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# taz.de -- Ausstellung zu Fotografin Lucia Moholy: Ohne Lucia kein Bauhaus
> Die Prager Kunsthalle widmet der Bauhaus-Fotografin Lucia Moholy eine
> große Retrospektive. Aber warum nimmt man erst jetzt ihr wichtiges Werk
> wahr?
Bild: Ihr Porträt einer Zeitgenossin (Gisela Schulz): Lucia Moholy, ca. 1929
Bei Prag wurde sie 1894 geboren, in Prag wuchs sie auf, von hier aus ging
sie 1915 in die Welt: Lucie Schulz, bekannt unter ihrem späteren Namen als
Lucia Moholy. Den Nachnamen hatte sie von ihrem [1][Ehemann László
Moholy-Nagy], den sie 1921 in Berlin geheiratet und von dem sie sich acht
Jahre später wieder getrennt hatte.
Mit ihm kam sie ans Bauhaus, erst in Weimar, dann ab Ende 1926 in Dessau.
Doch während er zu einem der „Meister“ berufen wurde, blieb sie lediglich
im Umfeld, als Zuarbeiterin für Fotografien und die Herausgabe der
Bauhaus-Bücher.
Diese Geringschätzung ist das eigentliche Thema der groß angelegten
Ausstellung, die die Kunsthalle Prag der Pragerin Lucia Moholy widmet. Sie
breitet das Lebenswerk aus und alle Lebensstationen, mithin auch die
mehrfachen Brüche in beidem, die dazu beigetragen haben, dass ihr ein
angemessener Platz in der Kulturgeschichte des 20. Jahrhunderts verwehrt
blieb.
Mit dieser Ausstellung – die mit der Fotostiftung Schweiz in Winterthur
entstand und dorthin weiterwandern wird – und der begleitenden
Buchpublikation liegt das Material für eine Neubewertung offen zutage.
## Keine Anstellung am Bauhaus
Das betrifft zum einen die Bauhaus-Historie. Die Fotografien, die das von
[2][Walter Gropius entworfene Dessauer Gebäude] weltberühmt gemacht haben,
und zwar viel stärker, als das vermeintlich so singuläre Schulkonzept,
stammen ganz überwiegend von der Hand Lucia Moholys, die 1923 bei einem
Weimarer Fotografen in die Lehre ging und 1925 in Leipzig Fototechnik
studierte.
Nur eine Anstellung [3][am Bauhaus] selbst fand sie nicht, wie auch später
nicht in den USA, wo ihr Ex-Mann das New Bauhaus in Chicago leitete und
wohin sie vergeblich zu emigrieren versuchte.
Bereits 1934 war sie nach London übersiedelt und arbeitete als
„Kunstphotographin“. Später widmete sie sich der Technik der
Mikrofilmdokumentation, übernahm mehr und mehr administrative Aufgaben und
wurde schließlich sogar von der Unesco als Expertin gerufen. Als Fotografin
arbeitete sie immer wieder, vor allem in Ländern wie der Türkei.
Später lebte sie in der Schweiz, wo sie 1989 hochbetagt verstarb. All das
ist nun erstmals mit biografischem und dokumentarischem Material in der
Prager Kunsthalle ausgebreitet; für den Besucher nicht immer ganz einfach
zu verfolgen, weil dieses so ereignisreiche Leben beständige Sprünge macht.
## Streit mit Gropius
Die Bauhaus-Jahre spielen hier gar nicht einmal die Hauptrolle, obgleich
nicht nur einige ihrer bekannten Fotografien zu sehen sind, sondern auch
eine Handvoll der 600 Glasnegative. Um sie musste Lucia Moholy einen
jahrelangen, demütigenden Streit mit Gropius ausfechten, der sie bei seiner
Übersiedlung in die USA hatte mitgehen lassen und mit ihnen seine so
erfolgreiche Bauhaus-Propaganda betrieb.
Diese Geschichte ist inzwischen bekannt. Im Herbst 2022 zeigte das Berliner
Bröhan-Museum die Ausstellung „Lucia Moholy. Das Bild der Moderne“, in der
die Konstruktion der Moderne durch Lucias Fotografien im Mittelpunkt stand,
und bereits 1995 hatte das Bauhaus-Archiv ebenfalls in Berlin „Lucia
Moholy. Bauhaus-Fotografin“ gezeigt.
Der Katalog verzeichnet 296, allesamt abgebildete Aufnahmen der Jahre
zwischen 1923 und 1930. Es ist also seit 30 Jahren nachzulesen, wie Lucia
Moholys Lebenswerk zu bewerten ist, und der Entdeckerruhm der jetzigen
Prager Ausstellung beruht eher auf der Unkenntnis bereits erbrachter
Leistungen.
Solches Vergessen begleitet Lucia Moholys Leben und Rezeption. Anders als
bei Gropius, Breuer und all den „Meistern“ des Bauhauses verband man mit
ihrem Namen keine genuine Leistung – und die Fotografien des Gebäudes
wurden, wie es schon Gropius selbstherrlich gemacht hatte, allein dem
Architekten gutgeschrieben.
Um so wichtiger ist auch die jetzige Ausstellung. Man kann es nicht oft
genug sagen: Die Geschichte des Bauhauses ist ohne Lucia Moholy nicht zu
schreiben. Ihr ganzes Leben aber, weit über diese Episode hinaus, steht
exemplarisch für [4][dieses zerrissene 20. Jahrhundert].
16 Sep 2024
## LINKS
[1] /Ungarische-Avantgarde-in-Berlin/!5892937
[2] /Schlafen-in-der-Bauhaus-Stadt-Dessau/!5970954
[3] /Ausstellung-zu-Bauhaus-und-NS-Zeit/!6007000
[4] /Biografie-von-Lee-Miller-nun-auf-Deutsch/!5947155
## AUTOREN
Bernhard Schulz
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