| Medienberichten auf eine Obergrenze bei der Aufnahme von Flüchtlingen | |
| gepocht haben, wogegen sich die SPD-geführten Länder stellten. | |
| Auf Nachfrage sagte der Gastgeber Kretschmer am Freitag deutlich, dass er | |
| den abgelehnten Teil des Sicherheitspaketes, also [3][den zum biometrischen | |
| Abgleich von Fotos], für „gut gedacht“ aber nicht „gut gemacht“ hält. | |
| Stephan Weil gab offen zu, dass die Beratungen „schwierig“ gewesen seien. | |
| „Es war vorher nicht klar, dass wir hier vor Sie treten würden, mit | |
| einvernehmlichen Beschlüssen, vor allem beim Thema Migration“, sagte er. | |
| ## Reizwörter vermieden | |
| Laut ihm wird das Thema in Wahlkampfzeiten zur Polarisierung genutzt. | |
| Unklar blieb, ob er damit die Unions-Parteien meinte oder ob das eine | |
| Kritik an der eigenen Partei war, der vorgeworfen wird, sich bei dem Thema | |
| ebenfalls von der AfD treiben zu lassen. Weil gab sich aber über den | |
| Beschluss zufrieden: „Die Reizwörter der Diskussion, die werden Sie | |
| vermissen.“ | |
| Als Beispiel nannte er das Stichwort „Zurückweisungen“, also Abschiebungen. | |
| Die Länder sehen hier die Hauptverantwortung auf europäischer Ebene und | |
| verweisen darauf, dass der Bund die [4][höchst umstrittene GEAS-Reform] | |
| umsetzen müsse. Auf nationaler Ebene gebe es keine „Allheilmittel“, so | |
| Weil, der nicht möchte, dass „falsche Erwartungen“ aufkommen. | |
| Der Bund könne allerdings die Länder bei Grenzkontrollen unterstützen, | |
| deren Sinnhaftigkeit Expert:innen grundsätzlich infrage stellen. | |
| Bundesinnenministerin Nancy Faeser hatte die Kontrolle Anfang September als | |
| Reaktion auf den mutmaßlich islamistischen Anschlag in Solingen eingeführt. | |
| Viel wichtiger ist aber wohl die Einigung zum sogenannten | |
| Dublin-3-Verfahren. Dieses solle „revitalisiert“ werden. Spricht: Es soll | |
| mehr und schneller abgeschoben werden. Nach den Dublin-Regeln müssen | |
| Flüchtlinge in dem EU-Land Asyl beantragen, in dem sie als Erstes ankommen. | |
| Hier sollen die Verfahren beschleunigt werden. | |
| Wichtig für die Länder sei, dass der Bund die Zuständigkeit für | |
| [5][Dublin-3-Abschiebungen] von ihnen übernehme. Weil habe aber das Gefühl, | |
| „dass es schwer sein wird, den Bund davon zu überzeugen.“ | |
| ## Weniger Familiennachzug | |
| Für besonders viel Kritik dürfte die Einigung zum Familiennachzug führen. | |
| Statt wie bisher allgemein auf die subsidiär Schutzberechtigten zu schauen, | |
| wolle man sich in Zukunft auf Härtefälle konzentrieren. Subsidiär | |
| Schutzberechtigte sind Menschen, bei denen zwar keine | |
| Flüchtlingseigenschaft im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention | |
| festgestellt wurde, denen jedoch im Falle der Rückkehr in den | |
| Herkunftsstaat ein ernsthafter Schaden droht. | |
| Nach bisherigem Gesetz können monatlich bis zu 1000 Menschen so nach | |
| Deutschland geholt werden. Voraussetzung ist, dass sie Teil der Kernfamilie | |
| der betreffenden Person sind, also zum Beispiel Ehepartner:in, | |
| minderjährige oder ledige Kinder. | |
| Die Ministerpräsident:innen rütteln auch an Vereinbarungen, nach | |
| denen Angehörige bestimmter Staaten visafrei nach Deutschland reisen | |
| dürfen. Dort, wo Herkunftsländer nicht bereit für Abschiebeabkommen seien, | |
| müsse Deutschland darüber nachdenken, die Visaabkommen aufzuheben, so Weil. | |
| Durch diese hätten die betreffenden Länder wirtschaftliche Vorteile, die | |
| wegfallen würden. Als Beispiel nannte er Kolumbien. | |
| Ein weiterer Punkt ist die schnelle Abschiebung von Menschen, bei deren | |
| Herkunftsländern es eine Anerkennungsquote von unter fünf Prozent gebe. | |
| Auch der Gastgeber Kretschmer zeigte sich zufrieden mit den Ergebnissen | |
| beim Thema Asyl. Aus seiner Sicht habe man bei den für ihn wichtigen Themen | |
| Steuerung und Reduzierung miteinander Werkzeuge festgelegt und einen | |
| parteiübergreifenden Diskursraum geschaffen. | |
| Als nächstes steht im November ein Treffen mit Bundeskanzler Olaf Scholz | |
| und dem Bundeskabinett an. Die Länder hoffen, so Weil, dann „einen Strich | |
| drunter“ zu ziehen. | |
| 25 Oct 2024 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Reform-der-Oeffentlich-Rechtlichen/!6045042 | |
| [2] /Bundestag-beschliesst-Sicherheitspaket/!6043647 | |
| [3] /Regierungserklaerung-von-Olaf-Scholz/!6040139 | |
| [4] https://www.fr.de/politik/europaeisches-asylsystem-geas-eine-festung-zur-eu… | |
| [5] /Sicherheitspaket-der-Ampel/!6042384 | |
| ## AUTOREN | |
| Baha Kirlidokme | |
| ## TAGS | |
| Schwerpunkt Flucht | |
| Ministerpräsidenten | |
| Michael Kretschmer | |
| Stephan Weil | |
| SPD | |
| CDU | |
| Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) | |
| Migration | |
| Migration | |
| Schwerpunkt Flucht | |
| Innensenatorin Iris Spranger | |
| Frontex | |
| Schwerpunkt Flucht | |
| Asyl | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Innenministerkonferenz geht zu Ende: „Grundlegende Wende“ bleibt erstmal aus | |
| Die Innenminister*innen der Länder und des Bundes halten an | |
| Abschiebungen nach Afghanistan fest. Den Unionsinnenministern reicht das | |
| noch nicht. | |
| Innenminister zur Migrationspolitik: Härter, immer härter | |
| Mehr Zurückweisungen und Abschiebungen: Auf der bevorstehenden | |
| Innenministerkonferenz soll erneut migrationspolitische Strenge | |
| demonstriert werden. | |
| Neue Migrantenorganisation Polyphon: Der Vielfalt eine Stimme geben | |
| Das neue Netzwerk „Polyphon“ will den Diskurs über Migration auf ein | |
| besseres Niveau heben und migrantischen Perspektiven mehr Gehör verleihen. | |
| Abschiebungen nach Tadschikistan: Nicht oppositionell genug | |
| Erneut soll ein Oppositioneller nach Tadschikistan abgeschoben werden. In | |
| zwei früheren Fällen wanderten die Betroffenen für Jahre in den Knast. | |
| Berliner Landespolitik: Härtere Linie bei Abschiebungen | |
| Innenausschuss veranstaltet eine Anhörung über die Abschiebepraxis in | |
| Berlin. Gewerkschaft der Polizei präsentiert eine Wunschliste. | |
| 20 Jahre Frontex: Abschottung wird erwachsen | |
| Die EU-Grenzschutzpolizei Frontex wurde vor zwei Jahrzehnten gegründet. | |
| Klar ist: Festung Europa und Menschenrechte – das geht nicht zusammen. | |
| Auswirkungen des „Sicherheitspakets“: Mehr Sicherheit – durch mehr Elend? | |
| Als Teil eines Maßnahmenbündels sollen manche Dublin-Flüchtlinge keine | |
| Leistungen mehr bekommen. Das könnte dazu führen, dass sie obdachlos | |
| werden. | |
| Sicherheitspaket und die Härte der EU: Abschreckung, Abschiebung, Abschottung | |
| Die Ampel hat das Asylrecht verschärft, Konservativen und Rechten reicht | |
| das noch nicht. Auf europäischer Ebene schmieden sie neue Allianzen. |