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# taz.de -- China-Experte über Ukraine und Taiwan: „China ist in einem Dilem…
> Das Land leide unter dem Ukraine-Krieg, so Cheng Li: An einer
> Blockkonfrontation habe es kein Interesse, an einer Niederlage Russlands
> aber auch nicht.
Bild: Was ist sein strategisches Ziel? Chinas Präsident Xi Jinping bei seiner …
wochentaz: Herr Li, in Ihrem Buch über die Mittelschicht in Schanghai
schreiben Sie, China sei nicht monolithisch. Es gebe eine selbstbewusste
Schicht, die sich zu Wort melde. [1][Doch gerade wurde beim Nationalen
Volkskongress Xi Jinping einstimmig für eine dritte Amtszeit gewählt.] Ist
das nicht ein Widerspruch?
Cheng Li: Die chinesische Gesellschaft ist zunehmend pluralistisch
geworden. Es gibt verschiedene Stimmen und Perspektiven. Das konnte man
während der Covid-Lockdowns sehen. Schanghai hat die größte Mittelschicht,
die einem gewissen ausländischen Einfluss ausgesetzt ist. Die Beziehung
zwischen der Mittelschicht und dem Staat ist in einer Übergangsphase.
Es gab bei der Abstimmung über Xis beispiellose dritte Amtszeit nicht eine
einzige Enthaltung.
Beim Volkskongress sitzen Eliten, Regierungs- und Parteifunktionäre. Ich
würde da nicht zu viel hineininterpretieren. Im Fernsehen sahen Sie so
viele Delegierte, die Xi Jinping in einem Maße lobten, dass es mich an die
Mao-Ära erinnerte. Zugleich ist zu sehen, dass die sozialen Medien in China
ganz anders sind. Es gibt eine Menge mehr oder weniger subtiler und
manchmal sarkastischer Kritik an diesem Monopol.
Auf dem Volkskongress versprach Xi „eine Große Mauer aus Stahl“, also ein
militärisch starkes China. Ist das für den Westen ein Grund zur Sorge?
Nun, Xi Jinping hat eine Menge Dinge gesagt. Er sprach auch davon, dass
China zum globalen Frieden beitragen sollte und vieles mehr. Aber natürlich
ist sein starkes Narrativ: Mao Tse-tung hat China in den Aufstand geführt,
Deng Xiaoping hat China reich gemacht und Xi Jinping macht China stark. Die
militärische Modernisierung ist eines seiner wichtigsten Projekte, neben
Beseitigung der Armut, grüner Entwicklung und Korruptionsbekämpfung. Die
Kommunistische Partei stärkt den militärisch-industriellen Komplex und die
Verteidigungsindustrie. Sollte sich die Welt Sorgen machen? Wir sollten
dieser Art von Entwicklung mehr Aufmerksamkeit schenken.
[2][Xi warf den USA auch vor, China zu „blockieren], einzukreisen und zu
unterdrücken“. Ein Blick auf Karte zeigt eine ganze Reihe von
US-Militärstützpunkten in Chinas Nähe, etwa in Südkorea, Japan, den
Philippinen und Guam. Ist an Xis Vorwurf also etwas dran?
Es ist kein Geheimnis, dass die USA China eindämmen wollen und viele Leute
in Washington sogar von Regimewechsel sprechen. Die indopazifische
Koalitionsbildungsstrategie von US-Präsident Joe Biden sieht sogar Taiwan
als Nicht-Nato-Verbündeten vor. Also beschließt man all das, verkauft mehr
Waffen an Taiwan und schickt mehr Militärausbilder dorthin. Und Japan und
Südkorea nehmen an US-Militärübungen teil.
Xi wird nächste Woche in Moskau sein und will laut unbestätigten Berichten
anschließend mit dem ukrainischen Präsidenten Selenski telefonieren. Was
ist Xis strategisches Ziel?
Anstatt sich auf die Seite Russlands zu stellen, will China eine wichtige
Vermittlerrolle spielen. Die Beziehungen zwischen China und der Ukraine
sind eigentlich gar nicht so schlecht. Viele ukrainische Wissenschaftler
leben und arbeiten in China. Chinas Luft- und Raumfahrtindustrie hat von
ihnen profitiert, selbst Chinas erster Flugzeugträger wurde in der Ukraine
gebaut. China leistet der Ukraine auch humanitäre Hilfe. Aber die
Beziehungen zwischen China und Russland sind in gewisser Weise auch
ziemlich gut. Es ist vor allem der gemeinsame Feind, die Vereinigten
Staaten, der Peking und Moskau zusammengebracht hat.
Was sind Pekings Interessen bezüglich des Kriegs in der Ukraine?
China leidet wirtschaftlich unter dem Krieg. Außerdem verstärkt er ein
derzeit gängiges Narrativ, das China schadet: „Heute gibt es Krieg in der
Ukraine, morgen gibt es Krieg in Taiwan.“ Es hört sich so an, als sei ein
Angriff Chinas schon geplant und unvermeidlich. Das ist aber nicht die
offizielle Politik Chinas. Auch die Sichtweise, der Kalte Krieg sei wieder
da, also ein Block, angeführt von China und verbündet mit Iran, ist nicht
in Pekings Interesse. China ist an dieser Art von Provokation nicht
interessiert.
Der Grund, warum China Russland für den Angriff auf die Ukraine nicht
verurteilt hat, ist, dass man in Peking denkt: Wenn wir Russland
verurteilen, sollten wir auch die Nato-Erweiterung verurteilen. Natürlich
will China nicht, dass Russland jetzt vollständig besiegt wird, denn wenn
das passieren würde, könnte China als Nächstes dran sein. Das ist das
Dilemma, in dem sich China befindet.
China ist eher an einer multipolaren Welt interessiert als an zwei Blöcken?
Genau. Im Hinblick auf den Klimawandel, die Nichtverbreitung von
Kernwaffen, die Cybersicherheit und Terrorismusbekämpfung versucht China,
eine wichtige Rolle zu spielen: Pekings diplomatische Offensive – der
12-Punkte-Plan für die Ukraine, die Vermittlung zwischen Iran und
Saudi-Arabien. Wir werden sehen, ob China auch eigene Druckmittel und
Anreize dafür einsetzen kann, eine weitere Verhandlungsrunde zwischen
Israel und einigen arabischen Ländern einzuleiten. Das alles gehört zu
einer Kampagne, mit der versucht wird, das schlechte Image Chinas zu ändern
und die Isolierung durch eine von den USA geführte Koalition zu vermeiden.
China wendet sich an den Globalen Süden, aber vor allem an die europäischen
Länder. Aber es scheint, als wäre Europa noch nicht so weit. Ich weiß
nicht, ob die Zeit für China reif ist, um wirklich eine positive Rolle zu
spielen.
Die US-Regierung wirft China vielmehr vor, Waffenlieferungen an Russland zu
planen. Was ist da dran?
Ich bin nicht in der Lage, diese Frage zu beantworten. Ich habe keine
Beweise.
Wie interpretieren Sie die Motive der US-Seite?
In Washington ist es üblich, über China zu lästern und es zu kritisieren,
das kostet nichts und wird strategisch eingesetzt. Chinesische
Waffenlieferungen würde sicherlich eine negative Sicht der Öffentlichkeit
stärken und die europäischen Länder noch wütender und misstrauischer
gegenüber China machen.
Der US-General Mike Minihan warnte im Januar vor einem Angriff Chinas auf
Taiwan in zwei Jahren. Ist das realistisch?
Ich denke, dieser Offizier hat nicht für die US-Regierung gesprochen. Ich
sehe wirklich keine eindeutigen Beweise dafür, dass die Chinesen einen
klaren Plan für einen Angriff auf Taiwan haben. Andererseits könnte
natürlich auch keine chinesische Führung politisch überleben, würde sie
Taiwan unabhängig werden lassen. Der Nationalismus überwiegt letztlich
immer.
Die USA wiederum sind besorgt über Chinas militärische Aufrüstung, die eine
echte Bedrohung für uns darstellen könnte. Es handelt sich also um eine
Reaktionsspirale, in der sich Angst und Feindseligkeit gegenseitig
verstärken. Die Angst vor einem Taiwankrieg nimmt zu, aber solche
Wahrnehmung beeinflusst manchmal auch die Realität. Aber nochmals: Das
geschieht nicht. Sie müssen das ins richtige Verhältnis setzen. Die
Taiwan-Kriegsgefahr ist da, aber sie ist nicht sehr groß.
Was meinen Sie damit, „das in das richtige Verhältnis“ zu setzen?
Ich bin etwas überrascht über die Angst in Europa, dass Peking Taiwan
angreifen wird. Diese Angst hat mehr mit dem Krieg in der Ukraine zu tun
als mit der Situation zwischen China und Taiwan.
18 Mar 2023
## LINKS
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[2] /Chinas-Beziehung-zu-den-USA/!5920729
## AUTOREN
Sven Hansen
Barbara Junge
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