# taz.de -- Abschiebezentren für Dublin-Flüchtlinge: Ein neues Lager soll’s… | |
> Brandenburg eröffnet ein „Dublin-Zentrum“ für Flüchtlinge, für die ein | |
> anderes EU-Land zuständig ist. Welche Probleme das lösen soll, bleibt | |
> unklar. | |
Bild: Die Erstaufnahmestelle EIsenhüffenstadt (hier im Jahr 2021) bekommt ein … | |
Berlin/Potsdam taz | Kurz vor der Bundestagswahl am Sonntag will die SPD | |
noch einmal ihre Tatkraft in puncto Anti-Flüchtlingspolitik unter Beweis | |
stellen. In Eisenhüttenstadt soll ein „Dublin-Zentrum“ errichtet werden, um | |
Geflüchtete schneller in das für sie zuständige EU-Land abschieben zu | |
können. Bundesinnenministerin Nancy Faeser und Brandenburgs Innenministerin | |
Katrin Lange (beide SPD) unterzeichneten am Montag in Potsdam eine | |
entsprechende Vereinbarung. | |
„Man darf keine Wunder erwarten“, dämpfte Lange die Ansprüche an das neue | |
Zentrum. Es sei jedoch ein „wichtiger Schritt zu mehr Ordnung und | |
Effizienz“. Faeser ergänzte, das Zentrum werde – zusammen mit den kürzlich | |
verlängerten Grenzkontrollen – einen Beitrag zur Begrenzung „irregulärer | |
Migration“ leisten. | |
Das „Dublin-Zentrum“ soll schon ab 1. März in Eisenhüttenstadt auf dem | |
Gelände der Zentralen Erstaufnahmestelle für Asylbewerber entstehen und 250 | |
Plätze umfassen. In der Einrichtung sollen insbesondere Dublin-Fälle aus | |
Polen interniert werden. Flüchtlinge, die im Nachbarland registriert sind, | |
sollen gar nicht mehr auf Landkreise verteilt werden, sondern in | |
Eisenhüttenstadt bleiben müssen, bis ihre Rücknahme vereinbart ist. „Die | |
Überstellung soll innerhalb von zwei Wochen erfolgen“, erklärte das | |
Brandenburger Innenministerium. | |
Die Vereinbarung zwischen Bund und Brandenburg sieht vor, dass ab dem | |
Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bamf), dass ein | |
Asylantrag als Dublin-Fall abgelehnt ist, der Betreffende von Leistungen | |
nach dem Asylbewerberleistungsgesetz ausgeschlossen wird und nur noch | |
„befristet“ Sachleistungen bekommt. Diese Möglichkeit war in der jüngsten | |
Asylrechtsverschärfung beschlossen worden und hatte [1][scharfe Kritik von | |
Flüchtlingsverbänden ausgelöst]. Was passiert, wenn die Befristung der | |
Sachleistungen ausläuft – laut Gesetz sind 14 Tage vorgesehen –, der Mensch | |
aber nicht nach Polen geht oder Polen ihn nicht aufnimmt, ist ungeklärt. | |
## Menschen unter Kontrolle halten | |
Olaf Jansen, Leiter der Zentralen Ausländerbehörde in Eisenhüttenstadt, | |
betonte am Montag, niemand würde im Dublin-Zentrum eingesperrt. Es gebe | |
zunächst eine Residenzpflicht für den Landkreis, nach dem Bamf-Bescheid | |
dann für Eisenhüttenstadt. Die Einrichtung könne aber unter Auflagen | |
verlassen werden. Das Zentrum soll laut Innenministerin Lange eine „geringe | |
Bewachung“ haben – inklusive elektronischer An- und Abmeldung. So müsse man | |
die Menschen „nicht suchen“, wenn man sie abschieben will. | |
Am vergangenen Mittwoch hatte Faeser bereits in Hamburg das erste derartige | |
Dublin-Zentrum angekündigt. Die neuen Lager stehen im Zeichen der | |
verschärften Migrationsdebatte, in der nach den Messerangriffen von | |
Solingen und Aschaffenburg Forderungen nach Abschottung und rigider | |
Abschiebepolitik immer lauter werden. | |
Ob diese Zentren die Zahl der „Rückführungen“ in andere EU-Länder | |
nennenswert erhöhen werden, ist allerdings zweifelhaft. Laut | |
Dublin-III-Verordnung müssen Flüchtlinge in dem EU-Land ihren Asylantrag | |
stellen, in dem sie die EU betreten. Viele aber wollen nach Deutschland. | |
Werden sie in einem anderen EU-Land von der Polizei angehalten und | |
registriert und beantragen später in Deutschland Asyl, stellt das Bamf beim | |
entsprechenden EU-Land einen Antrag auf Rücknahme. Erfolgt diese in sechs | |
Monaten nicht, ist Deutschland zuständig. | |
Inzwischen sind ein Gutteil der Asylbewerber in Deutschland „Dublin-Fälle“ | |
– aber nur relativ wenige werden in andere EU-Länder zurückgebracht. Dies | |
zeigen Statistiken des Bamf, die auf der Pressekonferenz genannt wurden. | |
Danach hat das Bamf 2024 in knapp 75.000 Fällen die Überstellung beantragt | |
(bei rund 251.000 Asylanträgen), in etwa 44.000 Fällen stimmte das andere | |
EU-Land zu. Aber in nur 5.740 Fällen fand die Überstellung tatsächlich | |
statt. | |
## Menschenunwürdige Zustände | |
Gründe für die wenigen Rückführungen gibt es viele. Italien etwa nimmt kaum | |
Geflüchtete zurück, auch andere Länder stellen Bedingungen, die für die | |
hiesigen Behörden kaum zu erfüllen sind. Oft ist auch die Kommunikation | |
zwischen Behörden zu langsam, sodass die Frist abläuft. [2][So war es auch | |
im Fall des Täters von Aschaffenburg.] Immer wieder verhindern zudem | |
Gerichte die Rückführung, weil sie die Zustände im jeweiligen EU-Land als | |
menschenunwürdig beurteilen. | |
Laut einer [3][Antwort der Bundesregierung auf eine Linken-Anfrage] ist der | |
Hauptgrund für das Scheitern von Rücknahmen mit 36 Prozent das Verhalten | |
der anderen EU-Länder. In 22 Prozent der Fälle liegt es an der jeweiligen | |
Ausländerbehörde, in 12 Prozent der Fälle sind die Betreffenden | |
untergetaucht. Nur bei letztgenannten Fällen würden „Dublin-Zentren“ | |
überhaupt etwas „nützen“ – am Kern der Probleme ändert sich jedoch | |
überhaupt nichts. | |
So sagt Wiebke Judith, rechtspolitische Sprecherin von Pro Asyl: | |
„Dublin-Zentren lösen nicht die Probleme der Bundesregierung, | |
verschlechtern aber drastisch die Lage der Menschen.“ Damit meint sie vor | |
allem die Ankündigung, dass die Menschen in den Zentren nur zwei Wochen | |
lang eine Grundversorgung bekommen sollen. „Was ist danach, sollen die | |
Menschen dann unversorgt bleiben? Das wäre verfassungswidrig“, sagt Judith. | |
Auch der Flüchtlingsrat Brandenburg kritisiert das Vorhaben. „Das ist | |
wieder ein Symptom der aktuellen Migrationspolitik, die nur von Abschottung | |
und Abschiebung geprägt ist“, sagt Kirstin Neumann. Das Problem an den | |
Dublin-Verfahren seien nicht die niedrigen Überstellungszahlen, sondern | |
„systemische Mängel bei der Aufnahme und den Asylverfahren anderer | |
Dublin-Staaten“, weshalb Schutzsuchende weiterwanderten. | |
Alle seien sich einig, dass das Dublin-System gescheitert ist, so Neumann. | |
„Doch dass die Leidtragenden der Unfähigkeit der EU, ein gemeinsames und | |
funktionierendes Asylsystem aufzubauen, wieder einmal Schutzsuchende sind, | |
die nun in ein Zentrum gesperrt und in Europa hin- und hergeschoben werden | |
sollen, ist fatal.“ Statt Dublin brauche man eine menschenwürdige Aufnahme. | |
17 Feb 2025 | |
## LINKS | |
[1] /Reaktionen-auf-Asylrechtsverschaerfungen/!6033437 | |
[2] /Taeter-von-Aschaffenburg/!6067966 | |
[3] https://dserver.bundestag.de/btd/20/143/2014341.pdf | |
## AUTOREN | |
Susanne Memarnia | |
Marie Frank | |
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