# taz.de -- AfD-Erfolg in Brandenburg: Es gibt nichts zu feiern | |
> Mit radikalen Parolen wird die AfD in Brandenburg Zweite und hat eine | |
> Sperrminorität. Auf die demokratische Zivilgesellschaft kommen raue | |
> Zeiten zu. | |
Bild: Ihnen ist die Gefahr bewusst: Demonstrierende gegen die AfD in Potsdam | |
Niemand konnte die Warnungen überhören. Die AfD greife das demokratische, | |
freiheitliche System an, mahnten die Kirchen und der Zentralrat der Juden | |
vor den Wahlen. Die Partei sorge für einen ökonomischen Abstieg, warnten | |
Wirtschaftsvertreter*innen. Ein Wahlsieg könne für einen „Flächenbrand | |
rechter Gewalt“ sorgen, zeigten sich Opferverbände alarmiert. | |
Und nun ist die AfD auch nach der Landtagswahl in Brandenburg [1][knapp | |
zweitstärkste Kraft, hält im Landtag eine Sperrminorität] – nachdem sie | |
zuvor schon in Thüringen und Sachsen Wahlerfolge einfuhr. In einem Landtag, | |
in dem künftig [2][keine Grünen, Linken und Freien Wähler mehr sitzen | |
werden]. In dem die SPD nur noch mit dem BSW regieren kann – oder in einer | |
Minderheitenregierung mit der CDU. Wo die AfD dann die einzige Opposition | |
bliebe. Es gibt nichts zu feiern. | |
Ja, die SPD hat in Brandenburg am Ende noch das Ruder rumgerissen, wurde | |
doch erneut vor die AfD an die Spitze gewählt. Aber Ministerpräsident | |
Dietmar Woidke hat mit seiner „Ich oder die AfD“-Kampagne für einen hohen | |
Preis gesorgt. Einen Preis, den nun Linke, Grüne und Freie Wähler zahlen – | |
deren Wähler*innen vielfach Woidkes Aufruf folgten und zur SPD | |
abwanderten. Aber vor allem einen Preis, den am Ende die demokratische | |
Zivilgesellschaft zahlen wird. | |
Denn so ist die AfD auch als Zweitplatzierte eine Gewinnerin dieser Wahl. | |
Sie hat erneut Stimmen dazugewonnen, hat wieder bei jungen Wähler*innen | |
gepunktet. Und auch wenn die Partei nicht mitregieren wird, braucht sie nur | |
genüsslich zuzuschauen, wie die von ihr geschmähten „Kartellparteien“ jet… | |
zueinanderfinden und Differenzen überwinden müssen. Und die AfD wird ihre | |
Sperrminorität zu nutzen wissen, um diese Parteien wahlweise zu blockieren | |
oder vor sich herzutreiben. Und sie kann dies längst auf allen Ebenen tun, | |
stellt auch in den Kommunen inzwischen vielfach die stärksten Fraktionen. | |
## Nichts spricht für Mäßigung | |
Die AfD hat ihre Wirkmacht wieder ein Stückchen weiter ausgebaut. Und sie | |
hat das – man kann es nicht oft genug betonen – mit offen rechtsextremen | |
Inhalten geschafft. Der Brandenburger AfD-Verband gehört zu den | |
radikalsten, er „verspricht“ eine „millionenfache Remigration“, knüpft… | |
Jahren Netzwerke mit Neonazis, spricht eine Sprache der Gewalt, eine | |
Abgeordnete [3][verteilte im Wahlkampf Stichwaffen], sie hat der linken | |
Zivilgesellschaft den Kampf angesagt. Dass für dieses Programm 29 Prozent | |
der Wählenden stimmten, dass 81 Prozent erklärten, für sie stehe die AfD | |
„in der Mitte“, ist schon kein Alarmzeichen mehr. Es zeigt, wie | |
beängstigend abgeschlossen die Normalisierung der Partei längst ist. | |
Und nichts spricht für eine Mäßigung dieser Partei: Bereits ab Donnerstag, | |
wenn sich in Thüringen der neue Landtag konstituiert, [4][dürfte die AfD | |
wieder mit Machtspielen aufwarten]. Und der Blick der Partei richtet sich | |
ohnehin bereits auf die Bundestagswahl im kommenden Jahr, wo sich die AfD | |
mit den Erfolgen ihres radikalen Kurses in den jüngsten drei Wahlkämpfen | |
bestätigt sehen dürfte. | |
Ein Kurs, der schon jetzt konkret eine Bedrohung für die Menschen ist, die | |
ins Feindraster der AfD fallen. Und das sind nicht wenige. Schon zuletzt | |
verzeichneten die Beratungsstellen für Opfer rechter Gewalt Höchstzahlen an | |
Übergriffen, schon zuletzt kapitulierten Lehrer*innen in Brandenburg vor | |
rechtsextremen Parolen, schon heute will die AfD dem Landesjugendring oder | |
dem Programm „Tolerantes Brandenburg“ die Gelder kürzen. Die Sorgen | |
derjenigen, die die AfD ins Visier nimmt, waren vor den Wahlen in | |
Brandenburg, Thüringen und Sachsen allgegenwärtig. | |
## Zivilgesellschaft braucht ein Sicherheitsversprechen | |
Es ist nun an den demokratischen Parteien, diesen Menschen ein klares | |
Signal zu senden: Wir sehen eure Sorgen, wir tun etwas dagegen, wir geben | |
euch ein Sicherheitsversprechen. Wir stehen hinter eurer Arbeit für | |
Vielfalt und Demokratie und unterstützen diese offensiv. Und wir sind uns | |
darin einig, alles zu tun, um die Rechtsextremen von der Macht fernzuhalten | |
und sie nicht noch weiter aufzuwerten. | |
Dass hier nun mit den Linken und Grünen zwei Parteien fehlen, die dafür | |
eintreten, ist ein weiterer Rückschlag. Und dass sich die anderen Parteien | |
zuletzt von der AfD treiben ließen, dass [5][Woidkes SPD | |
Anti-Migrations-Sprüche] zum Hauptthema im Wahlkampf machte, dass | |
CDU-Innenminister Michael Stübgen eine Abschaffung des individuellen | |
Asylrechts forderte, weist auch in eine andere Richtung. Ebenso, wie wenig | |
Themen angesprochen und angegangen wurden, die tatsächlich drängen: nötige | |
Investitionen in Bildung, fehlende Ärzt*innen, abgehängte Dörfer. Aber | |
gerade die SPD mit ihrem Anti-AfD-Wahlkampf hat jetzt eine Verantwortung. | |
Alles verloren? Nein. Denn auch am Sonntag gab es Hoffnung. In Cottbus | |
etwa, langjährig eine rechte Hochburg, wo der [6][junge Sozialdemokrat und | |
Bergmann Lars Katzmarek] mit 38 Prozent einem AfD-Rechtsextremen das | |
Direktmandat abrang. Oder in Strausberg, Neuruppin, Müncheberg und | |
anderswo, wo Engagierte seit Jahren in Brandenburg Projekte für Vielfalt | |
betreiben. Diese Orte, dieses Engagement zu erhalten, es zu stärken, das | |
muss nun das Ziel sein. Und dann von dort aus diejenigen zu aktivieren, die | |
im Frühjahr schon einmal für die Demokratie auf der Straße waren, auch in | |
Brandenburg. Die zwei Drittel, die eben nicht ihr Kreuz bei den | |
Rechtsextremen machen. | |
23 Sep 2024 | |
## LINKS | |
[1] /AfD-bei-Wahlen-in-Brandenburg/!6037863 | |
[2] /Landtagswahl-in-Brandenburg/!6038025 | |
[3] /Wahlkampf-der-AfD-Brandenburg/!6034280 | |
[4] /Konstituierung-des-Thueringer-Landtags/!6037907 | |
[5] /Dietmar-Woidke-vor-der-Landtagswahl/!6036291 | |
[6] /Rapper-Lars-Katzmarek/!5988653 | |
## AUTOREN | |
Konrad Litschko | |
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