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# taz.de -- China übt Blockade Taiwans: Böses Gebell, aber wenig Biss
> Mit Präzisionsschlägen und Kampfflugzeugen baut China eine Drohkulisse
> gegenüber Taiwan auf. Eine Eskalation ist möglich, aber wenig
> wahrscheinlich.
Bild: Militärmanöver, übertragen auf dem großen Bildschirm in einer Shoppin…
Peking taz | Emmanuel Macron und Ursula von der Leyen hatten noch kaum ihre
Rückreise nach Europa angetreten, da kündigte China seine verspätete
Vergeltungsaktion gegen Taiwan an: Am Samstag startete die
Volksbefreiungsarmee dreitägige Militärübungen rund um die Insel, die die
Volksrepublik als Teil ihres Staatsgebiets ansieht.
Zu Dutzenden überqueren seither chinesische Kampfflugzeuge die Mittellinie
der Taiwanstraße, auch ein Flugzeugträger rückte gefährlich nahe heran.
Gleichzeitig simulierte die chinesische Armee „Präzisionsschläge“. Wie die
ausschauen, zeigte das Staatsfernsehen in einer virtuellen Animation in den
Abendnachrichten. In China mutet die Kriegspropaganda an, als handele es
sich um ein patriotisches Computerspiel.
Aus dem bisherigen Säbelrasseln könnte schnell blutiger Ernst werden.
Chinas Machtdemonstration folgt auf eine US-Reise von [1][Taiwans
Präsidentin Tsai Ing-wen] in die USA. Am Mittwoch traf sie den Vorsitzenden
des US-Repräsentantenhauses, Kevin McCarthy von den US-Republikanern. „Wir
befinden uns wieder einmal in einer Welt, in der die Demokratie bedroht
ist“, sagte sie.
Bislang scheint Chinas Reaktion nicht so massiv auszufallen, wie zu
befürchten war. Noch im letzten August führte die Volksbefreiungsarmee eine
simulierte Inselblockade durch, als die US-Demokratin Nancy Pelosi,
McCarthys Vorgängerin im Amt, Taipeh besuchte.
## Taiwan hat sich an das Säbelrasseln Chinas gewöhnt
Dass Peking derzeit etwas verhaltener agiert, hat wohl zwei Gründe.
Einerseits versucht Staatschef Xi Jinping, die Volksrepublik China nach
außen als globale Friedensmacht zu inszenieren. Gleichzeitig weiß die
chinesische Staatsführung: Je radikaler ihre Drohkulisse ausfällt, desto
pekingkritischer wählen die Taiwaner im Januar bei den
Präsidentschaftswahlen.
Dennoch kann der Konflikt außer Kontrolle geraten – sei es durch ein
Missverständnis. Am Montag drang der US-Zerstörer „USS Milius“ in die
Gewässer nahe der Spratley-Inselgruppe nördlich Taiwans ein, laut Peking
ohne Genehmigung der chinesischen Regierung. Als Antwort schickte China
Marine- und Luftstreitkräfte.
Die [2][Bewohner Taiwans haben sich längst an das Säbelrasseln Chinas
gewöhnt], das praktisch keine Auswirkung auf den Alltag hat. Auch am Montag
gab es nicht die leisesten Zeichen einer öffentlichen Panik. Der große
Nachbar wird als metaphorischer Hund wahrgenommen, der zwar bellt, aber
nicht beißt.
Dabei macht Xi Jinping regelmäßig deutlich, dass er sich auch militärische
Mittel für eine „Wiedervereinigung“ Taiwans offenhält. Erst am Donnerstag
bekräftigte Xi beim Treffen mit EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der
Leyen in Peking: „Zu erwarten, dass China in der Taiwanfrage
kompromissbereit ist, ist nur Wunschdenken. Wer das tut, wird sich nur
selbst ins Knie schießen.“
## Taiwan könnte Konflikt zwischen China und USA entfachen
Einige US-Generäle halten eine chinesische Invasion Taiwans bereits 2027
für möglich, da zu diesem Zeitpunkt Pekings wichtigste
Modernisierungsprogramme für sein Militär abgeschlossen sein werden. Viele
europäische Diplomaten in Peking halten das für unwahrscheinlich, zugleich
nehmen sie Chinas Drohungen aber sehr ernst. Wie rasant Xi Jinping seine
politischen Vorhaben umsetzt, wird als Zeichen dafür gedeutet, dass der
69-Jährige seine historische Vision eines „wiedervereinten“ Chinas noch
persönlich erleben möchte.
Der Westen erkennt prinzipiell Peking als alleinige chinesische Regierung
an und unterhält auch keine offiziellen Botschaften in Taipeh, doch lehnt
man gleichzeitig jede erzwungene Veränderung des Status quo ab. Die 23
Millionen Inselbewohner Taiwans sollen ihre Zukunft selbst bestimmten – und
deren Urteil fällt eindeutig aus, spätestens seit Chinas repressiver
Niederschlagung der Hongkonger Opposition in den letzten Jahren. Taiwan
konnte in Hongkong quasi das eigene Schicksal beobachten, wenn man die
Zentralregierung in Peking anerkennen würde.
An Taiwan könnte sich am ehesten ein Konflikt zwischen Peking und
Washington entfachen. Denn der kleine Inselstaat verfügt für beide
Weltmächte über eine große Bedeutung. China argumentiert seinen
Machtanspruch historisch, die USA wollen einen demokratischen Partner
unterstützen.
Mindestens ebenso wichtig ist die Geografie. Die [3][Taiwanstraße] bietet
nicht nur die Kontrolle über eine der wirtschaftlich wichtigsten
Schiffsrouten der Welt, sondern würde China im Falle einer Eroberung auch
Zugang zu Tiefwasserhäfen verschaffen, mit denen Peking seine U-Boote
vorbei an US-Überwachungssystem in den Indo-Pazifik entsenden könnte. Damit
würde die seit Ende des Zweiten Weltkriegs aufgebaute
US-Sicherheitsarchitektur in Asien, die den Alliierten Südkorea und Japan
eine stabile Entwicklung ermöglichte, über Nacht zusammenbrechen.
## „Macron spielt Peking in die Hände“
Auch wenn Europa in diesem Konflikt eher Beifahrer ist, kommt dem Kontinent
dennoch eine wichtige Bedeutung dabei zu, China vor einer Invasion
abzuschrecken. Diese Strategie hat nun ausgerechnet der [4][französische
Präsident Emmanuel Macron] unterlaufen. Als Macron im Flieger von Peking
nach Guangzhou saß, sagte er einem Reporter von Politico: „Die Frage, die
sich wir Europäer stellen müssen, lautet: Liegt es in unserem Interesse,
eine Krise auf Taiwan zu beschleunigen? Nein. Das Schlimmste wäre, zu
denken, dass wir Europäer bei diesem Thema zu Mitläufern werden und uns von
der US-Agenda und einer chinesischen Überreaktion leiten lassen müssen.“
Seine Aussage ist vor allem deshalb umstritten, weil sie den Konflikt als
Folge einer „US-Agenda“ darstellt, wo doch tatsächlich die militärischen
Drohungen von China ausgehen. „Die Verwechslung von Ursache und Wirkung ist
die übliche Propaganda der Volksrepublik China und Putins, und dass Macron
darauf hereinfällt, zeugt entweder von Unwissenheit oder einem zynischen
Nicken gegenüber China“, kommentiert der Historiker François Godement vom
Institut Montaigne. Auch Antoine Bondaz von der Pariser Denkfabrik FRS hält
Macrons Worte für einen „totalen Analysefehler“: „Macron spielt Peking in
die Hände.“
10 Apr 2023
## LINKS
[1] /Amerika-Reise-von-Taiwans-Praesidentin/!5921596
[2] /Taiwan-in-Zeiten-des-Ukraine-Kriegs/!5914118
[3] https://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/china-erklaert-die-taiwan-stras…
[4] /EU-Besuch-in-China/!5926846
## AUTOREN
Fabian Kretschmer
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