# taz.de -- Schwarz-Rot in der Krise: Der Brosius-Gersdorf-Rückzug löst die P… | |
> Der Schritt der Juristin ist Symptom, nicht Lösung der Koalitionskrise. | |
> Ist die Union nicht zu einem Strategiewandel bereit, stehen düstere | |
> Zeiten an. | |
Bild: Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) braucht eine Strategie im Umgang mit d… | |
In Berlin geht nach dem Parlament jetzt auch das Kabinett in die | |
Sommerpause, laut Plan bis Ende August. Man kann nur hoffen, dass sich die | |
Koalition in den Ferien etwas besinnt. Noch nicht einmal hundert Tage im | |
Amt erinnert der Zustand der Bundesregierung schon gefährlich an jenen der | |
Ampel – im letzten Drittel vor ihrem Bruch. Von Beginn an war das | |
Misstrauen groß, ganz besonders in den beiden Fraktionen. Besser geworden | |
ist es seitdem nicht. Dabei hatte Bundeskanzler Friedrich Merz noch vor | |
Amtsantritt getönt, unter seiner Führung werde alles anders laufen, | |
öffentlichen Streit werde er verhindern. Aber starke Worte sind nun einmal | |
leichter als gute Politik und tragfähige Lösungen. | |
Nun denken manche in der Union, mit dem [1][Rückzug von Frauke | |
Brosius-Gersdor] von ihrer Kandidatur für das Bundesverfassungsgericht sei | |
zumindest ein Problem vom Tisch – und man könne nun etwas beruhigter in die | |
Sommerferien gehen. Einige meinen sogar, sie hätten einen Sieg | |
davongetragen. Dabei hat die Causa Brosius-Gersdorf nicht nur das | |
Parlament, das Bundesverfassungsgericht und damit die demokratischen | |
Institutionen beschädigt, sie hat auch der CDU schweren Schaden zugefügt. | |
Ihre Abgeordneten sind mit wehenden Fahnen in die Falle der rechtsradikalen | |
Kulturkämpfer gerannt und haben die Mitte preisgegeben, in der die | |
Koalition eigentlich stehen sollte. | |
Die CDU hat in den vergangenen Wochen auf den Rückzug der Kandidatin | |
spekuliert. Ihr eigenes Einlenken wäre angemessener gewesen, um den | |
verursachten Schaden zumindest wieder ein bisschen zusammenzuflicken. Eine | |
Reparatur ist ohnehin ausgeschlossen. | |
Es geht dabei nicht nur um das Versagen von Fraktionschef Jens Spahn, der | |
die nötige Mehrheit in den eigenen Reihen nicht zusammenbekam; das wurde zu | |
Recht scharf kritisiert. Das Problem aber liegt viel tiefer: Der CDU fehlt | |
es an einer Strategie im Umgang mit der AfD und radikal rechten Kampagnen. | |
## Genau nach Wunsch der radikalen Rechten | |
Die CDU-Spitze hat eine erhitzte und emotionalisierte Debatte zugelassen, | |
mit viel Stimmung, Halb- und Unwahrheiten sowie persönlicher Diffamierung | |
der Kandidatin. Angefeuert nicht nur von einer Kampagne rechter Portale wie | |
Nius, von Lebensschützern und der AfD, sondern auch von Vertreter*innen | |
aus der CDU selbst und der katholischen Kirche. Das hat gehörig Druck | |
entfaltet und einen Teil der Abgeordneten stark verunsichert. Manche sind | |
aus Überzeugung, andere aus Naivität oder Panik umgekippt – [2][so, wie | |
radikal Rechte sich das wünschen.] | |
Nötig gewesen wäre jedoch eine sachliche Diskussion und das Aufdröseln | |
komplizierter Fragen: zu Frauke Brosius-Gersdorf, zu ihren politischen | |
Positionen und ihrem verfassungsrechtlichen Werk, zum Rollenwechsel von | |
einer Staatsrechtsprofessorin zu einer Richterin am | |
Bundesverfassungsgericht. Auch wirkliche Überzeugungsarbeit in der Fraktion | |
hätte es dringend gebraucht. | |
Nun kann man von CDU-Abgeordneten, die gerne Werte wie | |
Verantwortungsbewusstsein und Anstand für sich reklamieren, eigentlich | |
erwarten, dass sie klaren Kopfes und auf Basis von Fakten entscheiden und | |
dabei auch das große Ganze im Blick haben. Das angerichtete Desaster führt | |
hoffentlich dazu, dass sich ein großer Teil von ihnen besinnt. | |
Auf jeden Fall aber sollte die CDU-Spitze, die allzu häufig die | |
schwarz-rote Regierung als letzte Chance für die Demokratie beschwört, das | |
Drehbuch der radikal Rechten kennen. Sie sollte wissen, wie das Thema | |
Abtreibung einen Teil ihrer Abgeordneten und Anhänger*innen triggert, | |
dass es deshalb von AfD und Co als wichtiges Scharnier gesehen und als | |
Einfallstor genutzt wird. Als wäre all das nicht an vielen Orten der Welt | |
zu besichtigen, ganz besonders klar in den USA. Aber was macht die CDU? Sie | |
stolpert planlos ins Desaster. Bleibt es dabei, dass Merz zwar manchmal | |
klare Worte spricht, sich die CDU-Spitze aber einer Strategiediskussion auf | |
der Höhe der Zeit verweigert, sind das düstere Aussichten für die kommenden | |
Jahre. | |
## Die SPD muss standhaft bleiben | |
In der SPD dürfte der Rückzug von Brosius-Gersdorf [3][eine gewisse | |
Erleichterung auslösen]. Ein anderer Ausweg war nicht in Sicht, die | |
Sozialdemokrat*innen aber können sich weiterhin loben, standhaft | |
geblieben zu sein. Meinen sie es ernst – und darauf muss man hoffen –, | |
müssen sie erneut eine Frau mit klaren Positionen nominieren, auch zum | |
Thema Abtreibung. Und die Union sollte dafür sorgen, dass dieses Mal die | |
Mehrheit steht. Allen muss klar sein: Es braucht jetzt ein klares | |
Stoppzeichen. | |
Sonst wird auch das gegenseitige Misstrauen nicht schwinden. Denn aus Sicht | |
der SPD schwingt immer die Sorge mit, die Union könnte gemeinsame Sache mit | |
der AfD machen. Für weitere dreieinhalb Jahre in der Koalition ist das | |
keine gute Grundlage. | |
9 Aug 2025 | |
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## AUTOREN | |
Sabine am Orde | |
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