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# taz.de -- Bildung in Berlin: Gönnt den Schulen Platz und Luft!
> Weil die Grundschüler*innen in Neukölln überdurchschnittlich viel
> kosten, soll der Bezirk nun Plätze abbauen. Das geht am Bedarf komplett
> vorbei.
Bild: Schulen in Neukölln sollen Klassenräume abgeben
Das aktuelle Schuljahr hat Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch (CDU)
im vergangenen August in einem Schulneubau eröffnet. Sie hatte dazu in
Berlins [1][gerade fertiggestellte erste Compartment-Schule] eingeladen,
die Maria-Leo-Grundschule in Pankow. Ein Neubau, dessen Raumaufteilung auf
moderne pädagogische Konzepte zugeschnitten sei, wie sie betonte.
Dort ließ die Senatorin sich und den anwesenden Journalist*innen und
Elternvertreter*innen zeigen, wie flexibel und vielseitig in dieser
Schule die Räume genutzt werden. Solche Schulgebäude seien die Zukunft der
Bildung, sagte die Senatorin. Und, wie wichtig es ihr sei, allen Kindern
den Weg für eine gute Bildung zu ebnen.
Das Schuljahr endet nun damit, dass der Senat Vorgaben durchdrückt, die
Günther-Wünschs Beteuerungen und Ziele geradezu ins Gegenteil verkehren. In
Nord-Neukölln sollen Grundschulen Räume abgeben, weil sie rein rechnerisch
zu viel Platz verbrauchen. Jugendkunstschule und Volkshochschule sollen
dort jetzt Platz finden, für beide Orte fehlen dem Bezirk Räume.
Doch der Norden Neuköllns ist einer von Berlins sehr beengten Kiezen mit
besonders heterogener Schüler*innenschaft. Lehrer*innen und
Elternvertreter*innen der Schulen wehren sich gegen die Pläne. Sie
beteuern, dass die fraglichen Räume mitnichten leer stehen. Anders als
unterstellt fehle schon jetzt oft der Platz für pädagogisch wichtige
Maßnahmen wie Einzelförderung oder für Gruppenarbeiten.
## Ein kaltes Rechenspiel
Es ist ein kaltes Rechenspiel, das dahinter steht. Weil der Senat sparen
muss, fordert er die Bezirke auf, ihre Kosten zu senken. Und Neukölln gibt
mehr Geld pro Schüler*in aus als der Berliner Durchschnitt. Der Senat und
in der Folge der Bezirk schlussfolgern daraus: Die [2][Schulplätze in
Neukölln sind zu teuer, die Kinder verbrauchen zu viel Platz].
Das Gegenteil davon ist richtig: Die Grundschulen sind für viele Kinder die
Basis für weitere Bildungserfolge. Und die Schulen, denen der Senat nun
Räume wegnehmen will, haben ein engagiertes Kollegium, die Lehrer*innen
sind extrem engagiert und suchen und finden jeweils spezifische Antworten
auf die Herausforderungen vor Ort. Dafür brauchen sie auch Platz.
Bei neuen Schulgebäuden wendet der Senat zwar sein Musterraumprogramm mit
Vorgaben für Raumgrößen an. Doch bei Bestandsschulen interessiert das die
Verwaltung wenig. Schließlich lassen sich die alten Schulgebäude mit ihren
Raumaufteilungen da schlecht reinpressen. Der Schulleiter einer der
Neuköllner Grundschulen sagt, dass ihm sogar Quadratmeter fehlen würden,
wenn er die Fläche seiner Schule mit dem Musterraumprogramm durchrechne.
## Eigentlich fehlen Schulplätze
Besonders absurd: Eigentlich fehlen berlinweit Schulplätze. Und bei den
Prognosen, aus denen hervorgeht, dass einige Grundschulen „Überkapazitäten�…
haben, werden Schüler*innen in Willkommensklassen nicht mitgezählt.
Dabei ist das erklärte Ziel, dass sie in reguläre Klassen wechseln.
Neukölln hat insgesamt 60 Willkommensklassen, mit jeweils rund 12
Schüler*innen.
Daneben gibt es ebenfalls zahlreiche geflüchtete Kinder in Berlin, die
teils gar nicht beschult werden – weil Plätze eben fehlen. Deshalb plant
der Senat auch in der Gemeinschaftsunterkunft auf dem Tempelhofer Feld eine
Schule nur für geflüchtete Kinder – so wie es sie bereits in der
Aufnahmeeinrichtung in Tegel gibt.
Doch einer guten Bildung dienen solche Schulen in Unterkünften nicht.
Besser wären die Kinder an den Schulen in den umliegenden Bezirken
aufgehoben – die allerdings unter dem Druck des Senats nun sogar Plätze
abbauen sollen.
Gute Bildung braucht Platz – und zwar in ganz konkreten Klassenräumen.
Statt kleinlicher Rechnereien sollte in der Bildung Großzügigkeit
herrschen. Gerade für die ganz Kleinen, und gerade in älteren
Schulgebäuden, die nach längst obsoleten alten pädagogischen Standards
gebaut sind. Mit neoliberalen Berechnungen – wie im Fall von Neukölln –
[3][gerät das große Ziel aus dem Blick].
Denn es erschließt sich einfach nicht: Grundschüler*innen schneiden in
[4][Schreiben, Lesen und Rechnen in Berlin immer wieder vergleichsweise
schlecht ab] – in den sogenannten Basiskompetenzen. Die Verwaltung versucht
dann, mit Einzelmaßnahmen gegenzusteuern. Weitaus sinnvoller wäre es, den
Schulen grundsätzlich Luft, Zeit und Raum zu gönnen, in denen
Lehrer*innen vor Ort Lösungen für ihre Lerngruppen finden können.
13 Jul 2024
## LINKS
[1] /Berliner-Schulen/!5951048
[2] /Bildungsgerechtigkeit-in-Berlin/!6022076
[3] /Neues-Schulgesetz-fuer-Berlin/!6004101
[4] /Schulanfang-in-Berlin/!5956009
## AUTOREN
Uta Schleiermacher
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