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# taz.de -- Rechte Gewalt in Brandenburg: Die Szene fühlt sich stark
> Die Bilanz des Brandenburger Vereins Opferspektive verzeichnet für 2024
> einen deutlichen Anstieg von Fällen rechtsextrem motivierter Gewalt.
Bild: Auch 2024 lagen rassistische Motive bei rechten Gewalttaten an der Spitze
Potsdam taz | „In einer Kleinstadt in Brandenburg ist eine Familie mit zwei
kleinen Kinder seit inzwischen 3 Jahren regelmäßig dem Terror eines
Nachbarn ausgesetzt. Immer wieder polterte dieser nachts gegen Wände und
Türen, drehte laute Musik auf oder erfand selbst Gesänge, in denen er der
Familien den Tod wünschte.
Die Kinder sind verängstigt, der Gesundheitszustand eines Elternteils hat
sich aufgrund der enormen psychischen Belastung erheblich verschlechtert.
(…) Seit Monaten ist die Familie gezwungen, den Lärm und die rassistischen
Beleidigungen nachzuweisen. Durch ihre immense Kraftanstrengung gelang es,
eine Kündigung des Nachbarn zu erwirken. Bis zu einer eventuellen
Durchsetzung selbiger hält der Terror aber weiter an.“
Dieser Fall ist wohl einer der dramatischsten, den der Brandenburger Verein
Opferperspektive e. V. am Freitag in Potsdam bei seiner [1][Bilanz rechter,
rassistischer und antisemitischer Gewalt im Jahr 2024] vorstellte. Bis zum
vergangenen Jahr tauchten solche Fälle allerdings noch nicht in der
Statistik des Vereins auf – Bedrohungen und Nötigungen wurden nur vom
Monitoring der Opferperspektive erfasst, wenn sich Betroffene direkt an die
Beratungsstelle wandten und schwere Tatfolgen vorlagen.
Jetzt sammelt der Verein alle Vorkommnisse, bei denen den Bedrohungen und
Nötigungen eine rechte Tatmotivation zu Grunde liegt und die polizeilich
erfasst wurden. Diese Veränderung war innerhalb des Dachverbands der
Beratungsstellen für Opfer rechter, rassistischer und antisemitischer
Gewalt (VBRG) entschieden worden. In der Folge weist die Bilanz für 2024
zwei verschiedene Zahlen aus: 202 Fälle von Bedrohungen und Nötigungen gab
es nach der alten, 273 nach der neuen Zählweise.
## Spielarten der Gewalt
Für Joschka Fröschner, bei Opferperspektive e. V. zuständig für Beratung
und Monitoring, muss der Gewaltbegriff ohnehin weiter gefasst werden, wie
sich an diesem Fall leicht ablesen lässt: „Die ständigen Drohungen gegen
die Familie haben zu körperlichen Erkrankungen geführt – das ist Gewalt.“
Auch ohne den zusätzlichen Anstieg durch die angepasste Erhebungsmethode
liegen die [2][Zahlen rechter Gewalt in Brandenburg] laut Opferperspektive
e. V. fast wieder auf einem so hohen Niveau wie 2015, dem bisherigen Höhe-
bzw. Tiefpunkt der seit 2007 erhobenen Statistik. Dabei steht körperliche
Gewalt bei den Tatbeständen weiterhin an vorderster Stelle: 75 Fälle
einfacher sowie 66 Fälle schwerer Körperverletzung weist die Bilanz für
2024 aus.
Dies illustrierten die Mitglieder von Opferperspektive e. V. am Freitag mit
einem Beispiel, das aufgrund seiner Dramatik mehr mediale Aufmerksamkeit
als andere erhielt: Auf einem Feuerwehrfest in Potsdam-Golm Ende August
hatten rechte Jugendliche [3][das Lied „L’amour toujours“ mit den Zeilen
„Deutschland den Deutschen“] gegrölt. Als ein anderer Besucher deshalb
misbilligend den Kopf schüttelte, wurde er von ihnen angegriffen. Ein
Freund, der dem Opfer zur Hilfe kam, wurde bewusstlos geschlagen, als er am
Boden lag, traten die Jugendlichen weiter ein.
## Aggressives Dominanzstreben
Ein Detail dieses Falls lässt für Opferperspektive e. V. tief blicken: Die
Angreifer hatten sich anschließend noch nicht einmal vom Tatort entfernt,
wo sie dann von der Polizei gestellt werden konnten. Ein Zeichen des immer
stärker werdenden Selbstbewusstseins in der Szene, wie
Vereins-Geschäftsführerin Judith Porath meint: „Die extreme Rechte in
Brandenburg tritt zunehmend selbstbewusst und aggressiv auf und duldet in
ihrem Dominanzstreben keinen Widerspruch.“
Ihre Kollegin Anne Brügmann forderte nicht nur konsequente Strafverfolgung,
sondern auch „klare Signale aus der Politik, dass der Schutz Betroffener
von rechter Gewalt oberste Priorität hat“. Dazu gehöre auch die
langfristige finanzielle Absicherung von Beratungsstrukturen. „Der Einsatz
für eine offene Gesellschaft darf nicht mit Angst und Gewalt bezahlt
werden.“
Bei den Tatmotiven stand auch 2024 Rassismus mit 130 erfassten Angriffen an
erster Stelle. Ausgesprochen zugenommen hat in einem Jahr mit drei
Wahlterminen (Kommunal-, Europa und Landtagswahlen) das Motiv „Gewalt gegen
politische Gegner*innen“ – hier zählte der Verein 66 Fälle. Die Attacken
hätten sich gegen PolitikerInnen und JournalistInnen, häufig aber auch
gegen junge Menschen gerichtet, die sich gegen Rechtsextremismus
engagieren. Sprunghaft angestiegen seien auch Angriffe auf Frauen und
Mädchen.
28 Mar 2025
## LINKS
[1] https://www.opferperspektive.de/aktuelles/statistik-2024
[2] /Welle-rechter-Gewalt/!6071615
[3] /Verbot-des-Songs-Lamour-toujours/!6010287
## AUTOREN
Claudius Prößer
## TAGS
Schwerpunkt Rassismus
Opfer rechter Gewalt
Brandenburg
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Rechtsextremismus
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