| # taz.de -- Koalitionsvertrag mit BSW in Thüringen: Gegen Handys, aber für Di… | |
| > In Thüringen beenden CDU, BSW und SPD erfolgreich ihre | |
| > Koalitionsgespräche. Eine eigene Mehrheit haben sie nicht, einen | |
| > gemeinsamen Vertrag schon. | |
| Bild: Präsentieren den Koalitionsvertrag: Georg Maier (SPD), Mario Voigt (CDU)… | |
| Dresden taz | Vor vier Wochen war in Thüringen noch Abbruchstimmung | |
| festzustellen. Gemessen daran erschien die Vorstellung des neuen | |
| Koalitionsvertrages an diesem Freitag wie eine Familienzusammenführung. | |
| Eine zunehmend freundliche Stimmung sei während der Koalitionsverhandlungen | |
| unter den drei Partnern zu spüren gewesen, so die Spitzen von CDU, BSW und | |
| SPD. Während ihrer Pressekonferenz war der Begriff „Vertrauen“ gefühlt | |
| ebenso häufig zu vernehmen wie die 28-fache Verwendung des Wortes „Frieden“ | |
| im Vertragstext. | |
| „Wir wurden nicht füreinander geschaffen, aber wir stehen in der | |
| Verantwortung, aufeinander zuzugehen.“ Für diesen pathetischen Satz erntete | |
| der noch amtierende Innenminister Georg Maier (SPD) auf dem Podium | |
| Zustimmung. Welche Konstellation unter Ausschluss der AfD, den Maier noch | |
| einmal betonte, sollte sonst überhaupt eine Regierung bilden? Erst auf | |
| Anfrage ging Maier auf das Mehrheitsproblem im Landtag ein. Denn auch die | |
| neue Koalition verfügt nur über die Hälfte der 88 Landtagssitze, muss also | |
| um Stimmen werben. | |
| Dafür hatten die drei Parteien schon im Ergebnis der Sondierungen einen | |
| „prälegislativen Konsultationsmechanismus“ erfunden. [1][Sachsen kopiert | |
| diese Idee einer Vorab-Information] aller Landtagsfraktionen über | |
| Gesetzesvorhaben der Regierung inzwischen. Das Echo aus der Opposition soll | |
| die jeweiligen Entwürfe schon beeinflussen. Abstimmungsniederlagen könnten | |
| so vermieden werden, lautet die Hoffnung. In der Regierung will man stets | |
| mit einer Stimme sprechen. | |
| Das Verfahren und die Begriffswahl erinnern an den seit 2020 unter | |
| umgekehrten Vorzeichen mit Linken, SPD und Grünen bereits praktizierten | |
| „Stabilitätsmechanismus“, bei dem die oppositionelle CDU das Zünglein an | |
| der Waage spielen konnte. Diese Rolle könnte nun der Linken zufallen, auf | |
| die man zuerst zugehen müsste. „Eine andere Partei fällt mir nicht ein“, | |
| sagte Innenminister Maier. | |
| ## Krieg und Frieden und Westbindung | |
| Vielen Inhalten und vor allem der Präambel des Koalitionsvertrages dürfte | |
| eine sozialdemokratisierte Thüringer Linke zustimmen können. Mit besonderer | |
| Spannung war die sogenannte Friedensformel erwartet worden. Für Sahra | |
| Wagenknecht und ihre Partei stehen Aussagen insbesondere zum Krieg gegen | |
| die Ukraine im Zentrum ihres Selbstverständnisses. Ähnlich wie in Sachsen | |
| wären an deren Formulierung die Koalitionsgespräche [2][nach Intervention | |
| Wagenknechts beinahe gescheitert.] | |
| Die drei Absätze der Präambel betonen Gemeinsamkeiten wie den Willen zum | |
| Frieden in Europa, die Unantastbarkeit von Grenzen und den Respekt vor den | |
| Sorgen der Bürgerinnen und Bürger, in den Krieg hineingezogen zu werden. | |
| Diplomatische Initiativen, „den von Russland gegen die Ukraine entfesselten | |
| Angriffskrieg zu beenden“, unterstützen alle drei Partner. | |
| Nur CDU und SPD hingegen „sehen sich in der Tradition von Westbindung und | |
| Ostpolitik“. „Das BSW steht für einen kompromisslosen Friedenskurs“, wird | |
| von deren Seite eine Differenz angedeutet. Benannt werden | |
| Auffassungsunterschiede hinsichtlich der Waffenlieferungen an die Ukraine, | |
| die aber im Streben nach diplomatischen Lösungen aufgehoben werden könnten. | |
| Die kritische Sicht vieler Menschen in Thüringen auf die geplante | |
| Stationierung von Mittelstreckenraketen wird gemeinsam anerkannt. Eine | |
| öffentliche Debatte darüber soll sogar gefördert werden. | |
| Damit zeigte sich die Bundesvorsitzende Sahra Wagenknecht im fernen Berlin | |
| zufrieden. BSW-Landesvorsitzende Katja Wolf spielte Differenzen mit ihr | |
| herunter und äußerte Verständnis für die „Adleraugen“ Wagenknechts in e… | |
| noch so jungen Partei. Es sei nun einmal ums „Eingemachte“ gegangen. | |
| Herausgekommen aber sei „ein wunderbares 126-Seiten-Papier“, lobte Wolf | |
| auch die Partner und Kontrahenten der künftigen Koalition. „Wir mussten | |
| eine Zumutung sein“, räumte Ko-Vorsitzender Steffen Schütz ein. | |
| ## Handy-Verbot und Abschiebungen | |
| Nicht triumphierend, aber häufig lächelnd benannte der nunmehr [3][als | |
| Favorit für die Ministerpräsidentenwahl geltende CDU-Fraktionschef Mario | |
| Voigt] Schwerpunkte des Vertrages. In der Gesundheitsversorgung soll | |
| Thüringen das „20-Minuten-Land“ bleiben oder werden, also mit kurzen Wegen | |
| zum Arzt oder ins Krankenhaus. Wie das mit der am Freitag im Bundesrat | |
| angenommenen Krankenhausreform Karl Lauterbachs zu vereinbaren ist, sagte | |
| Voigt nicht. | |
| Bildung ist ein Premium-Thema der CDU. Ab Klasse Sechs soll es wieder | |
| jährliche Versetzungsentscheidungen geben, vor der Einschulung einen | |
| Sprachtest und an Grundschulen werden Handys verboten. Und natürlich sollen | |
| Lehrer geworben werden. Migrationszahlen sollen unter anderem durch eine | |
| zentrale Ausländerbehörde gesenkt werden. Mehr Aufnahmeplätzen steht ein | |
| konsequenterer Abschiebewille gegenüber. | |
| Weniger Bürokratie soll die Wirtschaft stimulieren. Dem BSW ist neben der | |
| Friedensfrage der Alltag der Bürger generell am wichtigsten. | |
| Friedensbildung, ja Friedenserziehung in der Schule und Friedensforschung | |
| hat das BSW in den Vertrag hineinverhandelt. Die SPD liegt bei sozialen | |
| Problemen nicht weit entfernt, will „Stimme derer sein, die keine Lobby | |
| haben“, so Georg Maier. | |
| Die Fachressorts sind bislang nur quantitativ, aber nicht nach Zuschnitt | |
| und Personalien verteilt: vier Ministerien für die Union, drei für das BSW, | |
| zwei für die SPD. Dem Vertrag soll der erweiterte Landesvorstand der CDU | |
| bald zustimmen, die SPD beginnt ihre zweiwöchige Mitgliederbefragung am | |
| bevorstehenden Montag. Das BSW will seinen mit Spannung erwarteten | |
| Landesparteitag am 7.Dezember abhalten. Ein Termin für die | |
| Ministerpräsidentenwahl wurde noch nicht genannt. | |
| Kandidat Mario Voigt beschwor auffallend oft das Zusammenwirken und einen | |
| Aufbruchsgeist des Handelns statt defätistischer Meckerei. „Hier gelingt | |
| etwas“, appellierte er. Auf dass erfüllt werde, was die Präambel des | |
| Regierungsvertrages für Thüringen prophezeit: „Ein Land der Hoffnung und | |
| des Zusammenhalts.“ | |
| 22 Nov 2024 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Koalitionssuche-in-Sachsen/!6049451 | |
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| ## AUTOREN | |
| Michael Bartsch | |
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