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# taz.de -- Koalitionsverhandlungen in Potsdam: Bündnis fossiles Brandenburg
> Lob von Sahra Wagenknecht, kein Wort zum Klima im Sondierungspapier: Am
> Montag beginnen die Koalitionsverhandlungen von SPD und BSW.
Bild: Gibt Woidke Crumbach die Hand? Keine Frage. Er reicht sie ihm. Sogar gern
Berlin taz | Ist soviel Beifall von falscher Seite nicht eine Belastung?
Wenn am Montag die Koalitionsverhandlungen zwischen der Brandenburger SPD
und dem BSW beginnen, müssen die Verhandler der SPD mit einem giftigen Lob
umgehen. Einen [1][„guten Kompromiss“ nennt BSW-Gründerin Sahra Wagenknecht
das Sondierungspapier in Brandenburg]. Den Wortlaut der Einigung in
Thüringen hatte sie dagegen als „Fehler“ bezeichnet.
David Kolesnyk versucht das Wagenknecht-Lob wegzulächeln. Der
SPD-Generalsekretär, der in der fünfköpfigen Sondierungskommission saß und
auch in der großen Koalitionsrunde dabei sein wird, spricht von einem
„Kompromiss“. „Russland hat die Ukraine völkerrechtswidrig angegriffen,
daher rührt auch das Recht und auch moralisch die Pflicht, warum man die
Ukraine mit Waffenlieferungen unterstützen kann“, [2][so Kolesnyk im
Interview mit dem Inforadio vom RBB.] „Wir müssen trotzdem weiter alles
tun, um diesen Krieg zu beenden.“
Worin sich das Potsdamer vom Erfurter Papier – zur Freude von Sahra
Wagenknecht – allerdings deutlich unterscheidet, ist die Formulierung zur
geplanten Stationierung von US-Raketen in Deutschland. „Wir sehen (…) die
geplante Stationierung von Mittelstrecken- und Hyperschallraketen auf
deutschem Boden kritisch“, heißt es in Brandenburg. Die SPD macht sich die
Kritik Sahra Wagenknechts und ihres BSW also zu eigen, während in Thüringen
lediglich festgehalten wurde, dass „viele Menschen“ die Stationierung
kritisch sähen. Darüber hinaus bekannten sich CDU und SPD in Thüringen
ausdrücklich zur Westbindung der Bundesrepublik.
Am für Wagenknecht strategisch so bedeutenden Thema „Frieden“ werden die
Koalitionsverhandlungen in Potsdam also nicht scheitern, auch wenn Michael
Roth, der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, lautstark
einen „Bruch mit der Politik des Bundeskanzlers und der SPD“ kritisierte.
Zwar betont Kolesnyk, dass SPD und BSW auch in Brandeburg beim Thema
Waffenlieferungen an die Ukraine nicht übereinstimmen. Im Sondierungspapier
ist von diesem Dissens allerdings keine Rede.
## Vor allem Allgemeinplätze
Eher haben sich die jeweils fünf Vertreterinnen und Vertreter beider
Parteien Mühe gegeben, vor allem die Gemeinsamkeiten zu betonen. So wolle
man „Brandenburg in der Bildung nach vorn bringen“ und die „Qualität in
Kita und Schule verbessern“. Auch solle Bürokratie abgebaut und die
Verwaltung „effektiv“ digitalisiert werden. Auch alle Krankenhausstandorte
sollen erhalten und die wohnortnahe Gesundheitsversorgung gestärkt werden.
Für Unternehmen und Bürgerinnen und Bürger sollen die Energiekosten gesenkt
werden. Vorgesehen ist die Zuwanderung von Fachkräften. „Maßnahmen zur
Eindämmung und Verhinderung irregulärer Migration“, heißt es aber auch,
„werden unterstützt“. Zu Corona heißt es im Sondierungspapier: „Um aus …
Maßnahmen zur Abwehr der Corona-Pandemie für die Zukunft die richtigen
Schlüsse zu ziehen, setzen wir eine Enquete-Kommission ein.“
Ansonsten glänzt der „Kompromiss“ vor allem mit Allgemeinplätzen. „Die
Menschen im Land“, heißt es etwa, „erwarten Verlässlichkeit uns Sicherhei…
Im Dorf wie in der Stadt, im Alter wie in der Jugend.“
## Woidke spricht von „Vertrauen“
Bei der Vorstellung des Sondierungspapiers am vergangenen Montag sprach
Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) viel von Vertrauen, das
in den Gesprächen mit dem BSW und seinem Landesvorsitzenden Robert Crumbach
gewachsen sei. „Es ist jetzt die Verpflichtung dafür zu sorgen, dass
Brandenburg ein Land ist, das eine sichere Regierung bekommt“, so Woidke im
Potsdamer Landtag.
Aber nicht nur in Sachen Ukraine atmet das Sondierungspapier von Potsdam
eine Rückabwicklung der Zeitenwende. Fossil im wörtlichen wie übertragenen
Sinne droht die künftige rot-lila oder auch Magenta-Koalition auch beim
Thema Verkehrswende und Klimapolitik zu werden. Anders als die abgewählte
Kenia-Koalition, die dem öffentlichen Nahverkehr „Vorrang“ eingeräumt hat,
heißt es nun: „Wir unterstützen alle Verkehrsmittel“. Die Brandenburger
Raser werden sich freuen.
Kein Wort verlieren SPD und BSW auch zum Thema Klimapolitik. Scharfe Kritik
kam deshalb von den Grünen. „Das Sondierungspapier bleibt hinter den
Anforderungen unserer Zeit zurück. Erschreckend ist auch die völlige
Ignoranz des Klimaschutzes in den bisherigen Plänen“, [3][erklärt die
Landesvorsitzende der Brandenburger Bündnisgrünen, Hanna Große Holtrup.]
„Ohne ambitionierte Klimaschutzmaßnahmen riskieren wir die Zukunft unserer
Kinder und zerstören die Lebensgrundlage für kommende Generationen.“
## Grüne als Feindbild
Dass nicht nur für BSW-Gründerin Sahra Wagenknecht, CDU-Chef Friedrich Merz
und die AfD die Grünen das Feindbild Nummer eins sind, sondern auch für den
rechten Flügel der märkischen SPD, zeigte am Wochenende ein Interview von
SPD-Finanzministerin Katrin Lange. Lange, die immer wieder die Sanktionen
gegen Russland kritisiert, [4][sagte dem Tagesspiegel] in Bezug auf die
wirtschaftliche Lage des Landes. „Die wirtschaftliche Entwicklung in
Deutschland verläuft außerordentlich schwach. Das ist wesentlich eine Folge
der verfehlten grünen Wirtschaftspolitik Robert Habecks. Brandenburg kann
sich davon nicht freimachen.“
Gleichzeitig machte die Finanzministerin klar, dass SPD und BSW keine
großen Sprünge machen könnten. „Wir müssen mit deutlichen geringeren
Einnahmen rechnen als bisher angenommen“, betonte Lange. Einen
Ein-Milliarde-Euro schweren Zukunftsinvestitionsfonds, den sich die
Kenia-Koalition aus SPD, CDU und Grünen 2019 gegönnt hat, werde es diesmal
nicht geben. Darüber hinaus werde der Haushalt 2025 auch erst kommendes
Jahr verabschiedet werden. Sollten die Koalitionsverhandlungen tatsächlich
erfolgreich beendet werden, würde ein Magenta-Bündnis aus SPD und BSW mit
der Bürde einer vorläufigen Haushaltsführung starten.
SPD und BSW haben sich für die Koalitionsverhandlungen einen ambitionierten
Zeitplan verpasst. Schon am 11. Dezember könnte der Landtag eine neue
Regierung wählen, sagte SPD-Generalsekretär Kolesnyk. Einen
Mitgliederentscheid wie in Sachsen solle es nicht geben. Entscheiden soll
ein Landesparteitag.
Und noch eines haben sich SPD und BSW auferlegt. Im Falle einer Koalition
wollen sie im Landtag gemeinsam abstimmen. Eine Sicherungsmechanik, die
womöglich gar nicht nötig ist: Anders als in Thüringen und Sachsen sprechen
SPD und BSW als fossiles Bündnis schon jetzt so gut wie mit einer Stimme.
2 Nov 2024
## LINKS
[1] https://www.rbb24.de/politik/wahl/Landtagswahl/2024/brandenburg-thueringen-…
[2] https://www.rbb24.de/politik/wahl/Landtagswahl/2024/spd-bsw-brandenburg-son…
[3] https://gruene-brandenburg.de/service/presse/newssingle/sondierungspapier-v…
[4] https://www.tagesspiegel.de/potsdam/brandenburg/finanzministerin-katrin-lan…
## AUTOREN
Uwe Rada
## TAGS
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Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
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