# taz.de -- BSW nach der Brandenburg-Wahl: Zwischen Triumph und Überforderung | |
> Ohne das BSW geht machtpolitisch nichts. Doch Landeschef Crumbach hält | |
> sich noch alles offen. | |
Bild: BSW-Landeschef Robert Crumbach übt sich am Tag nach der Wahl in leisen T… | |
BERLIN taz | Robert Crumbach, Landeschef des Bündnis Sahra Wagenknecht | |
(BSW) in Brandenburg, faltet die Hände vor seinem Bauch. Vor ihm stehen ein | |
paar Fotografen. Für den 61-Jährigen ist es noch neu, im Rampenlicht zu | |
stehen. Er scheint die eingeübten Blicke und Gesten noch zu suchen. | |
Es ist gut möglich, dass das BSW, [1][eine Partei mit kaum politischer | |
Erfahrung und 40 Mitgliedern im Landesverband], in Brandenburg mitregieren | |
wird. [2][Denn die SPD hat mit der CDU keine Mehrheit.] Mit der | |
BSW-Fraktion gäbe es eine knappe Mehrheit von zwei Mandaten. Wie in Sachsen | |
und Thüringen geht ohne das Bündnis Sahra Wagenknecht machtpolitisch | |
nichts. Eigentlich ist das eine spektakuläre Lage. Der Medienandrang in der | |
Bundespressekonferenz ist am Montagmittag trotzdem übersichtlich. Sahra | |
Wagenknecht ist krank. Ohne die Chefin fehlt dem BSW jener Thrill, der für | |
Aufmerksamkeit und Kameras sorgt. | |
Crumbach ist ein Mann moderater Töne, anders als seine abwesende Chefin mit | |
ihrer maximalen Verachtungsrhetorik gegenüber den Etablierten. „Wir | |
verändern ein bisschen die politische Landschaft“, sagt Crumbach. Das ist, | |
nach drei gewonnenen Landtagswahlen, eine verblüffend zurückhaltende | |
Rhetorik für den Landeschef einer populistischen Partei, die von | |
Gefühlsbewirtschaftung lebt. | |
Crumbach, Arbeitsrichter, war 40 Jahre in der SPD und hat unter anderem als | |
Referent für die SPD-Fraktion gearbeitet. Potsdam ist klein. Macht diese | |
Nähe die kommenden Gespräche mit [3][SPD-Ministerpräsident Dietmar Woidke] | |
einfacher? Dass man sich kennt, „schadet und hilft auch nicht“, sagt Robert | |
Crumbach. Er ist ein Meister abgewogener Unentschiedenheit. Wenn er | |
Widerspruch anmeldet, sagt er: „Ich bin mir nicht sicher, dass …“ Das wir… | |
in einer Partei, die viel mit Ausrufezeichen und Affektmobilisierung | |
arbeitet, ungewöhnlich. Gemeinsamkeiten mit der SPD sieht Crumbach beim | |
Strukturumbau in der Lausitz, Unterschiede bei der Krankenhausreform. Einen | |
Corona-Untersuchungsausschuss – Standardforderung des BSW – hält er in | |
Brandenburg für überflüssig. Es habe ja schon einen gegeben. | |
## Zwischen Kampfrhetorik und Diskursethik | |
Amira Mohamed Ali, Co-Bundeschefin des BSW, ist am Montag zuständig für | |
klare Ansagen. „Wir gehen nur in eine Landesregierung, die sich | |
unmissverständlich gegen die Stationierung von US-Raketen positioniert“, | |
sagt sie. Das Wording der Bundes-BSW-Politikerinnen hat etwas Hämmerndes, | |
Landespolitiker Crumbach klingt leiser. | |
Also hier die populistische Kampfrhetorik, dort der verbindliche Blick für | |
das Machbare? Mohamed Ali versucht am Montag diesen Eindruck als Trick von | |
Medien und politischer Konkurrenz zu deuten: „Im Bund die Verrückten, im | |
Land die Vernünftigen – diese Spaltung machen wir nicht mit.“ | |
Crumbach, der immer wieder auf seine Erfahrung als Arbeitsrichter verweist, | |
glaubt, dass man einen möglichen Dissens zwischen Wagenknecht und dem | |
Landesverband besprechen wird. „Wir werden das ausdiskutieren.“ Man rede so | |
lange, bis man ein Ergebnis hat. Das kenne er aus seinem Job. Es ist | |
erstaunlich, dass es beim BSW Anhänger von Habermas’ Diskursethik gibt. | |
Die BSW-Fraktion wird sich am Mittwoch erstmals treffen. Die Fraktion | |
besteht aus Ex-Linkspartei-Kommunalpolitikern – etwa Niels-Olaf Lüders und | |
Andreas Kutsche, Betriebsratsvorsitzender des Städtischen Klinikums in | |
Brandenburg an der Havel. Das Gros der 14-köpfigen Fraktion hat indes keine | |
parlamentarische Erfahrung. Die Ärztin Jouleen Gruhn arbeitet als | |
Referatsleiterin im Gesundheits- und Sozialministerium. Reinhard Simon war | |
früher Intendant der Uckermärkischen Bühnen in Schwedt. | |
## Die CDU hält sich erstmal raus | |
Diese Unerfahrenheit wäre gerade angesichts der knappen Mehrheit einer | |
möglichen SPD-BSW-Regierung ein Risiko. Crumbach versucht, diesen Malus als | |
Bonus zu verkaufen. Die Fraktion versammele eben „lebenserfahrene Leute“. | |
Davon scheint Wahlsieger Dietmar Woidke nicht ganz überzeugt zu sein. „Das | |
BSW ist nach wie vor eine Blackbox“, erklärte der Ministerpräsident am | |
Montag im Willy-Brandt-Haus in Berlin. „Stabilität wird nicht einfach zu | |
erreichen sein.“ Die SPD werde daher mit dem BSW und der CDU sondieren. | |
Die Brandenburger CDU ist am Montag da auffällig zurückhaltend. | |
CDU-Generalsekretär Gordon Hoffmann sagt in Potsdam, er wisse nicht, warum | |
man mit der SPD sondieren soll – mangels Mehrheit. Für die CDU „gibt es | |
keinen Regierungsauftrag“. Der Ball liege „zunächst bei SPD und BSW“. Der | |
Subtext: Soll die Sozialdemokratie halt sehen, wie sie mit dem BSW | |
zurechtkommt. | |
Das wird kompliziert. Die Verhandlungen werden, wie in Sachsen und | |
Thüringen, wohl eher Monate als Wochen dauern. Das BSW muss ohne | |
Parteiapparat, ohne Verwurzelung im Land oder in Verbänden eine | |
professionell arbeitende Fraktion bilden. Das ist schwer genug. Und auch | |
noch regieren? | |
Robert Crumbach will am Montag nichts ausschließen – auch nicht, dass das | |
BSW eine SPD/CDU-Minderheitsregierung tolerieren könnte. Das wäre für das | |
BSW politisch rational, um eine Überforderung zu vermeiden. Aber SPD/CDU zu | |
stützen, ohne selbst davon etwas zu haben? Das dürfte kaum in die | |
machiavellistischen Spielanordnungen in Saarbrücken passen. | |
## Vorsichtige Distanzierung von der großen Chefin | |
Woidke steht vor der komplexen Aufgabe, womöglich mit einer schwer | |
ausrechenbaren BSW-Fraktion und knapper Mehrheit regieren zu müssen. Die | |
ziemlich ultimativ klingende Forderung, dass die Landesregierung die | |
Stationierung der US-Raketen 2026 ablehnen muss, ist auch eine Hürde. Der | |
SPD-Wahlsieger erzählt im Willy-Brandt-Haus, dass ihm das Gerücht zu Ohren | |
gekommen ist, dass „ein Rentner aus dem Saarland die Verhandlung führen | |
soll“. Will sagen: Oskar Lafontaine. Er lasse das mal so stehen. | |
Robert Crumbach, der in den nächsten Wochen eine Schlüsselrolle spielen | |
wird, sagt hingegen, dass Sahra Wagenknecht zwar „das Gesicht der Partei“ | |
sei. Aber: „Wir sind nicht nur Sahra Wagenknecht.“ | |
Insofern war die Pressekonferenz ohne die Chefin schon mal eine gute Übung. | |
23 Sep 2024 | |
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## AUTOREN | |
Stefan Reinecke | |
Stefan Alberti | |
Anna Lehmann | |
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