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# taz.de -- Landtagswahl in Brandenburg: Zeit für Experimente
> Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke setzt gern auf Solides und
> Bewährtes. Nun muss er hingegen eine Koalition mit dem BSW erproben.
Bild: Kneif mich mal: Dietmar Woidke hat geschafft, was als unmöglich galt
Potsdam taz | Am Morgen danach ist die Welt nicht besser geworden für Grüne
und Linkspartei. Nein, es war nicht bloß ein böser Traum am Sonntagabend,
sie sind tatsächlich raus aus dem Brandenburger Landtag. Bei Dietmar Woidke
hingegen, SPD-Landeschef und seit 2013 Ministerpräsident, könnte es gerade
andersrum sein. Kneif’ mich mal, damit ich weiß, dass ich nicht träume,
dürfte er vielleicht gerade seine Frau daheim im südbrandenburgischen
Städtchen Forst fragen. Woidke hat am Sonntagabend geschafft, was als
unmöglich galt. Zu Jahresbeginn lag seine Partei zehn, im Juni noch sechs
Prozentpunkte hinter der AfD – [1][nun hat die SPD mit 30,9 zu 29,2
gewonnen].
Die Frage ist bloß: Wie will er in seinem dann vierzehnten Jahr als
Ministerpräsident koalieren und weiter regieren? Mit der CDU kommt seine
Partei nur auf 44 der 88 Sitze im Landtag – es reicht also nicht zur
nötigen absoluten Mehrheit. Bleibt nur eine Alternative, die nicht AfD
heißt: Woidke wird sich mit dem Bündnis Sahra Wagenknecht zusammensetzen
müssen, dem BSW, mit dem er auf 46 Sitze käme.
Dass das BSW eine Minderheitsregierung bloß tolerieren würde, ohne selbst
mitregieren zu wollen, ist kaum vorstellbar. Ganz abgesehen davon, dass
eine solche wackelige Lösung Woidke kaum gefallen dürfte. Er wird sich also
mit BSW-Spitzenkandidat Robert Crumbach unterhalten müssen.
Was die Sache einfacher machen könnte: Crumbach, eigentlich Arbeitsrichter,
war über 40 Jahre SPD-Mitglied – und wirkte im Wahlkampf nicht als der Typ,
der in der Landesregierung eine reine Marionette seiner Bundesvorsitzenden
Wagenknecht sein würde. Woidke selbst hat in seinen Jahren als
Ministerpräsident bereits mit so unterschiedlichen Parteien wie Linkspartei
(bis 2019) und CDU und Grünen im bisherigen Kenia-Bündnis koaliert.
## Grüne und Linke teilen kräftig aus
Crumbachs Partei wurde am Sonntagabend in Potsdam vom Grünen-Vorsitzenden
Omrid Nouripour als „Briefkasten-Partei“ abgetan, mutmaßlich wegen ihrer
geringen Mitgliederzahl. Überhaupt teilten die Grünen wie auch die
Linkspartei kräftig aus. Immer mal wieder war am Wahlabend und zuvor zu
hören, Woidke habe das Land mit seiner Ich-oder-die-AfD-Strategie
„erpresst“. Der in Brandenburg über Parteigrenzen hinweg äußert beliebte
SPD-Chef hatte schon Anfang August angekündigt, sich zurückzuziehen, wenn
die AfD vorne liege.
Tatsächlich ergaben die Wahlanalysen eine deutliche Stimmenwanderung von
den Grünen hin zur SPD. Rein rechnerisch hätten weniger gereicht – mit
einem Prozentpunkt weniger wären Woidke und die SPD immer noch Wahlsieger
geworden und die Grünen erneut in den Landtag gekommen. Was natürlich bis
Schließung der Wahllokale nicht absehbar war.
Die Frage ist aber, worin die Erpressung liegt. Die grüne Wählerschaft
hätte ja auch der Argumentation ihrer Parteiführung folgen können. Demnach
wäre ein Wahlsieg der AfD verschmerzbar und wichtiger gewesen, die Grünen
und vor allem das Thema Klimaschutz im Landtag zu halten, das sie bei den
anderen Parteien nicht vertreten sehen. Und überhaupt, so die Parteiführung
vor der Wahl, würde es doch rechnerisch auch reichen, wenn eine
zweitplatzierte SPD ein erneutes Kenia-Bündnis anführte.
## Woidke ist vor allem Pragmatiker
Das sah ihre Wählerschaft merklich anders. Und so wurden aus 17 Prozent
Rückhalt vor der Wahl 2019 und 8 Prozent noch in diesem April nun 4,1
Prozent. Die Hoffnung, sich wie die Linkspartei vor drei Wochen bei der
Wahl in Sachsen [2][über die sogenannte Grundmandatsklausel und einen
einzigen gewonnenen Wahlkreis] in den Landtag zu retten, zerfiel ebenfalls.
Ihre 2019 in Potsdam erfolgreiche Direktkandidatin holte zwar ein ähnlich
starkes Ergebnis wie damals, lag aber dennoch deutlich hinter ihrer
SPD-Konkurrentin.
Bei ihrer Vorstellung, es könne ja mit einem Kenia-Bündnis weitergehen,
unterstellten die Grünen allerdings, dass Ministerpräsident Woidke und
seine SPD dringend daran interessiert wären. Am Wahlabend hörte sich das
ganz anders an: Als die Grünen noch auf einen Einzug in den Landtag
hofften, machte Woidke klar, dass er am Montag erstmal mit der CDU reden
würde. Dann würde man sehen, ob man noch jemanden brauche.
Allerdings braucht Woidke auch die CDU nicht, mit der es im Landtag, nicht
zu einer Mehrheit reicht, sondern eben das BSW mit seinem
Landesvorsitzenden Crumbach. Es wäre ein Experiment, das den gerne auf
Bewährtes setzenden Woidke nicht begeistern dürfte. Aber der ist eben vor
allem Pragmatiker und wird damit nicht allzu lange hadern. So gäbe es in
der deutschen Parteienlandschaft nach der sich in Sachsen und Thüringen
abzeichnenden „Brombeer“-Koalition aus SPD, CDU und BSW ein weiteres Novum
– für das es bloß noch einen Namen braucht. Laut Farbenlehre heißt die
Mischung aus SPD-Rot und BSW-Lila Magenta.
23 Sep 2024
## LINKS
[1] https://wahlergebnisse.brandenburg.de/12/500/20240922/landtagswahl_land/erg…
[2] /Brandenburg-Wahl-und-die-Gruenen/!6020421
## AUTOREN
Stefan Alberti
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