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# taz.de -- Regierungsbildung im Osten: Sondierungen zum Dritten
> Fünf Wochen nach der Wahl in Brandenburg stehen SPD und BSW vor
> Koalitionsverhandlungen. Auch in Thüringen und Sachsen wird wieder
> geredet.
Bild: Zufrieden mit den Vorgesprächen: Dietmar Woidke (SPD) und Robert Crumbac…
Berlin taz | Nach dem Stocken der Regierungsverhandlungen in Thüringen und
Sachsen werden die Gespräche zwischen CDU, SPD und BSW in beiden Ländern
fortgesetzt. Am Montag vermeldeten auch die dort seit 34 Jahren regierende
SPD und die Politiknewcomer den erfolgreichen Abschluss von
Sondierungsgesprächen. Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke und
BSW-Landeschef Robert Crumbach empfahlen am Montag die Aufnahme von
Koalitionsverhandlungen.
„Das Vertrauen ist gewachsen“, betonte Woidke vor der
Landespressekonferenz. Crumbach sprach von „erheblichen Übereinstimmungen
in der Analyse der Situation in Brandenburg“. Am Abend wollen die Vorstände
beider Parteien darüber abstimmen, ob sie der Empfehlung folgen und über
eine gemeinsame Regierung verhandeln.
Während die Zustimmung der SPD-Gremien in Brandenburg als gesichert gilt,
ist die spannende Frage beim BSW, inwieweit Parteigründerin Sahra
Wagenknecht aus Berlin dazwischenfunkt.
In Thüringen, wo das BSW mit CDU und SPD verhandelt, lagen die Gespräche
wegen der Interventionen der Parteichefin in Sachen Außenpolitik auf Eis.
Am Montagnachmittag erklärten die Spitzen aller drei Parteien jedoch, die
Verhandlungen wieder zu vertiefen, mit dem Ziel eine stabile Regierung für
Thüringen zu bilden. In einem Kompromisspapier mit dem Titel „Mut zur
Verantwortung – Thüringen nach vorn bringen“ beschrieben die drei Partner
in spe ihre Differenzen – „Westbindung“ bei CDU und SPD, „kompromisslos…
Friedenskurs“ bei BSW – und bekundeten andererseits den Willen, „das Land
aus der Mitte heraus zusammenzuführen“.
Die Thüringer BSW-Vorsitzende Katja Wolf hatte sich hier im Ringen um einen
Kompromiss gegen Wagenknecht durchgesetzt und verteidigte ihn mit den
Worten: „Uns verbindet alle diese Sehnsucht nach Frieden.“
## Knackpunkte sind überall die gleichen
In Sachsen stockten die Sondierungsgespräche zwischen den drei Parteien,
nachdem das BSW für einen AfD-Antrag auf einen
Corona-Untersuchungsausschuss gestimmt hatte. Inzwischen laufen sie hier
ebenfalls wieder.
Die Knackpunkte – die Rolle der Außenpolitik auf Landesebene und eine
mögliche Zusammenarbeit mit der AfD – sind in Brandenburg die gleichen.
BSW-Landeschef Crumbach gab sich dennoch optimistisch, dass Verhandlungen
in Brandenburg störungsfreier verlaufen. Auf die Frage, ob die Chefin mit
am Tisch sitze, reagierte er gelassen: „Das Parteipräsidium kennt das
Papier.“ Wie in anderen Parteien habe man sich mit der Bundespartei „eng
und gut“ abgestimmt, so Crumbach und hob hervor: „Das BSW Brandenburg ist
das BSW Brandenburg“.
In dem dreiseitigen Sondierungspapier, welches am Montag öffentlich wurde,
ist die SPD dem BSW in zentralen Fragen weit entgegengekommen. Zu der für
die Wagenknecht-Partei identitätsstiftenden Frage über eine
Verhandlungslösung im russischen Krieg in der Ukraine und den Stopp von
Waffenlieferungen heißt es im Papier: „Der Krieg wird nicht durch weitere
Waffenlieferungen beendet werden können.“
Und weiter: Man sei übereingekommen, „dass wir uns im Sinne [1][der Charta
der Vereinten Nationen] und des Budapester Memorandums auf Bundesebene und
auf Ebene der Europäischen Union dafür einsetzen, eine diplomatische Lösung
des Ukrainekonflikts […] voranzutreiben.“ Wagenknecht zeigte sich via X
zufrieden: „Brandenburg zeigt, dass gute Kompromisse möglich sind.“
## BSW bekennt sich zur Bundeswehr
Der Verweis auf beide Verträge – er findet sich auch in dem Thüringer
Papier – ist allerdings entscheidend, gründen sie doch auf der
Unverletzlichkeit der Grenzen und der Souveränität der Staaten. Im
Budapester Memorandum hatte sich Russland 1994 sogar gegenüber der Ukraine
zu beiden Grundsätzen verpflichtet. Eine bedingungslose Kapitulation der
Ukraine oder der Verzicht auf weitere militärische Unterstützungen seien
also nicht gemeint, erläutert der Brandenburger SPD-Generalsekretär David
Kolesnyk gegenüber der taz. „Das heißt nicht, dass wir Waffenlieferungen
für falsch halten oder sie einstellen wollen.“ Es handele sich um einen
völkerrechtswidrigen Angriffskrieg Russlands, das gebe der Ukraine das
Recht und die Pflicht, sich zu verteidigen.
In einem anderen Punkt weicht das Sondierungspapier von Beschlüssen des
SPD-Präsidiums ab. Das hatte die Stationierung von US-Mittelstreckenraketen
im August als „wichtigen Baustein“ verteidigt. Im Sondierungspapier werden
diese „kritisch“ gesehen. Woidke betonte, man stehe zur Bundeswehr und
ihren Standorten in Brandenburg. Dazu gehört auch der Fliegerhorst
Holzdorf. Dort soll das mobile Luftabwehrsystem „Arrow 3“ stationiert
werden – das mit Hyperschallraketen operiert.
Crumbach hatte dem „wenig hinzuzufügen“. Das BSW habe „nie die Bundeswehr
in Frage gestellt“. Beim Thema Corona-Aufarbeitung wollen BSW und SPD eine
Enquetekommission, die herausarbeiten soll, „wie unser Gesundheitssystem
für die Bewältigung von Pandemien aufgestellt ist“. Falls die Landesgremien
zustimmen, könnten die Koalitionsverhandlungen nächste Woche beginnen, so
die stellvertretende SPD-Landesvorsitzende Katrin Lange.
28 Oct 2024
## LINKS
[1] https://unric.org/de/charta/#kapitel1
## AUTOREN
Anna Lehmann
Hanno Fleckenstein
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Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
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