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# taz.de -- AfD bei Wahlen in Brandenburg: Rechtsextreme werden knapp Zweite
> Rechtsextrem und normalisiert: Die AfD kommt bei der Wahl in Brandenburg
> auf 29,2 Prozent. Trotz des zweiten Platzes ist es ein Erfolg für die
> Partei.
Bild: Brandenburgs AfD-Spitzenkandidat Hans-Christoph Berndt ganz eng mit Thür…
Potsdam taz | Ein Raunen geht durch die AfD-Wahlparty in Potsdam, als am
Abend der Landtagswahl die ersten Prognosen angezeigt wurden: Die SPD bei
32 Prozent. Beim AfD-Ergebnis bleibt der Jubel dann etwas verhalten: 29
Prozent. Richtig laut jubiliert wird nur, als das schlechte Ergebnis der
Grünen eingeblendet wird. Ob sie es in den Landtag schaffen ist bis
Redaktionsschluss unklar.
AfD-Spitzenkandidat Hans-Christoph Berndt erklärt die AfD kurzerhand
trotzdem zum Sieger, sagt aber durchaus etwas zerknirscht: „Die nationale
Front der BRD steht und wir sind fast gleich stark.“ Die AfD Brandenburg
hatte sich durchaus mehr versprochen, das ist spürbar. Keine fünf Minuten
später tanzen rechtsextreme Aktivist*innen der Jungen Alternative
Brandenburg zu KI-generierten rassistischen Songs, in denen massenhafte
Abschiebung und eine Festung Europa gefordert wird.
Die ZDF-Hochrechnung um 19:21 Uhr bestätigt den Trend: Die AfD liegt mit
29,5 Prozent hinter der SPD mit 31,3. 2019 war die AfD Brandenburg noch auf
23,5 Prozent gekommen. Auch wenn es also ein Rekordergebnis in Brandenburg
ist, ist der zweite Platz hinter der SPD offenbar eine empfindliche
psychologische Niederlage. Deutlich angefressen wirkt Landesvorstand René
Springer wenig später. Einem Parteifreund teilt er am Tresen resigniert
mit: „Brandenburg halt.“ Fragen der taz will er danach nicht beantworten.
Weil am Ende [1][die Grünen es nicht wieder in den Landtag schaffen],
erreicht die AfD in Brandenburg wie zuletzt [2][in Thüringen (32,8 Prozent)
sogar die sogenannte Sperrminorität] im Landtag. Damit kann die extrem
rechte Partei zahlreiche wichtige demokratische Prozesse wie etwa
Verfassungsänderungen blockieren. Auf der Wahlparty hofften die
Rechtsextremen am Sonntagabend bereits auf diese Sperrminorität. Aus
Parteikreisen ist zu hören, dass man die Blockademacht einsetzen wolle, um
die Brandmauer abzureißen.
In Sachsen kam die AfD am 1. September auf 30,1 Prozent und verpasste die
Sperrminorität nur um einen Abgeordneten. Die drei Landtagswahlen im
September 2024 sind damit der erfolgreichste Monat in der Geschichte der
AfD und werden voraussichtlich als tiefer Einschnitt und Erschütterung der
bundesrepublikanischen Demokratie in die Geschichte eingehen. Für die
Rechtsextremen ist es eine weitere Etappe auf dem Weg zur Normalisierung.
Koalieren will mit der extrem rechten Partei trotz ihres Ergebnisses keine
andere Partei im Potsdamer Landtag. Ein Machtfaktor ist die AfD allerdings
schon längst, auch ohne Regierungsbeteiligung. Als gesellschaftlich
spürbare Stimmung, die sich auch in den Zahlen der extrem rechten
Straftaten niederschlägt, aber auch als Treiber der etablierten Parteien,
die viele harte Migrations-Forderungen der AfD übernommen hatten. Das
Brandenburger Wahlergebnis bestätigt einmal mehr die bekannte
politikwissenschaftliche Binse über den Versuch, Wähler*innen extrem
rechter Parteien durch rechte Politik zurückzugewinnen: [3][Am Ende
profitiert das Original].
## Höcke in Cottbus
Auch aufgrund des gesellschaftlichen Rechtsrucks konnte die AfD ihr
Wählerpotential nahezu ausreizen und sogar ausweiten. Gerade [4][in jungen
Wählerschichten] gewann die extrem rechte Partei überdurchschnittlich stark
hinzu – wie auch zuletzt in Sachsen und Thüringen. Der Großteil der
Stammwählerschaft wählt dabei die Rechtsextremen nicht aus Protest, sondern
wegen ihres rechtsradikalen Programms und ihrer rassistischen Hetze.
Mobilisiert haben dürfte die AfD auch mit ihrer Inszenierung als
vermeintliche „Friedenspartei“, wobei ihre prorussische Agenda im
Ukrainekrieg und ihr Antiamerikanismus immer wieder [5][in Desinformationen
für den Kreml mündet].
Auf Wahlkampfveranstaltungen verschmolz die AfD Brandenburg regelrecht mit
einem neonazistischen Vorfeld. Beim Auftritt [6][des Rechtsextremisten
Björn Höcke] in Cottbus letzten Donnerstag waren zahlreiche Neonazis vor
Ort. Ins Auge stachen dabei auch viele Jugendliche, die Höcke nach seiner
Rede in einer Traube regelrecht belagerten, um Selfies zu machen und dabei
die Melodie des zur „Ausländer-Raus“-Hymne umfunktionierten
Kirmes-Techno-Hit von Gigi D’Agostino, „L’Amours tojours“, anstimmten.
Selbst offene NS-Bezüge sind bei der AfD kein Problem: So trug ein
Jugendlicher beim Selfie machen mit Höcke ein Shirt mit der Aufschrift
„Blitzkrieg“ vor einer Schwarzen Sonne, einem unter anderem von der SS
verwendeten Symbol. Ebenso gab es eine Vielzahl breitbeinig auftretender
älterer Männer, teils mit Hooligan-Modemarken wie Label 23 oder gleich
einem Pullover mit einem Landser-Motiv und dem Schriftzug „Deutsche Wut“ in
altdeutschen Lettern.
Auf der Bühne schwärmt Höcke von der ethnischen Homogenität der DDR. Er
forderte das Publikum auf, nichts zu glauben, was in den Geschichtsbüchern
steht, sowie die Verhaftung von Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD)
wegen der „Plandemie“. Ebenso wenig durfte mit erfundenen Zahlen unterlegte
Hetze gegen Geflüchtete fehlen.
## Waffen als Wahlwerbung
Auch für den AfD-Spitzenkandidaten Christoph Berndt, der in der Region um
Cottbus schon vor seinem Eintritt in die AfD 2018 einem
flüchtlingsfeindlichen Verein angehörte, waren Auftritte wie in Cottbus ein
Heimspiel. Seine Partei forderte im Wahlkampf ein Betretungsverbot
öffentlicher Veranstaltungen für Asylbewerber, eine privatwirtschaftliche
Abschiebeindustrie und die Zerschlagung zivilgesellschaftlicher Initiativen
sowie die Bekämpfung des „Parteienstaats“.
Die Landtagskandidatin Lena Kotré verteilte im Wahlkampf [7][sogar Kubotans
mit der Aufschrift „Seid Wehrhaft!“]. Das sind Hieb- und Stichwerkzeuge,
die in einigen Ländern verboten, in Deutschland aber erlaubt sind. Beim
Wahlkampfabschluss am Samstagnachmittag in der Stadt Brandenburg ließ sie
sich von einem Neonazi begleiten, der die Waffen aus einer Brusttasche mit
der Aufschrift „Unbeugsam“ verteilte. Auch Spitzenkandidat Berndt lief mit
einem solchen Kubotan über das AfD-„Sommerfest“ mit Hüpfburg,
Kinderschminken, einem Stand des rechtsextremen Magazins Compact und
natürlich Wurst und Bier.
Der Landesverband Brandenburg ist fast seit seiner Gründung stark
völkisch-nationalistisch dominiert. Die jüngsten Wahlerfolge dürften nicht
zuletzt den Radikalkurs der Gesamt-AfD stärken. In Brandenburg war die
völkische Strömung unter der schützenden Hand des Ehrenvorsitzenden
Alexander Gauland schon lange Mainstream und einer der maßgeblichen Treiber
der Radikalisierung auch der Bundes-AfD.
## Vor allem destruktiv
Der ehemalige Brandenburger Obmann des völkischen Flügels, Andreas Kalbitz,
wurde nach seinem AfD-Rausschmiss und diverser auch gewalttätiger
innerparteilicher Exzesse und persönlicher Grabenkämpfe [8][nicht mehr
aufgestellt und wird kein Mitglied des neuen Landtags sein]. Das ist ein
schwacher Trost: Das nun dominierende Lager um den Landesvorsitzenden René
Springer und Spitzenkandidat Berndt ist mitnichten weniger radikal.
Um eine Regierungsübernahme geht es der AfD nicht. Ihr Ziel ist es, weiter
demokratische Prozesse zu blockieren, die etablierten Parteien vorzuführen
und Diskurse zu bestimmen – um so langfristig die Brandmauer einzureißen
und den Staat autoritär umzubauen. Die nächsten Normalisierungsetappen
sollen für die nazifizierte AfD die Bundestagswahl im nächsten Jahr sowie
die Landtagswahl in Sachsen-Anhalt 2026 werden. Als Fernziel für eine
Regierungsbeteiligung gilt in der Partei das Superwahljahr 2029, wenn auch
in Brandenburg erneut gewählt wird.
22 Sep 2024
## LINKS
[1] /Wahlniederlage-der-Gruenen-in-Brandenburg/!6038023
[2] /Wahlen-in-Thueringen-und-Sachsen/!6033627
[3] /Politologe-ueber-Migrationspolitik/!5989700
[4] /Junge-Waehlerinnen-im-Osten/!6035989
[5] /Korruptions--und-Spionage-Affaeren-bei-der-AfD/!6004826
[6] /Rechtsextreme-im-Landtag/!6031132
[7] /Wahlkampf-der-AfD-Brandenburg/!6034280
[8] /Ehemaliger-Brandenburger-AfD-Chef/!6020102
## AUTOREN
Gareth Joswig
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