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# taz.de -- AfD-Verbot: Auf nach Karlsruhe?
> Viele Demonstrant*innen und immer mehr Abgeordnete fordern ein
> Verbotsverfahren gegen die AfD. Auch unsere Autorin hat ihre Meinung
> geändert.
Bild: Nur das Bundesverfassungsgericht kann eine Partei verbieten
Vielleicht hat das Treffen, das jetzt [1][für so viel Furore sorgt], auch
etwas Gutes. Im vergangenen November soll Martin Sellner, einer der Köpfe
der rechtsextremen Identitären Bewegung, in einem Landhotel in Brandenburg
unter anderem mit Vertretern der AfD über einen Plan diskutiert haben,
Asylsuchende, Migrant*innen mit Bleiberecht und „nicht assimilierte
Staatsbürger“ massenhaft aus Deutschland zu vertreiben. Seitdem das
[2][durch eine Recherche von Correctiv bekannt wurde], ist die Empörung
groß.
Endlich gehen Bürger*innen [3][wieder auf die Straße], um die liberale
Demokratie zu verteidigen, und zeigen, wo die Mehrheit der Gesellschaft
weiterhin steht. Und endlich werden, in Politik und Zivilgesellschaft,
wieder die unterschiedlichsten Strategien diskutiert, um die AfD zu
bekämpfen – bis hin [4][zu einem Verbotsverfahren] vor dem
Bundesverfassungsgericht.
Nun könnte man sagen: Das alles hätte man auch vorher wissen können. Man
muss nur ernst nehmen, was führende AfDler*innen so von sich geben. Zum
Beispiel Björn Höcke, der Rechtsextremist aus Thüringen. Es „wird ein
großangelegtes Remigrationsprojekt notwendig sein. Und bei dem wird man, so
fürchte ich, nicht um eine Politik der ‚wohltemperierten Grausamkeit‘ (…)
herumkommen“, heißt es etwa in seinem Buch, das 2018 erschienen ist.
Klar, Höcke ist nicht die gesamte AfD. Aber inzwischen dominiert er die
Ideologie der Partei. Eine ernstzunehmende Strömung, die ihm etwas
entgegensetzt, gibt es nicht mehr. Das gilt nicht nur für Landesverbände
wie Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt, die der Verfassungsschutz als
[5][gesichert rechtsextrem eingestuft hat]. Es gilt für die gesamte Partei.
Und doch war es bemerkenswert, mit welchen lapidaren Äußerungen
Spitzenpolitiker bisher mitunter die Idee abtaten, ein Verbotsverfahren
gegen die AfD auch nur zu prüfen. Der Ostbeauftragte der Bundesregierung,
SPD-Politiker Carsten Schneider, [6][sprach etwa von] „einer Partei, die
uns nicht passt“; der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz fragte in Richtung
SPD-Chefin, ob diese dann auch die Union verbieten wolle. Als ob es darum
ginge.
## Hohe Hürden für Parteiverbot
Die Demokratie in Deutschland steht derzeit so unter Druck wie vielleicht
noch nie in der Geschichte der Bundesrepublik. Bei den Landtagswahlen in
Sachsen, Thüringen und Brandenburg im Herbst [7][könnte die AfD stärkste
Kraft werden], es ist nicht ausgeschlossen, dass sie es an die Macht
schafft. Da darf man von Spitzenpolitiker*innen doch etwas mehr
Ernsthaftigkeit in der Auseinandersetzung und der Prüfung von
Gegenstrategien erwarten.
Die Autorin dieses Textes hatte am Verbotsverfahren gegen die NPD
gezweifelt. Und wenn jemand sagte, dass man die AfD verbieten solle, hat
sie dagegen argumentiert: Politisch müsse man diese bekämpfen, sich ihr im
Alltag entgegenstellen. Und: Als ganze sei die Partei nicht rechtsextrem.
Doch die Lage ist heute eine andere. Die AfD ist radikaler als früher. Viel
stärker. Und mit dem Rest der rechtsextremen Szene besser vernetzt. Sie ist
viel gefährlicher.
Am Kneipen- und Küchentisch, im Bundestag und auch unter Jurist*innen
kursieren viele Argumente gegen ein Verbotsverfahren. Das wichtigste: Die
Hürden sind hoch, die Beweislage ist schwierig. Auch weil die AfD,
strategisch klug, Sätze wie jene von Höcke nicht in ihre Programme
schreibt.
Deshalb sollte man in der Diskussion auch nicht so tun, als sei das ganze
längst auf dem Weg oder das Verfahren ein Kinderspiel. Das Gegenteil ist
der Fall. Der Schutz der Parteien ist in der Demokratie ein hohes Gut,
weshalb auch nur das Bundesverfassungsgericht eine Partei verbieten kann.
Zweimal erst hat es dies getan: 1952 die nationalsozialistisch orientierte
Sozialistische Reichspartei (SRP), 1956 die Kommunistische Partei
Deutschlands. Zwei Verfahren gegen die NPD sind gescheitert. Doch zu den
Hürden später.
## Viele Argumente gegen ein AfD-Verbot
Andere Gegenargumente sind nicht so stark. Es dauert lange und wird bei den
Wahlen in diesem Jahr wenig helfen, etwa. Natürlich wird ein Verfahren
Jahre dauern, was gut und richtig ist, schließlich darf in einer Demokratie
eine Partei nicht leichtfertig verboten werden. Aber der Kampf gegen den
Rechtsextremismus ist nun mal eine langfristige Angelegenheit. Auf die
Landtagswahlen im Herbst werden weitere folgen. Uns steht ein Marathon
bevor, kein Sprint.
Man muss die AfD politisch bekämpfen. Das stimmt, ist aber leider in den
vergangenen Jahren nur mäßig gelungen. Ebenso wichtig ist
zivilgesellschaftliches Engagement und auch das von Sicherheitsbehörden und
Justiz. Aber es geht nicht um ein Entweder-Oder. Wir brauchen ein
Sowohl-Als-Auch.
Die Leute und ihre Gesinnung sind nach einem Verbot nicht weg. Das ist
leider wahr. Ein Verbot aber würde ihnen ihre Organisation nehmen und ihre
Ressourcen empfindlich reduzieren. „Die AfD hat tausende Mitarbeiter, die
24 Stunden am Tag vom Steuerzahler bezahlt das Internet und die Parlamente
mit rechtsradikalen Inhalten fluten“, so hat das [8][der CDU-Politiker
Marco Wanderwitz gerade benannt]. Er ist einer von 49 Abgeordneten von CSU
bis zur Linkspartei, die sich in dieser Woche in der taz [9][für die
Prüfung eines AfD-Verbotsverfahrens ausgesprochen haben].
Die AfD würde ein Verbotsverfahren zur Mobilisierung nutzen und sich als
Opfer stilisieren. Darauf kann man wetten. Nur macht die AfD das völlig
unabhängig davon, was Demokrat*innen tun. Deshalb eine Gegenmaßnahme zu
lassen, ist ein Verzicht ohne Gegengewinn.
## Man muss alles tun, um die AfD zu verhindern
Die AfD ist für ein Verbot bereits zu stark. Da drängt sich die Frage auf,
warum dann im Grundgesetz zum Schutz der Demokratie überhaupt ein
Parteiverbot vorgesehen ist. Das erste NPD-Verbotsverfahren scheiterte an
Verfahrensfehlern, das zweite an der Schwäche der Partei. Und jetzt soll
ausgerechnet die Stärke der AfD ein Gegenargument sein?
Bleibt vor allem die schwierige Beweislage. „Parteien, die nach ihren
Zielen oder nach dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgehen, die
freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu
beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden,
sind verfassungswidrig“, heißt es in Artikel 21 des Grundgesetzes. Es ist
an der Zeit, ernsthaft zu prüfen, ob diese Kriterien erfüllt sein könnten.
Dann braucht es den Mut, einen Antrag zu stellen – von Bundesregierung,
Bundestag oder Bundesrat, den Verfassungsorganen, die dazu berechtigt sind.
Am besten von allen dreien gemeinsam.
Ein solches Verfahren darf auf keinen Fall scheitern, werden nun viele
einwenden. Sicher sein, das aber kann man nicht. Die Entscheidung liegt bei
acht Richter*innen des Bundesverfassungsgerichts.
Und man kann es auch andersherum sehen: Wenn der Verdacht so groß ist, dass
die AfD der Demokratie und dem Rechtsstaat, der allgemeinen Menschenwürde
und dem Schutz von Minderheiten an den Kragen will – dann darf man es doch
nicht drauf ankommen lassen. Dann muss man alles tun, um das zu verhindern.
Was hilft gegen Rechtsextreme? Dieser Frage widmet sich diese Woche auch
der politische Podcast der taz. Zu hören auf [10][taz.de/bundestalk]
20 Jan 2024
## LINKS
[1] /Enthuellungen-ueber-AfD-Geheimtreffen/!5982734
[2] https://correctiv.org/aktuelles/neue-rechte/2024/01/10/geheimplan-remigrati…
[3] /Proteste-gegen-rechts/!5986385
[4] /Debatte-um-ein-Parteiverbot/!5983334
[5] /Verfassungsschutz-stuft-AfD-Sachsen-ein/!5978757
[6] /Carsten-Schneider-zu-rechter-Partei/!5983470
[7] /AfD-im-Osten/!5982629
[8] /Streitgespraech-ueber-ein-Verbot-der-AfD/!5970996
[9] /49-Abgeordnete-fuer-Pruefung/!5986396
[10] /Podcast-Bundestalk/!5986491
## AUTOREN
Sabine am Orde
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