# taz.de -- Bauhaus, Buschmann, Bubblegum: „Lasst es uns ruinieren“ | |
> Wrigley's Kaugummis werden in Deutschland eingestellt, Buschmann will | |
> strengere Datenspeicherungsrichtlinien, für Autos gibt es noch zu viele | |
> Freiheiten | |
Bild: Bundesminister der Justiz Marco Buschmann, FDP | |
taz: Herr Küppersbusch, was war schlecht vergangene Woche? | |
Küppersbusch: Noch neun Tage demokratischer Präsident in den USA. | |
taz: Und was wird besser in dieser? | |
Küppersbusch: Lasst es uns genießen. | |
taz: Die Streifenkaugummis des US-Unternehmens Wrigley ’s werden in | |
Deutschland eingestellt. Welche Beziehung hegen Sie zu diesem Klassiker? | |
Küppersbusch: Schemenhaft erinnere ich aus meiner Kindheit, dass | |
„Wrigley’s“ wie „Lucky Strike“-Zigaretten und die sehr ungesunde Cola | |
irgendwie verdächtiger Besatzertand waren. Andererseits warnte schon Leo | |
Trotzki, die amerikanischen Arbeiter seien mit dem stumpfen Gekaue | |
absichtsvoll daran gehindert worden, über die Stellung ihrer Klasse | |
nachzudenken. Schöne Rechts-links-Kombi, Kaugummi ist also aus | |
nationalistischer wie sozialistischer Perspektive scharf zu verurteilen. | |
„Wrigley’s“ nimmt die Regierungsbeteiligung des BSW vorweg und gibt auf. | |
Folge: Ein Fünferpäckchen kostet unter Sammlern schon locker 10 Euro bei | |
„Kleinanzeigen“. Kapitalismus, macht immer weiter, klebt unterm Schuh. | |
Geht es nach Bundesjustizminister Buschmann, dann sollen Daten künftig erst | |
dann für eine gewisse Zeit gespeichert werden, wenn ein Verdacht auf eine | |
Straftat von erheblicher Bedeutung besteht. Ist das nun die Lösung im | |
schier endlosen Streit um die Vorratsdatenspeicherung? | |
Küppersbusch: Mit diesem „quick freeze“ werden Anbieter richterlich dazu | |
verdonnert, Daten von Nutzern aufzubewahren, die sonst routinemäßig | |
gelöscht würden. Dann braucht es einen zweiten Beschluss, damit die | |
Behörden auch reingucken dürfen – der Verdacht muss sich erhärtet haben. | |
Das wäre also „anlassbezogen“ – doch Union und Teile der SPD wollen nach | |
wie vor ohne konkreten Anlass „auf Vorrat“ Daten hamstern. Der Vorschlag | |
mit der doppelten Sicherung ist so sympathisch – man möchte fast glauben, | |
dass es die FDP noch gibt. [1][Die SPD zockt auf ein Ja der FDP zur | |
Mietpreisbremse im Gegenzug], die Union wackelt zwischen „besser als nix“ | |
und der Hoffnung auf ein Wahlkampfthema. Die schwarz-grünen | |
Landesregierungen würden es mittragen. Kurz: Es gibt eine Lösung, es gibt | |
eine Mehrheit – lasst es uns ruinieren. | |
taz: Wie stehen Sie zum Bauhaus? Ignoriert man diejenigen unter den | |
Bauhauslern, die dem Nationalsozialismus freundlich gesinnt waren, dann | |
dient es immerhin als Beweis dafür, dass nicht alles Deutsche schlecht war | |
und ist. Und was wären wir ohne dieses Feigenblatt? | |
Küppersbusch: [2][Die AfD in Sachsen-Anhalt fordert zum anstehenden | |
Bauhaus-Jahr eine „kritische Auseinandersetzung]“ statt einer | |
„Glorifizierung“. Der „ästhetische Einheitsbrei“ weise „klare Nähe … | |
Kommunismus auf“. Die Bauhaus-Stiftung selbst wies indes nach, dass dort | |
über 100 Nazis rumschufen und der als typisch verstandene Stil aus ziemlich | |
deutschen Wurzeln spross. Man gewinnt den Eindruck, dass man den AfDlern | |
auch ein Glas Gewürzgurken hinstellen kann, und nach fünf Minuten | |
Meditation haben sie eine Suada mit allen Buzzwords in Tiktok erbrochen. | |
Freue mich auf „Übergurkung“ und „Weltgurkentum“. | |
taz: Die Bundesregierung sucht die Nähe zu Indien, um die Abhängigkeit von | |
China zu vermindern. Was ist denn gerade noch mal aus dem Plan geworden, | |
Abstand zu autokratischen Regimen zu halten? | |
Küppersbusch: [3][Der Brics-Gipfel mit seinem maximal unappetitlichen | |
Gastgeber] verleitete die deutsche Medienöffentlichkeit, eine weltweit | |
wachsende Kraft neben Russland und China als Schurkenbeifang | |
wegzusortieren. Das ist arrogant bei Brasilien und Südafrika und jedenfalls | |
keine ausgestreckte Hand an das theoretisch demokratisch verfasste Indien. | |
Bei einem Drittel der Erdbevölkerung mal nachzuhören, ob wir noch in | |
speaking terms sind, sollte politischer Grundlastbetrieb sein. Selbst | |
werteblasierte Außenpolitik braucht ein Gegenüber. | |
taz: In Esslingen hat ein SUV-Fahrer eine Mutter und ihre beiden Kinder auf | |
dem Gehweg tot gefahren. Anwohner hatten schon lange vergeblich | |
Geschwindigkeitsbegrenzungen und Polizeikontrollen gefordert. Wer kann | |
diesen Wahnsinn stoppen? | |
Küppersbusch: Technisch kein Problem, Fahrzeuge fernzudrosseln. Beim | |
autonomen Fahren wird das notorisch. Das mal allein, weil die FDP dann vor | |
den Menschenrechtshof ziehen wird. | |
taz: Und was macht der RWE? | |
Küppersbusch: Ein Sonderzug mit 700 Essener Fans wurde nördlich von Berlin | |
von 300 Rostocker Hools gestoppt und angegriffen. Den Rest muss die Polizei | |
ermitteln; nur sicher – da waren viele dabei, die das künftig bitte | |
unabhängig von Fußballspielen tun mögen. Fragen: Chantalle El Helou, waam | |
27 Oct 2024 | |
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## AUTOREN | |
Friedrich Küppersbusch | |
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