| # taz.de -- Xi Jinpings Besuch in Moskau: Chinas Ukraine-Dilemma | |
| > Der Besuch des chinesischen Präsidenten in Russland war enttäuschend. | |
| > Deutlich wurde aber, dass sich die Gewichte zugunsten Chinas verschoben | |
| > haben. | |
| Bild: Zelebrieren ihre „große Freundschaft“: Xi Jingping und Wladimir Putin | |
| Der Moskau-Besuch von Chinas Machthaber Xi Jinping in der ersten | |
| Wochenhälfte hat alle enttäuscht, die sich davon einen kleinen | |
| diplomatischen Schritt zur Beendigung des Krieges in der Ukraine erhofft | |
| haben. Dies war vielleicht etwas naiv, aber nicht ohne Grundlage. | |
| Schließlich hatte China erst kürzlich einen 12-Punkte-Plan „zur politischen | |
| Lösung der Ukraine-Krise“ vorgelegt. | |
| Der war zwar von Kiew und seinen Unterstützern abgelehnt worden, weil er | |
| weder den russischen Angriffskrieg verurteilte, noch den Abzug russischer | |
| Truppen forderte. [1][Doch hätte Xis Reise vielleicht ein diplomatischer | |
| Anfang sein können], wenn er ein ehrlicher Makler sein würde. Wohl kein | |
| anderer Staats- und Regierungschef dürfte bei Wladimir Putin mehr Gehör | |
| finden als Xi. Er hätte in Moskau klare Worte finden können, worauf ja auch | |
| der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski hoffte. | |
| Ein zweiter Hoffnungsschimmer war, dass [2][Peking gerade eine Annäherung | |
| zwischen Iran und Saudi-Arabien vermittelt hatte]. Chinas Diplomaten haben | |
| also Einfluss und die nötigen Fähigkeiten. Jetzt hatte Peking Xis Besuch | |
| vorab sogar als „Reise der Freundschaft, der Kooperation und des Friedens“ | |
| bezeichnet. Darüber hinaus kursierten unbestätigte Berichte, dass Xi | |
| anschließend noch mit Selenski telefonieren würde. | |
| Das ist nicht geschehen. Auch sonst gab es leider keine echten | |
| Friedenssignale. Stattdessen zelebrierten Xi und Putin bei ihrem 40. | |
| Treffen ihre angeblich große Freundschaft. Diese hatten sie „grenzenlos“ | |
| genannt, als sie sich das letzte Mal in Peking trafen, kurz vor Russlands | |
| Angriff auf die Ukraine. Damals wurde spekuliert, Xi hätte Putin grünes | |
| Licht gegeben. | |
| ## Russland braucht Chinas Unterstützung | |
| Der Krieg verläuft bekanntlich nicht, wie Putin sich das vorgestellt hat. | |
| Russland hat Probleme und kann Chinas Unterstützung gebrauchen. Xi hat ihm | |
| mit seinem Besuch jetzt politisch den Rücken gestärkt. | |
| China lehnt weiter alle Sanktionen gegen Russland ab. Doch zeigte der | |
| Besuch deutlich, wie sich die Gewichte zugunsten Chinas verschoben haben. | |
| Putin ist heute schwächer, weil er China als Abnehmer russischer Rohstoffe | |
| wie als Lieferant technischer Produkte braucht. Die Volksrepublik soll | |
| Lieferausfälle aufgrund der westlichen Sanktionen kompensieren. China | |
| profitiert von Russlands günstigem Öl und Gas, und manche chinesische | |
| Firmen haben in Russland jetzt mangels westlicher Konkurrenz fast schon | |
| Monopole. | |
| Für China ist Russland wichtig für die gemeinsame Zurückweisung der | |
| Hegemonie der USA wie des westlich-liberalen Politikmodells. Die Rivalität | |
| mit den USA ist aber für Peking der Hauptkonflikt. Gerade erst warf Xi beim | |
| Volkskongress den USA vor, China „abgeschottet, eingekreist und | |
| unterdrückt“ zu haben. Wie Moskau gibt Peking USA und Nato die Schuld am | |
| Krieg. | |
| ## China will keine prowestliche Regierung als Nachbarn | |
| Hineingezogen werden will China aber nicht. Es möchte aber auch nicht, dass | |
| Russland verliert, gar auseinanderbricht oder Putins Regime von einer | |
| prowestlichen Regierung ersetzt wird, die dann die Grenze mit der | |
| Volksrepublik teilt. | |
| Doch grenzt sich Xi auch von Putin ab. Peking hat bisher keine Waffen | |
| geliefert, ist kein militärisches Bündnis mit Moskau eingegangen und | |
| erkennt dessen Annexion ukrainischer Gebiete nicht an. Unklar ist, ob und | |
| unter welchen Bedingungen sich dies ändern würde. | |
| China hatte vor dem Krieg ein gutes Verhältnis zur Ukraine und hat an dem | |
| Konflikt eigentlich kein Interesse. Es leidet unter den | |
| weltwirtschaftlichen Verwerfungen, andererseits [3][profitiert es von | |
| günstiger Energie und Russlands wachsender Abhängigkeit]. Manche Pekinger | |
| Strategen hatten gehofft, dass Washington den Hegemonialkonflikt mit China | |
| jetzt ähnlich vernachlässigen würde wie einst bei den Kriegen in | |
| Afghanistan und Irak. | |
| ## Europa hat aufgerüstet | |
| Der russische Krieg ist jedoch nicht nur für Washington, sondern auch für | |
| Europa zum Weckruf samt Zeitenwende geworden: Putin hat die Nato | |
| wiederbelebt. Europa rüstet massiv auf und blickt mit seinen bei Putin | |
| gemachten Erfahrungen jetzt auch viel kritischer auf China. Und selbst im | |
| Indopazifik gibt es jetzt mit Aukus ein neues gegen China gerichtetes | |
| Militärbündnis. | |
| Peking steckt in einem Ukraine-Dilemma, und das zeigt seine Politik wie | |
| sein [4][am Status quo orientierter Friedensplan]. Im Hegemonialkonflikt | |
| mit den USA hält China aus Eigeninteresse an Putin fest, empfiehlt sich | |
| gleichwohl dem Rest der Welt als friedliches Gegenmodell zur militärischen | |
| Unterstützung des Westens für Kiew. Herausgekommen ist ein einseitiger | |
| Friedensplan mit chinesischen Charakterzügen, den Xi beim ersten möglichen | |
| Praxistest aber selbst nicht ernsthaft weiterverfolgt hat. Bei allen | |
| Schwächen des Plans hat Xi eine Chance vertan, so klein sie auch gewesen | |
| sein mag. | |
| 24 Mar 2023 | |
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| ## AUTOREN | |
| Sven Hansen | |
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