# taz.de -- Bauhauskritik der AfD: Widersprüchlich und gerade deshalb modern | |
> Die AfD kritisiert das Bauhaus als „Irrweg der Moderne“ und löst mit dem | |
> NS-Vokabular Empörung aus. Dabei arrangierten sich Bauhäusler prima mit | |
> den Nazis. | |
Bild: Eine Geschichte die nicht so gradlinig ist wie seine Geschichte, das Bauh… | |
Aus ihrer Sicht hat die AfD völlig recht: Das Bauhaus ist der Beelzebub | |
selbst. Derzeit polemisiert die AfD Sachsen-Anhalts mal wieder gegen „das | |
Bauhaus“ und fordert die Landesregierung auf, sie solle „die konzeptionelle | |
Ausrichtung des 100-jährigen Jubiläums der [1][Bauhausschule am Standort | |
Dessau]“ 1925 „wissenschaftlich neu bewerten“. | |
Abgesehen davon, dass hier unverhohlen zum Bruch des Grundgesetzes und | |
dessen Garantie der Forschungs-, Wissenschafts- und Kunstfreiheit | |
aufgerufen wird: In der auf den 15. Oktober datierten Drucksache 8/4681 | |
finden sich fast sämtliche Schlagworte, die viele Konservative, vor allem | |
aber nationalistische Rechte und Völkische in der Weimarer Republik dem | |
Bauhaus und jenen entgegenschleuderten, die sie als „die Moderne“ | |
verdächtigten. | |
Da stehen „puristische Ästhetik“ und „kalte Architektur“ versus | |
„Lebensqualität“; „universelle Ästhetik“ versus „regionale Besonder… | |
„globale Verwertung als Einheitsbrei“ versus „traditionelle und kulturell | |
verankerte Vorstellungen von Wohn- und Lebensräumen“. Das Bauhaus habe die | |
„Entfremdung“ und „Menschenfeindlichkeit“ durch „unpersönliche Archi… | |
befördert – und selbstverständlich sei es unter seinem dritten Direktor | |
Hannes Meyer eine „Bewegung“ gewesen mit „klarer Nähe zum Kommunismus“. | |
Es fehlt eigentlich nur die Behauptung, „das Bauhaus“ sei Teil einer | |
jüdisch-kapitalistisch-amerikanischen Verschwörung gegen das „deutsche“ | |
Handwerk und den Mittelstand – wobei im Neusprech der Rechten das Wort | |
„global“ all dies im Subtext mit meint. | |
## Gropius war alles, aber kein Linker | |
Nun wollten „die Bauhäusler“ – so es diese überhaupt gab – gerne eine | |
massenwirksame „Bewegung“ werden. Tatsächlich aber blieben sie eisern | |
zerstritten, ob die Kunst, das Handwerk oder die Massenfertigung der | |
Industrie der richtige Weg in die Zukunft seien. Auch deswegen hatten | |
seinerzeit etwa die Berliner Reformer um Bruno Taut weit mehr Erfolg und | |
Einfluss. | |
Sicher war Hannes Meyer Kommunist – aber seine Versuche, das Bauhaus in der | |
kurzen Amtszeit von 1928 bis 1930 auf sozialistisch-gesellschaftskritischen | |
Kurs zu bringen, scheiterten völlig. Dazu waren die Lehrerschaft und die | |
Studierenden zu individualistisch, zu wenig geneigt, sich irgendeinem | |
einheitlichen politischen Programm zu unterwerfen. | |
Nach 1933 erleichterte gerade das durchaus den Anschluss an die neue Zeit: | |
Nur einige Bauhäusler flüchteten ins Exil, die meisten [2][arrangierten | |
sich mit den Nazis], machten sogar glanzvolle Karrieren, wie seit Langem | |
erforscht wird – gerade auch an der Bauhaus-Universität. Die legendäre, bis | |
heute in jedem Architekturbüro stehende „Bauentwurfslehre“ Ernst Neuferts | |
ist so gut eine Tochter des Bauhauses wie der Normierungsbestrebungen der | |
Nazis. | |
Die Gauführerschule der NSDAP nutzte seit 1934 das Gebäude des Bauhauses in | |
Dessau – kein Zufall. Es gab durchaus auch eine positive Sicht der Rechten | |
auf die Modernen der 1920er Jahre. Schon der [3][Gründungsdirektor Walter | |
Gropius] war schließlich alles, aber kein Linker. | |
## Von allen totalitären Regimen verfolgt | |
Ursprünglich sollte die Hochschule eine dezidiert nationale „deutsche“, | |
antiwestliche Antwort auf die Modernen Frankreichs, der Niederlande, | |
Großbritanniens und Amerikas sein. Und nach der Flucht vor der | |
konservativ-nationalsozialistischen Regierung Thüringens im Jahr 1924 nach | |
Dessau sollte es der „nationalen“ Industrie zum Durchbruch auf dem | |
Weltmarkt helfen. | |
„Links“ im Sinne von sozialistisch war beim Bauhaus oft nur die Rhetorik | |
einiger seiner MitarbeiterInnen und SchülerInnen. Der letzte Direktor des | |
Bauhauses, Ludwig Mies van der Rohe, formte sie seit 1930 sogar zu einer | |
klassisch entpolitisierten Kunstakademie – und versuchte nach der | |
Machtübergabe an die Nazis energisch, weiter im Geschäft zu bleiben. Die | |
Architekturhistorikerin Aya Soika hat gerade in einem Buch gezeigt, zu | |
welchen Verbeugungen er bereit war. | |
Dennoch sind „das Bauhaus“ und „die Moderne“ zweifellos ein Hassbild vi… | |
Konservativer und des völkischen Flügels der AfD. Seit Jahren malträtieren | |
sie die Bauhaus-Universität im Stadtrat Dessaus, im Oktober 2018 | |
torpedierten sie ein Konzert der linken Punkband Feine Sahne Fischfilet. | |
Die damalige Bauhaus-Leitung sagte es ab, erkannte nicht, dass es hier um | |
die Grundsatzfrage der Freiheit ging. | |
Idealisiert sicher, aber dennoch steht das Bauhaus nämlich schon seit | |
Langem für eine Moderne, die die Entwicklungsmöglichkeiten und den | |
Individualismus jedes einzelnen Menschen fördert. Deswegen wird es von | |
allen totalitären Regimen und ihren Anhängern – seien es Faschisten, | |
Stalinisten, Nazis, DDR-Funktionäre oder Maoisten – regelrecht verfolgt: | |
Weil das Bauhaus und die Erinnerung daran sich eben gerade seiner | |
Widersprüchlichkeit wegen nicht der Idee einer formierten, straff | |
einheitlichen Gesellschaft fügen. | |
24 Oct 2024 | |
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## AUTOREN | |
Nikolaus Bernau | |
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