# taz.de -- Kirchenasyl in Bremen: Ab jetzt wird wieder abgeschoben | |
> Bremens Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) will wieder aus dem Kirchenasyl | |
> abschieben lassen. Die Kirchengemeinden kündigen Widerstand an. | |
Bild: „Space as an invitation to stay“, Raum als Einladung zum Bleiben, hie… | |
Bremen taz | Bis Ende Januar würde niemand abgeschoben, der in einer Bremer | |
Kirchengemeinde [1][Schutz vor Abschiebung] gesucht hat. Das hatte Bremens | |
Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) kurz vor Weihnachten per Pressemitteilung | |
zugesagt; überschrieben war diese mit „Innensenator Mäurer und evangelische | |
Kirchen verständigen sich zum Kirchenasyl“. | |
Das Moratorium war vorläufiger Schlusspunkt einer [2][Auseinandersetzung um | |
das Kirchenasyl im Land Bremen]. „In dieser Zeit sollen weitere, notwendige | |
Klärungen erfolgen. Dazu gehört, feste Kriterien für ‚Härtefälle‘ und | |
'unzumutbare Härten“ abzustimmen und festzulegen“, hatte es weiter [3][in | |
der Pressemitteilung] geheißen. | |
Allein: Die ebenfalls angekündigten Gespräche mit den betroffenen | |
Kirchengemeinden haben nicht stattgefunden, „feste Kriterien“ sind nicht | |
festgelegt worden. Letzteres ist auch schwer möglich, weil zum einen das | |
Bundesamt für Migration (Bamf) darüber entscheidet, wer als Härtefall in | |
Deutschland bleiben darf – und nicht die Bremer Ausländerbehörde und ihr | |
Dienstherr, der Innensenator. Zum anderen nehmen Kirchengemeinden Menschen | |
auf, weil das Bamf ihnen unzumutbare Härten abspricht – die Gemeinden das | |
aber anders sehen. | |
Trotz der fehlenden Klärung wird Bremen jetzt wieder Menschen aus dem | |
Kirchenasyl abschieben. Das teilte ein Sprecher des Innensenators auf | |
Nachfrage mit. Und zwar dann, wenn das Bamf im sogenannten | |
Dossierverfahren auf Bitten der Kirchengemeinden den Fall erneut geprüft | |
hat und weiter keine Härten erkennen kann. Dies ist nach Angaben der | |
ökumenischen Bundesarbeitsgemeinschaft Asyl in der Kirche fast immer das | |
Ergebnis der Prüfung. | |
## Kirchenasyl ist illegal | |
„Sollte es zu Fällen kommen, in denen Personen auch nach dem | |
Dossierverfahren in den Gemeinderäumen bleiben, muss die Gemeinde auch mit | |
einer Überstellung aus diesen Räumen rechnen“, schreibt der Sprecher des | |
Innensenators in einer Mail. Und: „Das wird jeweils eine | |
Einzelfallentscheidung sein.“ | |
Er schreibt auch von „Recht und Gesetz“, an die sich alle Beteiligten | |
halten müssten, sowie von zu befolgenden Regeln, damit es keine | |
Abschiebeversuche mehr aus Gemeinderäumen wie Anfang Dezember gibt. | |
[4][Damals sollte ein junger Somalier nach Finnland abgeschoben werden;] er | |
hatte Angst, von dort nach Russland und dann in sein Herkunftsland gebracht | |
zu werden. Demonstrant:innen hatten den Polizeieinsatz in einer Kirche | |
im Bremer Süden so behindert, dass er abgebrochen wurde. | |
Doch worin genau Regeln, Recht und Gesetz bestehen sollen, kann der | |
Sprecher nicht sagen. Kein Wunder, denn es gibt keinen Rechtsrahmen, in dem | |
sich das Kirchenasyl bewegt. Auch mit den Regeln ist es so eine Sache. 2015 | |
hatten sich Vertreter:innen der beiden christlichen Kirchen in | |
Deutschland mit dem Bamf [5][auf eine bessere Zusammenarbeit geeinigt]. | |
Ein Bestandteil ist nach einem Protokoll der Gespräche „ein zentrales | |
Postfach“ für „die Prüffälle in Form von Dossiers“, die das Bamf bearb… | |
soll. Anders als vom Bremer Innensenator und Amtskolleg:innen in | |
anderen Bundesländern behauptet, enthält die Einigung keinen Passus | |
darüber, was passiert, wenn das Bamf bei seiner ersten Einschätzung bleibt. | |
## Sprunghafter Anstieg der Fallzahlen | |
Doch solange das Bamf weiter reihenweise „die Dossiers ohne näheres | |
Eingehen auf den Einzelfall“ ablehne, würden die Bremer Kirchengemeinden | |
die Kirchenasyle weiterhin so lange aufrecht erhalten, wie sie es für | |
richtig erachten. Das teilte am Mittwoch der Verein Zuflucht mit, der in | |
der Stadt Bremen die Kirchenasyle koordiniert. Weiter [6][heißt es in einer | |
Erklärung], der Verein erhoffe sich „für Bremen eine Rückkehr zum | |
konstruktiven Miteinander von staatlichen und kirchlichen Stellen, wie es | |
bis November 2024 praktiziert wurde“. | |
Bis dahin hatte der Innensenator toleriert, dass in den letzten Jahren im | |
Land Bremen überdurchschnittlich viele Geflüchtete Zuflucht in | |
Kirchengemeinden gefunden hatten. Mäurers Position hatte sich erst im | |
letzten Jahr geändert, nachdem die Bremer Fallzahlen infolge der stärkeren | |
Abschiebebemühungen Deutschlands noch einmal deutlich angestiegen waren. | |
Laut Innensenator waren es im Jahr 2021 16 Fälle, 2022 30 und 2023 schon 90 | |
Fälle, in der Mehrzahl handelte es sich dabei um Einzelpersonen. Im | |
vergangenen Jahr seien es bis einschließlich Oktober 202 Fälle gewesen. | |
Dabei lag dieser neuerliche sprunghafte Anstieg vor allem daran, dass | |
Bremerhavener Gemeinden sehr viele Geflüchtete aufgenommen hatten. Etwa 100 | |
Fälle sollen es dort bis Dezember gewesen sein – das hatte die Hannoversche | |
Landeskirche der taz mitgeteilt, zu der die Bremerhavener Gemeinden | |
gehören. Für die Stadt Bremen gab der Verein Zuflucht 125 für das ganze | |
Jahr 2024 an. | |
Sowohl die Bremer als auch die Bremerhavener Gemeinden nehmen jetzt nur | |
noch wenige Geflüchtete auf und vor allem kaum noch aus anderen | |
Bundesländern – das hatte der Bremer Innensenator gefordert. Aktuell leben | |
in der Stadt Bremen zwölf Menschen aus Somalia, Afghanistan und Syrien im | |
Kirchenasyl. Sie sollen in verschiedene andere europäische Länder | |
„überstellt“ werden, wie es die Dublin-Verordnung vorsieht. | |
Danach müssen Geflüchtete in dem Land Asyl beantragen, in dem sie zuerst | |
als Einreisende registriert wurden. Halten sie sich mehr als sechs Monate | |
in Deutschland auf, können sie hier Asyl beantragen. Um diese Frist | |
verstreichen zu lassen, gewährt ein Bruchteil der Kirchengemeinden in | |
Deutschland den vorübergehenden Schutz vor Abschiebung. | |
Auch in Bremerhaven seien es in allen vier Gemeinden mit aktuell neun | |
Fällen deutlich weniger bisher, sagte am Donnerstag [7][Sebastian Ritter | |
von der Johannesgemeinde]. Nicht nur wegen des Drucks des Innensenators: | |
„Es war auch für uns zu viel, das ging über meine Kraft hinaus.“ Im Sommer | |
hätten täglich 20 Leute bei ihm geklingelt. Er konnte so gut wie niemand | |
aufnehmen. „Aber sie haben gesagt, ich sei der Erste, der sich ihre | |
Geschichte angehört habe.“ | |
8 Feb 2025 | |
## LINKS | |
[1] /Rekordhoch-beim-Kirchenasyl--ein-FAQ/!6058055 | |
[2] /Streit-um-Kirchenasyl-/!6058630 | |
[3] https://www.senatspressestelle.bremen.de/pressemitteilungen/innensenator-ma… | |
[4] /Bremens-Innensenator-bricht-Kirchenasyl/!6050013 | |
[5] https://asyl-bc.de/application/files/7214/3714/1500/20150717_Kirchenasyl.pdf | |
[6] https://www.zuflucht-bremen.de/2025/02/05/%C3%B6ffentliche-erkl%C3%A4rung-d… | |
[7] /Rekordhoch-beim-Kirchenasyl/!5989857 | |
## AUTOREN | |
Eiken Bruhn | |
## TAGS | |
Asyl | |
Abschiebung | |
Ulrich Mäurer | |
Dublin-System | |
Kirchenasyl | |
Geflüchtete | |
Kirchenasyl | |
Geflüchtete | |
Schwerpunkt Flucht | |
Niedersachsen | |
Kirchenasyl | |
Schwerpunkt Flucht | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Kirchenasyl in Gefahr: Es braucht zivilen Menschenrechtsgehorsam | |
Die Praxis des Kirchenasyls ist fundamental gefährdet. Gemeinden müssen | |
dieses und andere bedrohte Grundrechte verteidigen. | |
Ausreisezentrum in Hamburg: Das Dublin-Zentrum wird kein Knast | |
In Hamburg wird eine Unterbringung für Geflüchtete eröffnet, die in einem | |
anderen EU-Land registriert wurden. Sie bekommen kein Geld, nur das | |
Nötigste. | |
Abschiebezentren für Dublin-Flüchtlinge: Ein neues Lager soll’s richten | |
Brandenburg eröffnet ein „Dublin-Zentrum“ für Flüchtlinge, für die ein | |
anderes EU-Land zuständig ist. Welche Probleme das lösen soll, bleibt | |
unklar. | |
Streit um Kirchenasyl: Bremer Innensenator nimmt Landeskirchen an die Leine | |
Bremens Senator Ulrich Mäurer diktiert zwei Landeskirchen die Bedingungen | |
des Kirchenasyls. Die widersprechen nicht und lassen ihre Gemeinden | |
alleine. | |
Rekordhoch beim Kirchenasyl – ein FAQ: Der Staat, die Kirchen und das Asyl | |
Bremens SPD-Innensenator versuchte mehrmals, Menschen aus dem Kirchenasyl | |
abzuschieben. Jetzt gibt es eine Einigung mit den evangelischen Kirchen. | |
Rekordhoch beim Kirchenasyl: Kirche im Widerstand | |
Immer neue Verschärfungen in der Flüchtlingspolitik? Rekordwerte beim | |
Kirchenasyl! Viele Gemeinden finden einen neuen Sinn im zivilen Ungehorsam. |