| # taz.de -- Nach der Landtagswahl in Brandenburg: Im Alltag gegen 30 Prozent AfD | |
| > Wissenschaftler-Vereine fordern nach der Wahl die Sicherung | |
| > demokratischer Initiativen. Rechte Normalisierung äußere sich in Gewalt, | |
| > sagen sie. | |
| Bild: Lieber Schwarz-Grün als Braun: Demo gegen die Faschisten in Potsdam | |
| Berlin taz | Judith Porath vom Verein Opferperspektive weiß genau, was es | |
| konkret im Alltagsleben vieler Brandenburger*innen bedeutet, wenn fast | |
| 30 Prozent die extrem rechte AfD wählen. Da ist allein in jüngster Zeit der | |
| [1][Angriff auf einen Besucher eines Feuerwehrfestes in Golm] – „der allein | |
| wegen eines Kopfschüttelns über die Parole ‚Deutschland den Deutschen‘ se… | |
| schwer verletzt wurde.“ Da ist der [2][Angriff auf einen 16-jährigen Syrer | |
| mit einer Eisenstange] und die Attacke auf einen Mann in der Prignitz, „der | |
| vor den Augen seiner Kinder zusammengeschlagen wurde, nachdem er von den | |
| Tätern gefragt wurde, ob er aus Berlin komme und doch sicher CDU oder SPD | |
| wähle“. | |
| Die Sprecherin der Opferperspektive berichtet am Dienstag im Brandenburg | |
| Museum unweit des Potsdamer Landtags über ausufernde rechte Gewalt, wie | |
| Hass und Hetze schon jetzt den Alltag im Bundesland bestimmen und dass die | |
| AfD ihren Verein, der sich um Opfer rechter Gewalt kümmert, am liebsten | |
| „zerschlagen“ will. Bei der Landtagswahl letzten Sonntag hat die SPD nur | |
| knapp vor der AfD gewonnen. Die Rechtsextremen haben sogar eine | |
| Sperrminorität inne und wollen damit Zugeständnisse erpressen. | |
| Angesichts dessen haben Porath und andere Expert*innen am Dienstag | |
| bessere Konzepte gegen das Erstarken des Rechtsextremismus und eine feste | |
| Zusage zur Sicherung zivilgesellschaftlicher Vereine durch die neue | |
| Landesregierung gefordert. Schutz vor Diskriminierung und rechter Gewalt | |
| müsse jetzt erst recht höchste Priorität haben, so der Tenor. | |
| „Hohe Zustimmungswerte zur AfD bei Kommunal- und Landtagswahlen haben zur | |
| Normalisierung von Rassismus, Antisemitismus und Minderheitenfeindlichkeit | |
| im öffentlichen Diskurs geführt und die Hemmschwelle für Gewalt gesenkt“, | |
| sagt Porath, „rechte Schläger fühlen sich bestärkt, die menschenverachtende | |
| Hetze der AfD in die Tat umzusetzen“. | |
| ## „Nach Machtübernahme hängen“ | |
| Bedrohte Menschen berichteten gar von Gedanken, Brandenburg oder | |
| Deutschland gleich ganz zu verlassen. Im Wahlkampf seien auch viele | |
| Helfer*innen von CDU bis Linke von immer jüngeren und selbstbewusster | |
| auftretenden Tätern attackiert worden: „Die meisten gaben sich als | |
| AfD-Unterstützer zu erkennen und drohten, dass die Attackierten nach | |
| Machtübernahme am nächsten Laternenpfahl hängen oder wie Zecken zertreten | |
| würden“, berichtet Porath. | |
| Demgegenüber habe die Zivilgesellschaft in den vergangenen Monaten und | |
| Wochen in Brandenburg mit einer Vielzahl von Festen, Veranstaltungen und | |
| Demos gezeigt, wie lebendig sie sei, sagt Maica Vierkant vom | |
| „Aktionsbündnis Brandenburg“, die insgesamt 100 Organisationen und Verbän… | |
| gegen Gewalt, Rechtsextremismus und Rassismus vertritt. | |
| „Wir sind füreinander da und werden das auch in Zukunft sein“, sagt | |
| Vierkant. Man brauche dabei aber einen langen Atem, verlässliche Partner | |
| und eine Stärkung der Zivilgesellschaft. Sie forderte, dass Hass und Hetze | |
| in den Parlamenten niemals den Ton angeben dürften und dass es „keine | |
| Zusammenarbeit, keine Ämter und keine Stimme für Rechtsextreme“ geben | |
| dürfe. | |
| Axel Drecoll, der Direktor der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten und | |
| Leiter der KZ-Gedenkstätte Sachsenhausen, will nun die Zusammenarbeit mit | |
| zivilgesellschaftlichen Initiativen stärken und institutionalisieren. Die | |
| Gedenkstätten seien schon qua ihrer Satzung verpflichtet, mit | |
| Opferverbänden und Initiativen zusammenzuarbeiten, die derzeit akut bedroht | |
| würden. | |
| Auch Drecoll blicke mit Sorge auf die Wahlergebnisse der AfD, deren | |
| revisionistischer Blick auf Geschichte dem „diametral entgegenlaufe, was | |
| wir als gegenwartsbezogene Geschichtsaufarbeitung bezeichnen“, so Drecoll. | |
| Auch deswegen wolle man nun stärker in Aktion treten und selbstkritisch | |
| nach geeigneten Formaten suchen, um mehr Menschen in der Fläche besser zu | |
| erreichen. | |
| ## Die Verantwortung der demokratischen Parteien | |
| Der Rechtsextremismus-Forscher Gideon Botsch kritisierte in seiner | |
| Wahlanalyse vor allem die demokratischen Parteien: Die AfD habe derartige | |
| Zugewinne nur erreichen können, weil ihre Themen diese Wahl bestimmt haben. | |
| Die demokratischen Parteien hätten dies zugelassen. Ebenfalls ging er auf | |
| die Wählerwanderung ein: Nach aktivierten Nichtwähler*innen habe die | |
| AfD am zweitmeisten Stimmen von der CDU gewonnen. „Die Strategie der Union, | |
| die AfD mit einem scharfen, rechtspopulistischen Wahlkampf zu überflügeln | |
| und sich aus der Regierungsverantwortung heraus als Opposition zu | |
| inszenieren, ist nicht aufgegangen.“ | |
| Wohl mit Blick auf die insgesamt positive wirtschaftliche Lage Brandenburgs | |
| sagt Botsch, dass sich die bisherige Empirie bestätige: Es gebe keinen | |
| kausalen Zusammenhang zwischen wirtschaftlicher Gesamtlage und | |
| Rechtswahltrend. „Eine politische Strategie, die hofft, der AfD mit | |
| Verbesserung der wirtschaftlichen Kennziffern zu begegnen, wird nicht | |
| ausreichen.“ Die demokratischen Parteien in Berlin, aber auch in Potsdam | |
| hätten sich zu wenig klargemacht, dass sich eine „fundamentale Bedrohung | |
| der Demokratie“ anbahne und sich nicht ausreichend vorbereitet. Botsch | |
| forderte: „Es bedarf einer strategischen Neuorientierung demokratischer | |
| Politik, und zwar jetzt.“ | |
| Die Aufgabe demokratischer Parteien sei nun, die Zivilgesellschaft als eine | |
| Ressource einzubinden. Das seien aber nicht nur Vereine und Initiativen, | |
| sondern auch zahlreiche kommunale Wahlbündnisse. Diese müssten in die | |
| Politik überführt werden. | |
| 24 Sep 2024 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://www.maz-online.de/lokales/potsdam/l-amour-toujours-loest-rechten-ue… | |
| [2] https://www.opferperspektive.de/such-ergebnisse-chronologie | |
| ## AUTOREN | |
| Gareth Joswig | |
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