# taz.de -- Bewegungstermine in Berlin: Feuer auf beiden Seiten der Mauer | |
> Längst brennt es auf beiden Seiten der Brandmauer lichterloh. Wie nach | |
> der Wahl in Brandenburg der Rechtsruck ganzheitlich bekämpft werden kann. | |
Bild: Nochmal alles gutgegangen in Brandenburg? Wohl kaum | |
Manche gaben sich erleichtert: Die AfD ist in den Brandenburger | |
Landtagswahlen nur zweitstärkste Kraft geworden. In einem Kraftakt ist es | |
der SPD – unterstützt von Wähler:innen anderer demokratischer Parteien – | |
noch einmal gerade so gelungen, den Vorsprung der Rechtsextremen | |
aufzuholen. Doch ist Erleichterung wirklich eine angemessene Reaktion auf | |
eine Situation, in der die Zustimmung zu faschistischer Politik immer | |
weiter wächst? Hat in Brandenburg die Brandmauer wirklich gehalten? | |
Natürlich nicht. Und das ist auch kein Wunder. Die sogenannte Brandmauer | |
kann das faschistische Feuer überhaupt nicht mehr aufhalten, weil es längst | |
auf beiden Seiten lichterloh brennt. Schuld sind Brandstifter: | |
Politiker:innen der meisten bürgerlichen Parteien haben das Feuer über | |
den Schutzwall getragen, in der irren Hoffnung, sie könnten aus dem | |
grassierenden Fremdenhass noch kurzfristig politisches Kapital schlagen. | |
So wurde während des Brandenburger Wahlkampfs vor allem über ein Thema | |
gesprochen: Migration. SPD-Spitzenkandidat Dietmar Woidke [1][wetterte | |
gegen irregulär eingereiste Asylsuchende], der CDU-Innenminister Michael | |
Stübgen wollte gleich [2][das Asylrecht abschaffen]. Soziale Missstände | |
fanden wenig Beachtung, wenn sie nicht auf „die Ausländer“ geschoben | |
wurden. Es ist eine historische Dummheit bürgerlicher Politik, faschistoide | |
AfD-Positionen zu legitimieren und normalisieren – um sich dann zu wundern, | |
warum die AfD immer weiter wächst. | |
In dieser Situation reicht es nicht, „nur“ gegen die AfD zu kämpfen. Bevor | |
sich diesem Feuersturm zugewendet werden kann, müssen zunächst einmal die | |
Brände auf der eigentlich demokratischen Seite der Brandmauer gelöscht | |
werden. Dazu gilt es aber anzuerkennen, dass für die Zustände, in denen die | |
AfD gedeiht, wesentlich mehr Menschen verantwortlich sind, als die Partei | |
Mitglieder:innen hat. | |
## Menschenrechte sind mehr als eine Phrase | |
Beispiel europäische Außengrenzen: Warum sollen sich Hinz und Kunz im | |
Brandenburger Kleingarten noch für rassistische Stereotype schämen, wenn | |
die gesamte Abschottungspolitik der europäischen Institutionen auf | |
Menschenverachtung aufbaut? Seit 2014 sind [3][über 30.000 Geflüchtete im | |
Mittelmeer ertrunken]. Jede auf dem Meeresgrund verweste Leiche ist eine | |
moralische Bankrotterklärung der EU. Wer deshalb will, dass die Leute in | |
Menschenrechten wieder mehr als eine Phrase erkennen können, muss deshalb: | |
Frontex den Kampf ansagen. | |
Am 26. Oktober wird die europäische Grenzschutzagentur 20 Jahre alt. Das | |
Netzwerk [4][Abolish Frontex] sagt dazu: Das sind genau 20 Jahre zu viel. | |
In einer Aktionswoche vom 30. September bis zum 6. Oktober soll deshalb die | |
Wut über die andauernde Grenzgewalt auf die Straße getragen werden – mit | |
dem Höhepunkt [5][einer Demonstration], die am Donnerstag, den 3. Oktober, | |
um 14 Uhr am Potsdamer Platz stattfinden wird. | |
Bereits im Vorfeld findet am Donnerstag (26. 9., 19 Uhr) im Aquarium am | |
Kottbusser Tor (Skalitzer Str. 6) eine [6][Informations- und | |
Diskussionsveranstaltung] über die Institution Frontex statt, die seit der | |
Gründung 2004 ihr Treiben immer weiter ausgeweitet hat. Aktivist:innen | |
von [7][Alarmphone] – einer Hotline für Flüchtende in Seenot – werden dab… | |
über die Konfrontation mit Frontex und anderen europäischen „Küstenwachen�… | |
berichten. Am Sonntag (29. 9., ab 12 Uhr) können im New Yorck im Bethanien | |
(Mariannenplatz 2a) [8][gemeinsam Banner für die Demo gemalt werden]. | |
## Körperliche Selbstbestimmung gegen rechts | |
Ein weiterer Brandherd, der im Kampf gegen den Faschismus dringend gelöscht | |
gehört, sind die rechten Angriffe auf das Recht auf körperliche | |
Selbstbestimmung. Auch Konservative mischen hier gerne mal mit – und | |
arbeiten dafür auch mit christlichen Fundamentalist:innen und Rechten | |
aller Couleur zusammen. Statt aber die Verfügungsfantasien über | |
Frauen*körper sogar noch zu befeuern, muss das antifaschistische | |
Sturmfestmachen des demokratischen Staates bedeuten: Endlich dem Staat | |
verbieten, in die körperliche Autonomie von Menschen einzugreifen. | |
Seit 1871 werden Schwangerschaftsabbrüche nun kriminalisiert, das sind über | |
150 Jahre. Um diesen Zustand endlich zu beenden, wollen Menschen zum | |
[9][Tag der sicheren Abtreibung] am Samstag, den 28. September, auf | |
[10][einer Kundgebung] protestieren. Los geht es um 14 Uhr am | |
Zionskirchplatz in Mitte. | |
## Antifa heißt Erinnerungskultur | |
Was noch für einen jeden erfolgreichen Antifaschismus elementar ist? Eine | |
kritische Erinnerungskultur, die sich der Verbrechen des deutschen | |
Faschismus bewusst ist. Das ist – entgegen der typischen deutschen | |
Selbstbeweihräucherung – in diesem Land keineswegs gegeben. Denn zum | |
Beispiel könnte mensch meinen, Mindeststandard für eine solche | |
Erinnerungskultur wäre, dass etwa das Mahnmal für die im | |
Nationalsozialismus ermordeten Rom*nja und Sinti*zze nicht gefährdet | |
werden darf, nur weil der Senat unbedingt eine Berliner S-Bahn-Linie | |
durchboxen will. | |
Genau das droht aber. Der erst 2012 nach Jahrzehnten der Leugnung des | |
Genozids an Rom*nja und Sinti*zze eingeweihte Gedenkort droht | |
ausgerechnet durch ein Projekt der Deutschen Bahn beeinträchtigt zu werden, | |
der Vorgängerorganisation der in den Porajmos involvierten Deutschen | |
Reichsbahn. Antifa heißt deshalb auch, [11][zur Kundgebung zu kommen], die | |
sich für den Schutz des Mahnmals einsetzt (Samstag, 28. September, | |
Potsdamer Platz, 18 Uhr). | |
Und wer nach all dem immer noch keine Idee hat, wie er:sie sich | |
antifaschistisch engagieren kann, darf sich zunächst einmal von Antifas | |
vorhergehender Generationen inspirieren lassen. Der Film [12][Antifa – | |
Schulter an Schulter, wo der Staat versagte] befasst sich mit den Kämpfen | |
einiger Antifas in den als Baseballschlägerjahren bekannten 1990ern. Der | |
Film wird [13][im JUP in Pankow] (Florastr. 84) am Donnerstag (26. 9., 19 | |
Uhr) gezeigt. Anschließend soll diskutiert werden – wohl auch über die | |
Bedeutung von Antifakämpfen dies- und jenseits der Brandmauer. | |
25 Sep 2024 | |
## LINKS | |
[1] /Dietmar-Woidke-vor-der-Landtagswahl/!6036291 | |
[2] https://www.tagesschau.de/inland/innenpolitik/abschaffung-asylrecht-stuebge… | |
[3] https://de.statista.com/statistik/daten/studie/892249/umfrage/im-mittelmeer… | |
[4] https://www.instagram.com/abolishfrontex/ | |
[5] https://www.instagram.com/p/C_552S0MnGy/ | |
[6] https://www.instagram.com/p/C_47KbCs61H/ | |
[7] https://alarmphone.org/de/ueber-uns/ | |
[8] https://www.instagram.com/abolishfrontex/p/DANl1-ns7pc/ | |
[9] https://www.amnesty.de/informieren/aktuell/safe-abortion-day-sicherer-zugan… | |
[10] https://stressfaktor.squat.net/node/307600 | |
[11] https://stressfaktor.squat.net/node/307648 | |
[12] /Antifa-Film-von-Leftvision/!6029660 | |
[13] https://stressfaktor.squat.net/node/307612 | |
## AUTOREN | |
Timm Kühn | |
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