| # taz.de -- Welle rechter Gewalt: Neonazis im Aufwind | |
| > Am Wochenende gab es in Berlin und Brandenburg mehrere rechtsradikale | |
| > Vorfälle. Die Beratungsstelle Opferperspektive warnt vor einer neuen, | |
| > jungen Neonazi-Szene. | |
| Bild: Die Unterkunft für Geflüchtete in Stahnsdorf wurde am Wochenende angegr… | |
| Berlin taz | In Brandenburg häufen sich in den vergangenen Tagen | |
| rechtsextreme Vorfälle. So hat in der Nacht von Freitag auf Samstag eine | |
| Gruppe junger Männer in Stahnsdorf im Landkreis Potsdam-Mittelmark [1][eine | |
| Gemeinschaftsunterkunft für rund 300 Geflüchtete angegriffen]. Dabei soll | |
| ein Sicherheitsmitarbeiter, der sich ihnen in den Weg gestellt haben soll, | |
| verletzt und ins Krankenhaus gebracht worden sein. Auch Bewohner*innen | |
| der Unterkunft sollen attackiert worden sein. Die Staatsanwaltschaft | |
| Potsdam ermittelt gegen drei Tatverdächtige unter anderem wegen des | |
| Verdachts der gefährlichen Körperverletzung. | |
| Eine Anwohnerin berichtet der taz, eine Gruppe von sechs oder sieben | |
| Personen sei gegen 0.45 Uhr in der Nacht zu Samstag durch die Stahnsdorfer | |
| Straße in der Nähe der Unterkunft gelaufen und habe lautstark rechte | |
| Parolen skandiert, unter anderem „Heil Hitler“. Wenig später attackierte | |
| mutmaßlich dieselbe Gruppe das Geflüchtetenheim. Die Angreifer hätten | |
| zunächst versucht, durch eine gesicherte Brandschutztür am Hintereingang | |
| ins Gebäude zu gelangen, erzählen Zeug*innen. Als ihnen dies nicht gelang, | |
| hätten sie das Fenster eines Badezimmers mit einer Flasche eingeworfen. | |
| Die hinzugerufene Polizei war mit einem Großaufgebot vor Ort. Es seien | |
| Spürhunde und auch ein Helikopter eingesetzt worden, sagt die Anwohnerin. | |
| Kurz darauf wurden in der Nähe der Unterkunft drei Tatverdächtige | |
| festgenommen. Sie seien bislang nicht im Bereich Rechtsextremismus | |
| polizeilich in Erscheinung getreten, heißt es. Weitere Auskünfte wollte die | |
| Staatsanwaltschaft mit Verweis auf die laufenden Ermittlungen nicht | |
| erteilen. | |
| Der Bürgermeister der Gemeinde, Bernd Albers, verurteilte den gewalttätigen | |
| Übergriff als „niederträchtig und feige“. „Es ist erschütternd. Wir si… | |
| eine sehr weltoffene Gemeinde“, sagte Albers der taz. Bislang habe es in | |
| Stahnsdorf keine rechten Umtriebe gegeben, „das überrascht uns“. Mit Blick | |
| auf weitere rechtsextreme Vorfälle in der Region vermutet er „ein | |
| überregional koordiniertes Vorgehen“: „Die zeitliche Abfolge ist | |
| auffällig“, so der Bürgermeister von der Wählergruppe Bürger für Bürger. | |
| ## Rechtsstaat muss klare Grenzen zeigen | |
| In Dahlwitz-Hoppegarten und in Ahrensfelde ermittelt der polizeiliche | |
| Staatsschutz nach Hakenkreuz-Schmierereien ebenfalls am vergangenen | |
| Wochenende. Auch in Fredersdorf-Vogelsdorf führt der Staatsschutz die | |
| Ermittlungen, nachdem eine Gruppe zu dem Lied „L’amour toujours“ | |
| volksverhetzende Parolen gerufen haben soll. | |
| In den vergangenen Wochen gab es im südbrandenburgischen Senftenberg zudem | |
| einen [2][Angriff auf den alternativen Jugendclub Jamm] sowie die | |
| Vorbereitung eines Sprengstoffanschlags auf eine Geflüchtetenunterkunft. | |
| „Solche und andere Einschüchterungsversuche durch rechte Gruppierungen | |
| gehören strengstens verfolgt“, so Stahnsdorfs Bürgermeister Albers am | |
| Dienstag. | |
| Hannes Püschel von der Brandenburger Beratungsstelle Opferperspektive hält | |
| ein koordiniertes Vorgehen hingegen für unwahrscheinlich. „Es entsteht | |
| derzeit eine neue und sehr junge Neonazi-Szene, die sich radikalisiert und | |
| gewalttätig wird“, so Püschel zur taz. „Das sehen wir an vielen Orten.“… | |
| Gegend um Stahnsdorf sei da keine Ausnahme. | |
| Diese Entwicklung werde durch den gesellschaftlichen Rechtsruck noch | |
| bestärkt. Die Geflüchteten in der Unterkunft seien daher sehr verängstigt | |
| und befürchteten weitere Angriffe. Wichtig sei, dass der Rechtsstaat nun | |
| klare Grenzen setzt. „Jetzt ist der Moment zu zeigen, dass bestimmte Linien | |
| nicht überschritten werden dürfen“, so Püschel. Auch in den Schulen müsse | |
| klare Gegnerschaft zu rechtsradikalen Positionen gezeigt werden. Die | |
| örtliche Antifa ruft für Freitag zu einer Demo gegen die rechten Angriffe | |
| in Stahnsdorf auf. | |
| ## Hetzjagd von Neonazis auf Jugendlichen | |
| Auch in Berlin kam es zu einem rechtsextremen Vorfall: So soll in | |
| Hohenschönhausen im Bezirk Lichtenberg eine Gruppe von rund 15 Neonazis | |
| einen 16-jährigen Schüler gejagt haben. „Ich habe mich am Freitagabend mit | |
| zwei Freunden getroffen. An einer Straßenecke in der Nähe meiner Wohnung | |
| standen drei Vermummte, die uns beobachtet haben. Als wir uns näherten, | |
| sind aus der Straße zehn Leute auf uns zugestürmt“, erzählt Leon W., der | |
| nicht mit seinem vollen Namen in der Zeitung stehen will, der taz. | |
| Er und seine Freunde seien daraufhin mit ihren Fahrrädern weggefahren und | |
| hätten sich auf dem Gelände einer nahegelegenen Grundschule versteckt. Drei | |
| der Männer hätten sie mit E-Scootern verfolgt und gesucht. „Ich habe den | |
| Notruf der Polizei gewählt und musste vier Minuten lang erklären, dass mein | |
| Freund im Gebüsch liegt und in Gefahr ist. Und dann haben sie einen | |
| einzigen Streifenwagen geschickt – für 10 bis 15 Faschos“, so der | |
| Elftklässler. „Die zwei Polizisten haben nichts gemacht, nicht mal von | |
| allen die Personalien aufgenommen.“ Die Polizei äußerte sich auf | |
| taz-Anfrage nicht zu dem Vorfall. | |
| Es ist nicht das erste Mal, dass der 16-Jährige bedroht wird. Auf Fotos, | |
| die der taz vorliegen, ist ein Flyer mit einem Bild von ihm, seinem Namen | |
| und der Aufschrift „kennen sie diesen links radikalen“ und weiter: „Absta… | |
| halten“ zu sehen. Auf einem weiteren Foto sieht man einen Container, auf | |
| den sein Name und die Drohung „verrecke“ gesprüht wurde. Der Jugendliche | |
| vermutet dahinter Rechtsextreme aus dem Umfeld seiner Schule, da die | |
| Bedrohungen begonnen hätten, seit er sich im Vorfeld der Bundestagswahlen | |
| an seiner Schule gegen Rassismus und die AfD eingesetzt hat. | |
| Alleine zur Schule geht Leon W. nicht mehr, auch abends ist er nicht | |
| alleine unterwegs. Einschüchtern lassen will er sich aber nicht, im | |
| Gegenteil: „Ich fühle mich dadurch in meiner Arbeit gegen rechts bestärkt.�… | |
| Er wünscht sich jedoch von seiner Schule ein stärkeres Engagement gegen | |
| rechts. | |
| In den vergangenen Jahren haben rechtsextreme Vorfälle an Berliner Schulen | |
| stark zugenommen. Initiativen, die Beratungen zum Umgang mit | |
| Rechtsextremismus anbieten, berichten von zunehmender Überlastung. Laut der | |
| Bildungsgewerkschaft GEW wurden bei der Schulsozialarbeit 3,5 Millionen | |
| Euro gekürzt, für den kommenden Haushalt drohen weitere Kürzungen. | |
| 11 Mar 2025 | |
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| ## AUTOREN | |
| Hanno Fleckenstein | |
| Marie Frank | |
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