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# taz.de -- Streit um Kirchenasyl: Bremer Innensenator nimmt Landeskirchen an d…
> Bremens Senator Ulrich Mäurer diktiert zwei Landeskirchen die Bedingungen
> des Kirchenasyls. Die widersprechen nicht und lassen ihre Gemeinden
> alleine.
Bild: Innensenator Ulrich Mäurer sind die Bremer Kirchengemeinden zu gastfreun…
Bremen taz | Über den [1][Umgang mit Kirchenasyl] wollen am 15. Januar
Vertreter:innen der evangelischen Kirchen in Niedersachsen und Bremen
mit Bremens Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) sprechen. Nur: Letzterer hat
den Ausgang dieser Gespräche bereits vorweggenommen – und die Kirchen
widersprechen nicht.
Mit der Bremischen Evangelischen Kirche und der Evangelisch-Lutherischen
Landeskirche Hannover sei „vereinbart“ worden, „dass die Landeskirchen
ihren Gemeinden deutlich machen, dass das Dossier-Verfahren als solches in
Zukunft nur Bestand haben kann, wenn die Regeln eingehalten werden“,
[2][heißt es in einem Schreiben] für die Mitglieder der parlamentarischen
Innendeputation, die am Donnerstag, also einen Tag später, tagen wird. Und
weiter: „Dies bedeutet insbesondere die Beendigung des Kirchenasyls nach
abschließender Entscheidung des Bamf über das Dossier.“
Dazu muss man zunächst Folgendes wissen: Diese „Regeln“, von denen da die
Rede ist, gibt es gar nicht. Es kann sie nicht geben, da es sich beim
Kirchenasyl, also dem Aufenthalt von Geflüchteten in Gemeinderäumen zum
Schutz vor Abschiebung, um ein kirchliches Handeln im Rahmen der
Nächstenliebe handelt, ohne Rechtsgrundlage. Bisher hat der Staat dies
toleriert und zwischen 2015 und 2023 nur sehr selten Menschen aus dem
Kirchenasyl geholt.
Das hat sich zuletzt geändert. Der Grund: Mit zunehmenden
Abschiebebemühungen des deutschen Staates stieg auch die Anzahl der
Kirchenasyl-Fälle seit dem Jahr 2022 sukzessive an. [3][2.032 waren es nach
Auskunft der Bundesregierung zwischen Januar und Oktober 2024]. In Bremen
sind es anteilig seit mehreren Jahren besonders viele und Innensenator
Mäurer bekam deshalb zuletzt Druck von seinen Amtskolleg:innen.
In jüngster Zeit wurden bundesweit mehrere Fälle bekannt, in denen
Polizist:innen auf Veranlassung der Ausländerbehörden in Gemeinderäume
eingedrungen sind, um Menschen mitzunehmen, denen die Kirche Asyl gewährt
hatte, [4][in zwei Fällen waren sie erfolgreich]. Fast alle Fälle spielten
sich in den [5][norddeutschen Bundesländern] ab, zuletzt eben in Bremen. Es
ging um Abschiebungen nach Spanien, Finnland und Schweden. Aus diesen
Ländern mehren sich Berichte von nicht bearbeiteten Asylanträgen und damit
fehlenden Sozialleistungen sowie im Fall von Finnland Abschiebungen nach
Russland.
Bremens Innensenator begründete sein Vorgehen im Dezember damit, dass das
Bundesamt für Migration, kurz Bamf genannt, den Fall auf Bitte der Bremer
Kirchengemeinde im sogenannten Dossierverfahren erneut geprüft habe, aber
keinen Härtefall habe erkennen können.
In den „Dossiers“, von denen auch im Schreiben für die Mitglieder der
parlamentarischen Innendeputation die Rede ist, legen die Kirchengemeinden
dar, warum sie das Leben oder die Gesundheit ihrer Gäste für gefährdet
halten, wenn sie abgeschoben würden. Fast immer geht es um
Dublin-Verfahren, also um Abschiebungen in das europäische
Ersteinreiseland, in dem die Geflüchteten Asyl beantragen müssen. Weil das
Bamf im aktuellen Bremer Fall zu einer anderen Einschätzung als die
Gemeinde gekommen sei, habe es die Ausländerbehörde aufgefordert, die
Überstellung des Somaliers nach Finnland zu vollziehen, so Mäurer.
Und hier kommen die eingangs zitierten Regeln ins Spiel: Mäurer behauptete
nach der am Widerstand von Unterstützer:innen gescheiterten
Abschiebung des Somaliers, es gebe eine Vereinbarung zwischen dem Bamf und
den Kirchen in Deutschland, nach der ein Kirchenasyl beendet werden müsse,
wenn das Bamf das Dossier abschlägig beurteilt.
Letzteres trifft nach Aussage der Pastorin Dietlind Jochims, Sprecherin der
ökumenischen Bundesarbeitsgemeinschaft Asyl in der Kirche, mittlerweile auf
nahezu alle Dossierverfahren zu. Das Bamf verwende zudem Textbausteine und
gehe selten auf die konkreten Umstände ein. Auf Nachfrage der taz
bestätigte jetzt eine Sprecherin des Bremer Innensenators, dass es eine
solche Vereinbarung in schriftlicher Form nicht gebe. Sie verwies
stattdessen auf eine Internetseite des Bamf, auf der „ein entsprechendes
Merkblatt gefunden werden“ könne: „[6][merkblatt-kirchenasyl.pdf“.]
## Kirchenleitungen schweigen
Darin steht unter anderem: „Die abgelehnten Asylbewerbenden verlassen
innerhalb von drei Tagen nach dieser Mitteilung das Kirchenasyl.“ Nur: Die
Kirchen haben an diesem Merkblatt aus dem Jahr 2022 gar nicht
mitgearbeitet. Das Bamf hätte dort also, überspitzt formuliert, genauso gut
reinschreiben können, welche Bettwäsche die Gemeinden vorhalten müssen. Und
dann auf Einhaltung dieser Regel pochen können.
Die Bremische Evangelische Kirche und die Hannoversche Landeskirche könnten
dem Bremer Innensenator an dieser Stelle Paroli bieten und damit ihren
Mitgliedsgemeinden – die Bremerhavener Gemeinden gehören zur Hannoverschen
Landeskirche – den Rücken stärken. Denn noch im Dezember war nach einem
ersten Gespräch mit Mäurer keine Rede davon, dass die Gemeinden dazu
aufgefordert werden sollen, sich an die einseitig diktierten Regeln des
Bamf zu halten.
In einer gemeinsamen Pressemitteilung hatte es geheißen: „Beide Seiten sind
sich einig, am bisherigen, bewährten Dossier-Verfahren für das Kirchenasyl
festzuhalten, wie es zwischen dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge
und der evangelischen und katholischen Kirche in Deutschland am 24. Februar
2015 grundsätzlich vereinbart wurde.“ Das Bamf hatte dessen Leitgedanken
[7][in einem Ergebnisvermerk schriftlich festgehalten]: In erster Linie
sichern beide Seiten zu, besser zu kooperieren.
Mäurers Sprecherin bekräftigte jetzt in einer Mail an die taz, dass „sich
die Landeskirchen und der Senator für Inneres und Sport darüber einig sind,
dass die Entscheidung des Bamf akzeptiert werden muss“. Allerdings fehle es
den Landeskirchen „an Durchgriffsbefugnissen auf die einzelnen
Kirchengemeinden“. Und während sich die Kirchen nicht öffentlich dazu
äußern, ob sie wirklich Mäurers Position teilen, erhöht der den Druck auf
die Gemeinden.
## Gemeinden am Pranger
In der öffentlich zugänglichen Vorlage für die Innendeputierten nennt er
alle zwölf Bremer Kirchengemeinden, die im vergangenen Jahr Kirchenasyl
gewährt haben, beim Namen. Die Hälfte hat mehr als einen Fall betreut, nur
vier mehr als fünf Fälle. Ein Fall kann dabei mehrere Personen betreffen,
meistens sind es Alleinstehende, die nur wenige Tage oder Wochen in einer
Kirchengemeinde leben, bis eine Frist abläuft, nach der Deutschland für ihr
Asylverfahren zuständig ist.
Besonders viele sind es mit 32 Fällen in der Vereinigten Gemeinde in der
Bremer Neustadt. Auch der Somalier, der 2024 abgeschoben werden sollte, war
dort in Obhut. An anderer Stelle in der Vorlage wird diese Gemeinde noch
einmal extra hervorgehoben. Deren Pastor Thomas Lieberum sagte der taz, die
Gemeinde wolle den Geflüchteten „in großer Not und Angst beistehen“ und
entscheide gemeinsam mit diesen über Anfang und Ende des Kirchenasyls. Es
sei „eine Frechheit“, wenn der Innensenator nahelege, das liege in der Hand
staatlicher Behörden.
Bremens Innensenator kündigte jetzt an, „mit einzelnen Gemeinden das
Gespräch zu suchen.“ Unter den geschilderten Voraussetzungen kann man das
auch als Drohung verstehen.
15 Jan 2025
## LINKS
[1] /Rekordhoch-beim-Kirchenasyl--ein-FAQ/!6058055
[2] https://sd.bremische-buergerschaft.de/sdnetrim/UGhVM0hpd2NXNFdFcExjZXeAChWB…
[3] https://dserver.bundestag.de/btd/20/143/2014341.pdf
[4] /Kirchenasyl-gebrochen/!6036824
[5] /Naechtlicher-Polizeieinsatz/!6048133
[6] https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/AsylFluechtlingsschutz/merkblatt-…
[7] https://asyl-bc.de/application/files/7214/3714/1500/20150717_Kirchenasyl.pdf
## AUTOREN
Eiken Bruhn
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