# taz.de -- Bildungspolitik in Berlin: Kritik an Schulplatzvergabe | |
> Zwei Schulverbände kritisieren das Verfahren, mit dem Schüler*innen | |
> auf weiterführende Schulen verteilen werden. Dies würde Gymnasien | |
> entlasten. | |
Bild: Lange Schulwege werden einige Kinder im kommenden Jahr zurücklegen müss… | |
Der Grundschulverband und der Gesamtschulverband kritisieren den neu | |
geregelten Wechsel der Grundschüler in die weiterführenden Schulen. Die | |
Regeln stellten die Schulen vor akute Probleme. In einer gemeinsamen | |
Erklärung vom Dienstagabend sprechen die Verbände von einer „Skandalkette�… | |
Hintergrund ihrer Kritik ist, dass Sechstklässler*innen am Ende ihrer | |
Grundschulzeit seit diesem Schuljahr einen bestimmten Notenschnitt haben | |
müssen, um ans Gymnasium wechseln zu dürfen. Wer diesen Schnitt nicht | |
erreichte, konnte einen eintägigen „Probeunterricht“ an einem Gymnasium | |
absolvieren. Der „Probeunterricht“ sei höchst fragwürdig, kritisieren die | |
Verbände. Nur ein Bruchteil der Kinder hatte diesen Probetag bestanden und | |
darüber dann einen Platz am Gymnasium ergattert. | |
„Die Gymnasien werden erheblich geringere Schülerzugänge haben und dadurch | |
entlastet“, kritisieren Grundschul- und Gesamtschulverband in ihrer | |
Erklärung. Im Gegenzug seien die Gemeinschaftsschulen und die Integrierten | |
Sekundarschulen (ISS) überrannt. Viele [1][Schulen müssten die Klassen | |
vergrößern] oder zusätzliche 7. Klassen einrichten. | |
Hunderte Kinder hätten nun mit dem Versand der Schulbescheide erfahren, | |
dass sie „wegen massiver Raumprobleme“ keine ihrer drei Wunschschulen | |
besuchen können werden. Viele würden in oft weit entfernt liegende Schulen | |
„verschoben“, mit „unzumutbar langen Schulwegen“. Rein rechtlich gilt | |
innerhalb von Berlin ein Schulweg von rund einer Stunde pro Strecke als | |
„zumutbar“. Die Schulbescheide sind in der vergangenen Woche bei den Eltern | |
eingegangen. | |
Der [2][Tagesspiegel hatte anhand einer Abfrage bei den Bezirken] bereits | |
darauf hingewiesen, dass es etwa in Friedrichshain-Kreuzberg ein Drittel | |
mehr Anmeldungen an Sekundarschulen als im vergangenen Jahr gebe – und | |
entsprechend ein Drittel weniger an den Gymnasien. In Neukölln seien es | |
demnach knapp ein Viertel weniger Anmeldungen an Gymnasien. | |
Dass Sekundarschulen nun weitere Klassen einrichten müssten, sei „der | |
Gipfel destruktiver Schulpolitik“, sagt Robert Giese vom Verband für | |
Schulen des gemeinsamen Lernens und dem Netzwerk der Berliner | |
Gemeinschaftsschulen. Er ist außerdem Schulleiter der | |
Fritz-Karsen-Gemeinschaftsschule in Neukölln. | |
„Dadurch gefährdet man gelingende Schulen“, kritisiert Giese. Diese enorme | |
Überlastung „gerade der Schulen, die sich vor pädagogischen | |
Herausforderungen nicht drücken“, werde als „Verdichtung“ und | |
„Umschichtung“ verharmlost, sagt er. „Es scheint keiner auf die Idee zu | |
kommen, zusätzliche ISS-Klassen dort einzurichten, wo mehr Platz ist: in | |
den Gymnasien.“ | |
Die Bildungsverwaltung erklärt auf taz-Nachfrage, dass [3][in ganz Berlin | |
Schulplätze fehlen]. „Das trifft auch die Gymnasien, gerade an den stark | |
nachgefragten Gymnasien wird es auch sehr eng“, sagt ein Sprecher. Denn | |
auch dort wachsen die Klassen: Für Gymnasien gilt ein Richtwert von 32 | |
Schüler*innen pro Klasse. Doch der kann auch überschritten werden. An | |
Sekundarschulen liegt die Obergrenze im Prinzip bei 26 Schüler*innen pro | |
Klasse. | |
Der Unterschied ist darin begründet, dass die Verwaltung davon ausgeht, | |
dass die Sekundarschüler*innen mehr pädagogische Betreuung brauchen | |
als Gymnasiast*innen. Laut Bildungsverwaltung werden erst in der kommenden | |
Woche endgültige Zahlen vorliegen, die zeigen, wie viele Schüler*innen | |
an welche Schulform kommen. | |
Bei den Verbänden sehen sie es auch kritisch, dass Schüler und Eltern so | |
lang auf die Bescheide warten mussten, diese hätten bereits vor Monaten | |
verschickt werden können. „Das ist keine lernförderliche Bildungspolitik“, | |
kritisiert Ines Garlisch, Vorsitzende des Grundschulverbandes in Berlin. | |
„Viele unserer Kinder fühlen sich demotiviert und missachtet und gehen mit | |
Ängsten in das neue Schuljahr und in die völlig unbekannten | |
Schulumgebungen.“ Garlischs Verband und der Gesamtschulverband fordern eine | |
Neuregelung, die sicherstellt, dass der Übergang in die Sekundarstufe I | |
„ohne massenhafte Verunsicherungen und Demütigungen der Schülerinnen und | |
Schüler“ gestaltet werden kann. | |
2 Jul 2025 | |
## LINKS | |
[1] /Bildung-in-Berlin/!6023297 | |
[2] https://www.tagesspiegel.de/berlin/berlin-verschickt-28000-schulbescheide-s… | |
[3] /Bildungspolitik-in-Berlin/!6031391 | |
## AUTOREN | |
Uta Schleiermacher | |
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