# taz.de -- BSW in Thüringen auf Koalitionskurs: Wagenknecht lässt ihre Getre… | |
> In Thüringen lässt sich das Bündnis Sahra Wagenknecht auf | |
> Koalitionsverhandlungen ein. Kritik aus dem Bund kommt auch von | |
> Wagenknechts Gefolgsleuten. | |
Bild: Wollen sie in die gleiche Richtung? Sahra Wagenknecht und ihre Thüringer… | |
Berlin taz | Das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) in Thüringen ist nun auch | |
offiziell für Koalitionsverhandlungen mit der CDU und der SPD bereit. Dem | |
stimmten die Parteigremien am Dienstagabend zu. „Der Beschluss markiert | |
einen wichtigen Schritt in Richtung einer stabilen und zukunftsorientierten | |
Regierung für Thüringen, die die Interessen der Bürgerinnen und Bürger in | |
den Vordergrund stellt“, teilte das BSW mit. | |
In Thüringen wie in Brandenburg und Sachsen kann eine Regierung ohne die | |
AfD [1][nur mit dem BSW] gebildet werden: das gibt Sahra Wagenknecht eine | |
Schlüsselrolle. Die BSW-Gründerin hatte es zur Bedingung für Koalitionen | |
gemacht, dass diese sich gegen Militärhilfe an die Ukraine und die | |
Stationierung von US-Raketen aussprechen müssten. In Brandenburg und | |
Thüringen einigten sich die Parteien auf Bekenntnisse zu mehr | |
Friedensinitiativen. [2][In Brandenburg] findet sich in der Präambel auch | |
eine Formulierung, dass man die vom Kanzler gewünschte Stationierung von | |
US-Raketen kritisch sehe. In Thüringen fehlt diese. | |
Die außenpolitischen Vereinbarungen mit dem BSW in Thüringen und | |
Brandenburg sind parteiübergreifend auf scharfe Kritik gestoßen. „Die | |
praktische Relevanz dieser Vereinbarungen geht zum Glück gegen null, aber | |
für die wichtige Debatte um Frieden und Sicherheit ist es | |
verantwortungslos, wie viel CDU und SPD Sahra Wagenknecht nachgegeben | |
haben“, sagte die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der | |
Grünen-Bundestagsfraktion, Agnieszka Brugger, der Agentur Reuters. Auch der | |
Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, Michael Roth (SPD), | |
übte Kritik. Ebenso Frank Sarfeld (CDU), der jede Zusammenarbeit seiner | |
Partei mit dem BSW ablehnt und für einen Unvereinbarkeitsbeschluss wirbt. | |
## Alle gegen den Thüringer Kompromiss | |
Kritik kommt aber auch von Sahra Wagenknecht selbst. Die Parteichefin hatte | |
zuvor den Thüringer Kompromiss des BSW bereits am Montag deutlich | |
kritisiert und von einem „Fehler“ gesprochen. Er falle weit hinter eine in | |
Brandenburg gefundene Einigung zurück. | |
Auch andere Bundespolitiker der Partei gingen den Thüringer Landesverband | |
hart an. Ihre thüringischen Parteikollegen seien auf dem besten Weg, „das | |
BSW zu einer Partei zu machen, von der es nicht noch eine braucht“, | |
schrieben die parlamentarische Geschäftsführerin Jessica Tatti und der | |
Bundesschatzmeister Ralph Suikat in einem Gastbeitrag, der am Dienstag bei | |
t-online erschien. Tatti und Suikat fehlt vor allem die klare Absage an | |
mögliche Stützpunkte für US-Mittelstreckenraketen. | |
„Wo sind unsere zentralen Forderungen geblieben?“, fragen sie, und folgern: | |
Dies lasse „für mögliche Verhandlungen über landespolitische Fragen nichts | |
Gutes erwarten“. Das sei „definitiv nicht das, wofür man all die | |
Anstrengungen und harten Konflikte auf dem Weg aus der ehemaligen Partei | |
bis zur Gründung des BSW auf sich genommen hat“. | |
„Wir sind keine willfährigen Mehrheitsbeschaffer“, so Tatti und Suikat: | |
„Wenn wir in eine Regierung gehen, dann für die Bürger und die Inhalte des | |
BSW.“ | |
## Corona-Aufarbeitung und andere Prinzipien | |
Der BSW-Europaabgeordnete Friedrich Pürner, ein Mediziner, kritisiert auch | |
die Passagen, die von der Aufarbeitung der Coronazeit handeln. Gegenüber | |
der Berliner Zeitung forderte er sogar, die Verhandlungen mit CDU und SPD | |
abzubrechen. „Wir als neue politische Kraft haben es versäumt, unsere | |
Akzente in diesem Papier zu setzen“, sagte er. Der Unternehmer Oliver | |
Jeschonnek, einer der beiden BSW-Landeschefs in Hessen, und Alexander King, | |
einer der beiden BSW-Vorsitzenden in Berlin, gingen auf Distanz zum | |
Thüringer Landesverband. „Womöglich bieten die weiteren Verhandlungen ja | |
Raum, um mehr auf die Friedensfrage einzugehen“, sagte King der Berliner | |
Zeitung. | |
Die Diskussion wirkt von beiden Seiten wie dogmatische Prinzipienreiterei. | |
Denn in Thüringen dürfen ohnehin gar keine US-Raketen stationiert werden – | |
das verbietet der Zwei-plus-Vier-Vertrag, der seit 1990 gilt. | |
Unklar ist, welche Folgen der offene Krach für das noch junge Bündnis Sahra | |
Wagenknecht haben wird. Bedroht er den Frieden in der bislang sehr homogen | |
wirkenden Partei und das Verhältnis zwischen Wagenknecht und ihren beiden | |
Thüringer Landeschefs, Katja Wolf und Steffen Schütz? | |
Katja Wolf hatte bei der Vorstellung des Sondierungspapiers am Montag | |
gesagt, Zustimmung von der Bundesspitze sei „rein formal nicht vorgesehen“. | |
Formal ist das richtig. | |
30 Oct 2024 | |
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## AUTOREN | |
Daniel Bax | |
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