# taz.de -- SPD und BSW in Brandenburg: Woidkes verbrannte Erde | |
> Die Entlassung der grünen Gesundheitsministerin durch Dietmar Woidke ist | |
> kein Ausrutscher. Für das BSW opfert er die Zukunftsfähigkeit des Landes. | |
Bild: Was ist Dietmar Woidke wichtiger? Der Cottbuser Ostsee in einem geflutete… | |
Genutzt hat es ihm nichts. Um die Krankenhausreform von Karl Lauterbach in | |
den Vermittlungsausschuss und damit vielleicht ins Aus zu schicken, [1][hat | |
Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) die grüne | |
Gesundheitsministerin Ursula Nonnemacher gefeuert]. Der Bundesrat hat die | |
Reform, für die sich auch Nonnemacher starkgemacht hatte, dennoch | |
verabschiedet. | |
Umso größer ist nun der Schaden für Dietmar Woidke. Nach Nonnemachers | |
Rauswurf ist am Freitagnachmittag auch der noch amtierende | |
Grünen-Umweltminister Axel Vogel zurückgetreten. „Die heutige | |
Bundesratssitzung, in der der Ministerpräsident die Gesundheitsministerin | |
durch die Entlassung an ihrer Rede gehindert hat, markiert nun einen neuen | |
Tiefpunkt“, sagte Vogel zur Begründung. „Vor diesem Hintergrund ist keine | |
Zusammenarbeit mehr möglich.“ | |
Dass nicht nur das Tischtuch zwischen SPD und Grünen, sondern auch das der | |
Bundes-SPD zu den Genossen in Brandenburg zerschnitten ist, zeigt die | |
Reaktion von Karl Lauterbach. Der Bundesgesundheitsminister ließ es sich | |
nicht nehmen, Nonnemacher ausdrücklich zu loben. Er bedauere die Entlassung | |
der grünen Ministerin, sagte der Sozialdemokrat im Bundesrat: „Sie hat sich | |
insbesondere dafür eingesetzt, dass in Brandenburg die Notfallversorgung in | |
dem Umfang erhalten bleiben kann, wie sie notwendig ist. Das ist ihr | |
Verdienst.“ | |
Doch Verdienst ist für Dietmar Woidke offenbar kein Argument mehr, seitdem | |
seine SPD mit dem Bündnis Sahra Wagenknecht regieren will. Verdienstvoll | |
für Brandenburg war auch Wirtschaftsminister Jörg Steinbach (SPD). Dieser | |
hatte nicht nur maßgeblich Tesla nach Grünheide geholt, sondern auch den | |
Strukturwandel in der Lausitz von der dreckigen Kohle zur sauberen grünen | |
Energie erfolgreich gemanagt. | |
## SPD-interne Verwerfungen | |
Am Donnerstag hatte Steinbach nun angekündigt, in einer künftigen | |
Landesregierung nicht mehr als Minister zur Verfügung zu stehen. Als Grund | |
nannte er das BSW, mit dem Brandenburgs SPD seit drei Wochen | |
Koalitionsverhandlungen führt. [2][Mit dieser Partei sei er „nicht | |
kompatibel“, sagte Steinbach dem RBB] und nannte als Grund unter anderem | |
„die völlig andere Interpretation der russischen Haltung und des russischen | |
Angriffskrieges bis hin zu der Forderung, die gesamte Embargo-Politik | |
wieder umzudrehen und wieder russisches Gas und russisches Öl zu | |
beschaffen“. | |
So wie der SPD-Mann Lauterbach die Grüne Nonnemacher lobte, hatten die | |
Brandenburger Grünen zuvor die aufrechte Haltung Steinbachs gewürdigt. „Er | |
war einer der wenigen Sozialdemokraten in Brandenburg, der eine klare | |
Haltung zur russischen Aggression gegenüber der Ukraine hat“, erklärte der | |
grüne Bundestagsabgeordnete aus Brandenburg, Michael Kellner. „Meine Sorge | |
vor einer Landesregierung, die Pro-Putin-Politik betreibt, steigt damit | |
weiter.“ | |
Außerdem habe Steinbach „die Chancen des grünen Wandels für gut bezahlte | |
Arbeitsplätze und Wohlstand“ ergriffen, so Kellner, der auch Staatssekretär | |
im Bundeswirtschaftsministerium von Robert Habeck (Grüne) ist. Die | |
Wagenknecht-Partei dagegen trat Steinbach zum Abschied lieber nach. | |
BSW-Landesgeschäftsführer Stefan Roth betonte, wer auf der Position des | |
Wirtschaftsministers nachfolge, müsse ein besonderes Augenmerk auf die | |
Sicherung von Arbeitsplätzen und den Erhalt der Produktionsstätten von | |
Industriebetrieben im Land legen. „Viele dieser Unternehmen sind abhängig | |
von Energiepreisen und leiden unter den Wirtschaftssanktionen.“ | |
## Vorwärts in die Vergangenheit | |
Vorbei sind die Wochen, in denen immer wieder die Rede davon war, die | |
Koalitionsverhandlungen und zuvor die Sondierungen in Brandenburg verliefen | |
geräuschlos. Nun sind die ersten Risse unübersehbar, auch in den Reihen der | |
SPD. Befeuert könnten die noch werden durch die Forderungen der Kohlepartei | |
BSW, künftig aus der CO₂-Bepreisung und den Handel mit | |
Kohlenstoffzertifikaten auszusteigen. | |
Was die Brandenburger Grünen, die nicht mehr im Landtag vertreten sind, | |
eine „energiepolitischen Geisterfahrt“ nennen, wird man in der | |
Konzernzentrale des Tagebaubetreibers LEAG gern hören. Ohnehin sitzen die | |
Kohlekumpel mit am Verhandlungstisch bei den Koalitionsgesprächen. Statt | |
Jörg Steinbach darf in der Arbeitsgruppe Wirtschaft, Arbeit und Energie die | |
Landesbezirksleiterin der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie, | |
Stephanie Albrecht-Suliak, für die SPD verhandeln. | |
Als er noch die Kenia-Koalition mit CDU und Grünen anführte, hörte sich | |
Brandenburgs Ministerpräsident an manchen Tagen an wie ein Grüner. Immer | |
wieder betonte Woidke die Chancen einer Green Economy in der Energieregion | |
Lausitz. Kein Wunder: [3][Der Bund hat seinem Land den Kohleausstieg mit | |
mehr als 10 Milliarden Euro an Fördermitteln versüßt]. | |
Nun, da sich eine Koalition mit dem BSW abzeichnet, muss sich Woidke fragen | |
lassen, ob er schon wieder knietief in der Kohle steckt. Ob er im | |
bisherigen Aufschwungsland Brandenburg aus Liebedienerei mit dem BSW | |
verbrannte Erde hinterlassen will. Und auch, ob er sich noch auf seinen | |
politischen Instinkt verlassen kann. | |
## Politischer Instinkt abhandengekommen | |
Im Wahlkampf hatte Dietmar Woidke – wie zuvor CDU-Mann Michael Kretschmer | |
in Sachsen – alles auf eine Karte gesetzt und angekündigt, im Falle eines | |
Wahlsiegs der AfD „weg“ zu sein. Am Ende landete seine SPD am 22. September | |
mit 30,9 Prozent knapp vor der AfD mit 29,2 Prozent. | |
Doch der Preis für diesen Sieg war hoch. Vielleicht zu hoch. Mit seiner | |
Erpressungskampagne kickte Woidke nicht nur Grüne und Linke aus dem | |
Landtag, sondern pulverisierte auch die CDU, die nur auf 12,1 Prozent kam. | |
Eine Fortsetzung von Kenia ist seitdem ebenso wenig möglich wie eine | |
Koalition mit der CDU. Die einzige Option, die der SPD bleibt, ist das | |
Bündnis mit Sahra Wagenknecht. | |
Das BSW scheint die Not der SPD und die eigene Machposition hinter den | |
Kulissen genüsslich auszuspielen, auch wenn seit dem Beginn der | |
Verhandlungen zunächst keine Inhalte an die Öffentlichkeit gedrungen waren. | |
Allerdings hatte BSW-Landeschef Robert Crumbach immer wieder deutlich | |
gemacht, wie wichtig ihm Bildung, Migration, der Erhalt aller Krankenhäuser | |
und ein Ende der Sanktionen gegen Russland seien. Dass SPD und BSW die | |
Stationierung von Mittelstreckenraketen in Deutschland in ihrem | |
Sondierungspapier „kritisch sehen“, hat ihm sogar ein Sonderlob der | |
Vorsitzenden in Berlin eingebracht. | |
War das erst der Anfang vom Durchmarsch des BSW? Nach der Entlassung | |
Nonnemachers, dem Abschied Steinbachs und dem Schwenk zurück zur Kohle hat | |
es den Anschein, als könnte sich das BSW tatsächlich in wesentlichen | |
Politikfeldern in Brandenburg durchsetzen. An einem „Njet“ aus Saarbrücken | |
scheint die erste Beteiligung des BSW an einer Landesregierung derzeit | |
nicht zu scheitern. | |
Und die SPD? „Es ist beschämend zu sehen, dass der SPD-Ministerpräsident | |
vor nichts zurückschreckt, um seine Macht zu sichern“, [4][sagt die | |
Grünen-Landesvorsitzende Alexandra Pichl]. Diese Entscheidung zeige, „wie | |
weit die SPD inzwischen bereit ist zu gehen, um sich für eine künftige | |
Koalition mit dem Bündnis Sahra Wagenknecht anzubiedern“. | |
Ob Jörg Steinbach noch andere Genossinnen und Genossen in Brandenburg | |
folgen werden, könnte sich schon Anfang Dezember zeigen. Wenn, wie geplant, | |
der fertige Koalitionsvertrag in der kommenden Woche vorgestellt werden | |
wird, folgt am 6. Dezember ein Parteitag der Brandenburger SPD. Auf das | |
Abstimmungsergebnis darf man gespannt sein. | |
Erst recht auf die Wahl des Ministerpräsidenten, die für den 11. Dezember | |
geplant ist. Wieder einmal hat Woidke hoch gepokert. Vielleicht auch in dem | |
Fall zu hoch. SPD und BSW haben im neuen Landtag nur eine Stimme mehr als | |
die notwendige Mehrheit. | |
22 Nov 2024 | |
## LINKS | |
[1] /Zoff-um-Krankenhausreform-in-Brandenburg/!6050931 | |
[2] https://www.rbb24.de/politik/beitrag/2024/11/brandenburg-wirtschaftsministe… | |
[3] https://brandenburg.de/cms/detail.php/brandenburg_06.c.827459.de | |
[4] https://gruene-brandenburg.de/startseite/single-news/gesundheitsministerin-… | |
## AUTOREN | |
Uwe Rada | |
## TAGS | |
BSW | |
Dietmar Woidke | |
Die Grünen Brandenburg | |
Landtag Brandenburg | |
Ursula Nonnemacher | |
BSW | |
BSW | |
BSW | |
BSW | |
Landtagswahl Brandenburg | |
Schwerpunkt Landtagswahl Thüringen | |
Brandenburg | |
BSW | |
Koalitionen in Ostdeutschland | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Neue Regierung in Brandenburg: Von Eierköniginnen, Fachfremden und Wagenknecht… | |
Die neue Brandenburger Landesregierung aus SPD und BSW steht. Am Mittwoch | |
sollen die elf Minister:innen vereidigt werden. So jedenfalls der Plan. | |
Koalition aus SPD und BSW in Brandenburg: Woidke ist erpressbar geworden | |
Nur eine Stimme Mehrheit hat die Koalition in Brandenburg. Doch Dietmar | |
Woidke spielt mit. Weil er zu hoch gepokert hat, hat er keine andere Wahl. | |
Regierung in Brandenburg: Woidke hofft auf Linke 2.0 | |
In Brandenburg steht der Koalitionsvertrag von SPD und BSW. Beide | |
versprechen eine solide Regierung. Doch die Mehrheit für Rot-Lila ist | |
äußerst knapp. | |
Koalitionsvertrag in Brandenburg steht: Denkbar knappste Mehrheit | |
SPD und BSW sind sich in Brandenburg einig geworden. Weil ein | |
BSW-Abgeordneter fremdgeht, haben beide Parteien nicht eine Stimme mehr als | |
nötig. | |
Regierungsbildung in Brandenburg: SPD und BSW einigen sich auf Koalitionsvertrag | |
Brandenburg wird künftig von SPD und BSW regiert. Auch für den letzten | |
Streitpunkt um Raketen auf einem Luftwaffenstützpunkt wurde ein Kompromiss | |
gefunden. | |
Koalitionsvertrag mit BSW in Thüringen: Gegen Handys, aber für Diplomatie | |
In Thüringen beenden CDU, BSW und SPD erfolgreich ihre Koalitionsgespräche. | |
Eine eigene Mehrheit haben sie nicht, einen gemeinsamen Vertrag schon. | |
Zoff um Krankenhausreform in Brandenburg: Woidke feuert seine Gesundheitsminist… | |
In Brandenburgs Noch-Landesregierung fliegen die Fetzen. Grünen-Ministerin | |
Ursula Nonnemacher wird im Streit um die Krankenhausreform entlassen. | |
SPD und BSW in Brandenburg: Sind sich Rot und Lila noch grün? | |
Lange Zeit verliefen die Koalitionsverhandlungen in Brandenburg | |
geräuschlos. Nun scheint es zu krachen, auch in der SPD. Es geht um die | |
Kohle. | |
Koalitionsverhandlungen in Potsdam: Bündnis fossiles Brandenburg | |
Lob von Sahra Wagenknecht, kein Wort zum Klima im Sondierungspapier: Am | |
Montag beginnen die Koalitionsverhandlungen von SPD und BSW. |