| # taz.de -- Berlins SPD-Führung Giffey und Saleh: Zurück zur CDU light | |
| > Das Führungsduo der Berliner SPD verabschiedet sich von Positionen wie | |
| > dem Mietendeckel. Als wirtschaftsnahe Partei aber hat die SPD keine | |
| > Chance. | |
| Bild: Mit Karacho weg von sozialdemokratischer Politik: Franzsika Giffey und Ra… | |
| Alle, die schon vergessen hatten, wie sozialdemokratische Regierungspolitik | |
| aussehen kann, können diese seit einigen Jahren in Berlin erleben. | |
| [1][Mieterschutz], Stärkung der landeseigenen Betriebe und Besserstellung | |
| der Beschäftigten, konsequente Hilfe für alle, die unter der Coronakrise | |
| besonders zu leiden haben, beitragsfreie Kitas oder eine [2][progressive | |
| Sicherheitspolitik]. Zu verdanken ist das meiste davon den | |
| sozialdemokratischen Koalitionspartnern Linken und Grünen. | |
| Das künftige Führungsduo der Berliner SPD aus dem bisherigen Fraktionschef | |
| [3][Raed Saleh] und der designierten Bürgermeisterkandidatin [4][Franziska | |
| Giffey] will sich von diesem Kurs des Senats, den die SPD immerhin | |
| mitgetragen hat, nun deutlich absetzen. | |
| In einem gemeinsamen Interview mit dem [5][Tagesspiegel ] haben sie ihre | |
| politischen Schwerpunkte für die Wahl im kommenden Herbst dargelegt. Ihre | |
| zentralen Punkte: Neubau als die Antwort auf hohe Mieten, ein roter Teppich | |
| für Unternehmen, [6][Karstadt-Neubau am Hermannplatz], das Eintreten für | |
| Sicherheit und Ordnung, Kampf gegen den Linksextremismus. | |
| ## Wirtschaftsfreundliche Sicherheitspartei | |
| Während viele in der Partei zumindest rhetorisch versuchen, der größten | |
| Krise der Sozialdemokratie in ihrer Geschichte mit einer Rückbesinnung auf | |
| ihre Wurzeln zu begegnen, verfolgen Giffey und Saleh eine gegensätzliche | |
| Strategie. Statt sich empathisch an die für sozialdemokratische Politik | |
| empfängliche Bevölkerungsmehrheit zu richten, wollen sie die SPD als | |
| wirtschaftsfreundliche Sicherheitspartei profilieren. Als CDU light aber, | |
| diese Lehre hätte die SPD aus den vergangenen 25 Jahren ziehen können, | |
| werden sie die Partei nicht aus dem 18-Prozent-Umfragetief herausführen. | |
| In seinem programmatischen Aufschlag ignoriert das Führungsduo die | |
| wichtigsten Zukunftsthemen der Stadt. Wie kann auf die drohenden sozialen | |
| Verwerfungen infolge des Spardrucks durch die coronageschröpften | |
| öffentlichen Haushalte reagiert werden? Wie gelingt die Mobilitätswende | |
| abseits des Langfristplans, [7][neue U-Bahn-Linien] zu bauen? Wie soll dem | |
| Auseinanderdriften der Gesellschaft und der Gefahr von rechts auf der | |
| Straße und in den Sicherheitsbehörden begegnet werden? Und wie soll | |
| bezahlbares Wohnen auch nach Auslaufen des Mietendeckels sichergestellt | |
| werden? | |
| ## Nur Leerstellen und Nichtantworten | |
| Zumindest Letzteres haben Giffey und Saleh in den Blick genommen, mit der | |
| Nicht-Antwort „bauen, bauen, bauen“. Dabei hat zuletzt der SPD-Arbeitskreis | |
| Soziale Stadt selbst einräumen müssen, dass am Bedarf der Berliner*innen | |
| gänzlich vorbeigebaut wird. Nur neun Prozent der zwischen 2014 und 2019 | |
| fertiggestellten Wohnungen kosten unter 10 Euro pro Quadratmeter, noch | |
| nicht einmal vier Prozent unterliegen einer sozialen Mietbindung. | |
| Dass den beiden rechten Sozialdemokraten dennoch nichts anderes einfällt, | |
| führt ihren gleichzeitig geäußerten Anspruch auf ein neues Superressort | |
| Stadtentwicklung und Verkehr ad absurdum; zumal sich viele noch an die | |
| tristen Jahrzehnte sozialdemokratischer Wohnungspolitik erinnern dürften. | |
| Getoppt wird das Ganze mit der inhaltlichen Leerstelle, wie die Autostadt | |
| zu einer klimagerechten Metropole mit neuen Mobilitätskonzepten umgestaltet | |
| werden kann. | |
| Zentral im Wahlkampf soll das Thema Bildung werden, ein Ressort, für das | |
| die SPD seit 1999 ununterbrochen die Verantwortung trägt. Wie schulischer | |
| Erfolg vom sozialen Status des Elternhauses entkoppelt werden kann, bleibt | |
| trotzdem offen. Auch wird das bloße Versprechen auf mehr Digitalisierung | |
| keine Wähler*innen überzeugen. | |
| Ebenso wenig wie das Versprechen, konsequent gegen den Linksextremismus – | |
| wie zuletzt in der [8][Liebigstraße] – durchzugreifen. Den polizeilichen | |
| Ausnahmezustand zugunsten eines Wohnraumspekulanten lehnten in einer | |
| Tagesspiegel-Umfrage gerade 70 Prozent der Berliner*innen ab. Bezeichnend | |
| ist auch, dass der ehemaligen Neuköllner Bürgermeisterin kein Wort zum | |
| [9][rechten Terror im Bezirk] einfällt. | |
| Giffey und Saleh haben entschieden, das sozialdemokratische Terrain Grünen | |
| und Linken zu überlassen, um ein paar Stimmen von der CDU abzugraben. | |
| Sozialdemokratische Regierungspolitik geht dann wohl doch nur ohne SPD. | |
| 19 Oct 2020 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Mietendeckel-die-Praxis/!5656467 | |
| [2] /Berliner-Polizeigesetz/!5689604 | |
| [3] /SPD-Fraktionschef-ueber-seine-Ambitionen/!5694279 | |
| [4] /Kampf-um-SPD-Vorsitz-in-Berlin/!5692677 | |
| [5] https://www.tagesspiegel.de/berlin/interview-mit-berliner-spd-spitze-giffey… | |
| [6] /Karstadt-am-Hermannplatz/!5706758 | |
| [7] /Streit-um-Verkehrspolitik-in-Berlin/!5716640 | |
| [8] /Raeumung-der-Liebig-34/!5717141 | |
| [9] /Bericht-zur-rechtsextremen-Terrorserie/!5715568 | |
| ## AUTOREN | |
| Erik Peter | |
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