Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Brandenburger Landespolitik: Im besten Sinne staatstragend
> Dietmar Woidke erhält bei seiner Wiederwahl als Ministerpräsident auch
> Oppositionsstimmen. Die dürften von der CDU kommen, obwohl die das
> bestreitet.
Bild: Eher unscharf waren die Machtverhältnisse im Brandenburger Landtag bei d…
„Königsmacher“ sei die CDU ein paar Stunden zuvor gewesen, war von einem
AfD-Abgeordneten am Donnerstagnachmittag im Brandenburger Landtag zu hören.
So sei aus einer neuen Oppositionspartei ganz schnell wieder eine
Regierungspartei geworden. Das war als Kritik vorgetragen und sollte
mutmaßlich abschätzig klingen.
Tatsächlich hat der AfD-Mann den Christdemokraten ungewollt ein Lob
ausgesprochen. Denn mutmaßlich dabei mitgeholfen zu haben, den SPD-Mann
Dietmar Woidke jenseits aller Parteitaktik zwar nicht zum König, aber
erneut zum Ministerpräsidenten zu machen und damit einer Destabilisierung
entgegenzuwirken, ist staatstragend im besten Sinne und maximal lobenswert.
Zur Erinnerung: Woidke hatte am Donnerstag im ersten Wahlgang nur 43 statt
der nötigen 45 Stimmen im 88-köpfigen Landtag erhalten. Wenn aus seiner
[1][tags zuvor vertraglich festgeschriebenen Koalition mit dem Bündnis
Sahra Wagenknecht (BSW)] nur eine Stimme gefehlt hätte, wäre das keine
Überraschung gewesen.
Denn der BSW-Abgeordnete Sven Hornauf hatte angekündigt, für niemanden zu
stimmen, der – wie Woidke – die Aufstellung des Raketenabwehrsystems Arrow
3 in Brandenburg unterstützt. [2][Ohne Hornauf] hätte es aus der Koalition
aber immer noch 45 Stimmen und damit trotzdem die nötige Mehrheit geben
müssen. Nun aber waren es nochmal zwei weniger.
## Tiefpunkt für Woidke
Jetzt hätte man sich ganz entspannt geben, ein Durchfallen auch im zweiten
Wahlgang in Kauf nehmen und alles auf den dritten ankommen lassen können.
Denn dort gilt die einfache Mehrheit – Woidke hätte bloß mehr Ja- als
Nein-Stimmen gebraucht, und im ersten Wahlgang standen den 43 Ja-
40-Nein-Stimmen und mehrere Enthaltungen und ungültige Stimmen gegenüber.
Doch schon ein zweiter Wahlgang war ein Tiefpunkt in der 34-jährigen
Geschichte brandenburgischer Ministerpräsidentenwahlen – bei den drei
Amtsinhabern Manfred Stolpe, Matthias Platzeck und eben Woidke 2014 und
2019 reichte zuvor jeweils ein Wahlgang.
Das war die Ausgangssituation, vor der die CDU nach dem ersten Wahlgang
stand. Eine weitere Beschädigung von Woidke ansteuern, dem
parteipolitischen Gegner, aber dafür zugleich eine Beschädigung des Amtes
hinnehmen? Vielleicht auch im dritten Wahlgang mit Nein stimmen und samt
der AfD und Abweichlern aus der Koalition dafür sorgen, dass Woidke
komplett durchfällt?
## CDU-Fraktionschef dementiert
Das kann die CDU nicht gewollt haben, und deshalb haben sich mutmaßlich
zumindest einige Abgeordnete gefragt: Warum dann nicht schon im zweiten
Wahlgang zustimmen? Auf diese Weise dürfte es passiert sein, dass es im
zweiten Anlauf 50 Ja-Stimmen und damit mindestens vier gab, die nicht von
SPD und BSW kamen.
Daran ändert auch nichts, dass CDU-Fraktionschef Jan Redmann genau wie die
AfD behauptete, aus seiner Partei habe es keine Unterstützung gegeben und
Woidke sei mit Hilfe der AfD gewählt worden.
Denn was wäre gewesen, wenn Woidke gescheitert wäre? Die Situation war ja
komplett anders als vor eineinhalb Jahren in Berlin, als Kai Wegner (CDU)
[3][erst im dritten Wahlgang Regierender Bürgermeister wurde]. Die AfD
behauptete damals ganz anders als nun im Fall Woidke, mehrere ihrer
Abgeordneten hätten für Wegner gestimmt und ihn damit ins Amt gebracht.
Anders als in Brandenburg gab es in Berlin nämlich eine Alternative zu
jener schwarz-roten Koalition, die kurz davor war, Wegner durchfallen zu
lassen: Auch ein rot-grün-rotes Bündnis hätte im Abgeordnetenhaus eine
Mehrheit. Da wäre es gegen das ureigene Interesse von Grünen und
Linkspartei gewesen, Wegner über die Hürde zu helfen.
## Scheitern Woidkes hätte zu Neuwahlen geführt
Ganz anders nun in Potsdam. Dort kommt [4][seit der Wahl vom 22. September]
jenseits von ausgeschlossenen Bündnissen mit der AfD nur eine
SPD-BSW-Koalition – zumindest rechnerisch – auf eine absolute Mehrheit im
Landtag. SPD und CDU hätten zusammen nur 44 der 88 Sitze gehabt. Aus einer
solchen „Patt“-Situation heraus zu regieren, wie es jetzt in Thüringen der
neue Ministerpräsident Mario Voigt (CDU) mit Unterstützung der Linkspartei
versucht, hatte die Brandenburger CDU ausgeschlossen.
Die Folge wären Neuwahlen gewesen. Dazu wäre gar keine gescheiterte
Vertrauensfrage nötig gewesen, wie sie im Bundestag am Montag ansteht. Denn
[5][in Artikel 83 der Landesverfassung] heißt es: „Kommt die Wahl des
Ministerpräsidenten innerhalb von drei Monaten nach der Konstituierung des
Landtages nicht zustande, so gilt der Landtag als aufgelöst.“ Das wäre am
22. Januar passiert.
Ohne dass sich das auf Umfrageergebnisse stützen würde: Anzunehmen ist,
dass die SPD, von Woidke im September unter vollem persönlichen Einsatz
gerade noch an der AfD vorbei zum Wahlsieg geführt, nach dieser Schmach
verlieren und die CDU im Zuge ihres bundesweiten Aufwinds auch in
Brandenburg dazugewinnen würde.
Zwangsläufig aber würde dann aber die AfD profitieren, weil nach einem
Debakel am Donnerstag noch mehr Menschen das Vertrauen in demokratische
Institutionen wie den Landtag verlieren dürften. Die Regierungsbildung wäre
danach kaum leichter geworden.
Wer auch immer [6][unter den zwölf Mitgliedern der CDU-Fraktion] in
geheimer Wahl für Woidke stimmte, ist als wirklicher Demokrat zu betrachten
und als jemand, der oder die einen anderen Artikel der Landesverfassung
ernst genommen hat, den mit der Nummer 55: „Die Opposition ist ein
wesentlicher Bestandteil der parlamentarischen Demokratie.“
Dieser Satz bedeutet auch: Die Opposition hat nicht destruktiv am Rand zu
stehen, wenn das größere Ganze in Gefahr ist. Genau das ist der Unterschied
zwischen einer Oppositionsfraktion, die zum Staat und seinen Einrichtungen
steht, ihn bloß besser funktionieren lassen möchte als die Regierung – und
eben jener, der es um reines Unterminieren geht.
14 Dec 2024
## LINKS
[1] https://spd-brandenburg.de/wp-content/uploads/sites/111/2024/11/241127_Koal…
[2] /Koalitionsvertrag-in-Brandenburg-steht/!6053400
[3] /Wahl-im-Berliner-Abgeordnetenhaus/!5930934
[4] /Brandenburg-Wahl/!6037781
[5] https://www.politische-bildung-brandenburg.de/system/files/publikation/pdf/…
[6] https://cdu-fraktion-brandenburg.de/
## AUTOREN
Stefan Alberti
## TAGS
Landtagswahl Brandenburg
Dietmar Woidke
Landtag Brandenburg
Wochenkommentar
Brandenburg
CDU
Landtagswahl Brandenburg
Landtagswahl Brandenburg
## ARTIKEL ZUM THEMA
100 Tage SPD-BSW -Koalition: „Viel verabredet, manches angefasst“
Brandenburgs rot-lila Regierung zieht eine erste Bilanz und hält sich
zugute, geräuschlos zu regieren. Die CDU legt das eher als Friedhofsruhe
aus.
Regierungsbildung in Brandenburg: BSW erstmals an der Macht
Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke ist wiedergewählt, wenn auch
erst im zweiten Anlauf. Erstmals ist das BSW Teil einer Landesregierung.
Neuer Landtag in Brandenburg: Und keiner hat „Pfui“ gesagt
In Brandenburg trat der neue Landtag zusammen – erstmals ohne die
Linkspartei und unter der Leitung eines BSW-Abgeordneten.
Landtagswahl in Brandenburg: Zeit für Experimente
Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke setzt gern auf Solides und
Bewährtes. Nun muss er hingegen eine Koalition mit dem BSW erproben.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.