# taz.de -- Schulstart in Berlin: Verwalten des Mangels | |
> Fehlen dieses Jahr deutlich mehr Lehrer*innen? Die Schulsenatorin | |
> widerspricht. Doch nun es geht auch darum, Menschen an den Schulen zu | |
> halten. | |
Bild: Zum Schulstart fehlen in Berlin rechnerisch rund 27.000 Schulplätze – … | |
Sie müsse „mit den Lehrer*innen arbeiten, die wir haben“, sagt Katharina | |
Günther-Wünsch (CDU) zum Auftakt des neuen Schuljahres. Die | |
Bildungssenatorin reagiert damit auf Kritik aus der Opposition, dass sie | |
sich [1][die Zahlen zum Lehrer*innenmangel schöngerechnet habe]. Denn | |
laut Günther-Wünsch sind nach vorläufigem Stand etwa 690 Vollzeitstellen | |
für Lehrer*innen an den Schulen noch unbesetzt. Endgültige Zahlen liegen | |
meist erst im November vor. Linke und Grüne hatten der Senatorin | |
vorgeworfen, dass in Wirklichkeit noch rund 1.500 Vollzeitlehrer*innen | |
fehlen. | |
Konkret kritisiert die Opposition: 160 Vollzeitstellen würden allein | |
deshalb aus der Statistik fallen, weil Referendar*innen in Zukunft 10 | |
statt 7 Wochenstunden unterrichten müssen. Weitere 300 Stellen würden | |
„eingespart“, weil die Senatorin die Bedarfe aus dem Profilbereich II | |
gestrichen habe. | |
Auch dass den Schulen die Möglichkeit gegeben worden sei, nicht-besetzte | |
Lehrer*innenstellen für andere Berufe zu öffnen, sei nur ein | |
vorübergehender Effekt – der nebenbei den Bedarf an weiteren rund 340 | |
Stellen verschleiere. Insgesamt sei der Mangel an Vollzeitstellen damit | |
ähnlich hoch wie im vergangenen Jahr. Die Ankündigung der Senatorin, dass | |
„ihre Maßnahmen“ (etwa die wieder mögliche Verbeamtung) nun „greifen | |
würden“, sei damit „nichts als heiße Luft“. | |
Günther-Wünsch wiederum stellt sich auf den Standpunkt, dass die | |
Vorgängerkoalition den Bedarf „künstlich ins Unermessliche gesteigert“ | |
habe. Damit habe sie ein „schwarzes Loch“ erzeugt. Sie schmettert die | |
Vorwürfe also hart ab. Einen Punkt hat die Senatorin dabei: Sie muss ja | |
tatsächlich erst einmal mit den Lehrer*innen arbeiten, die da sind. Und | |
sie macht gleichzeitig klar, dass es ihr ein Anliegen sei, möglichst viele | |
an den Schulen zu halten – der Tagesspiegel hatte berichtet, dass die | |
[2][Kündigungen von Lehrer*innen in diesem Jahr extrem hoch] seien. | |
Um mehr von denjenigen, die bereits an Berlins Schulen unterrichten, im | |
System zu halten, will die Senatorin zum einen nun auch den | |
Seiteneinsteiger*innen den Weg in einen vollgültigen | |
Lehrer*innenberuf ebnen. Diese sollen sich, auch wenn sie nur ein Fach | |
unterrichten dürfen, zu voll ausgebildeten Lehrkräften weiterbilden können, | |
was bisher nicht möglich war. | |
Außerdem will die Senatorin nun doch wieder steuernd eingreifen, an welchen | |
Schulen die verfügbaren Lehrer*innen unterrichten. Denn es ist ja nicht | |
nur so, dass Lehrer*innen fehlen: Der Mangel ist außerdem sehr ungleich | |
verteilt. Schulen in beliebten Gegenden oder mit einem tollen Profil haben | |
kaum Probleme, ihre Stellen zu besetzen, während bei anderen, weniger | |
beliebten die Lücken umso größer sind. | |
Die Senatorin hatte bestehende Instrumente, um Lehrer*innen | |
gleichmäßiger zu verteilen, aufgehoben, und stattdessen auf Freiwilligkeit | |
und persönliche Bindungen von einzelnen Personen zu Schulen gesetzt. Nun | |
will sie über einen Runden Tisch doch wieder Kriterien erarbeiten, um | |
Lehrer*innen gezielter dorthin zu verteilen, wo sie am dringendsten | |
gebraucht werden. Diesmal gemeinsam mit Lehrer*innen und der Verwaltung. | |
Fraglich ist, ob das schon im aktuellen Schuljahr greift. | |
## Rund 7.000 Schüler*innen mehr | |
Die Senatorin muss dabei nicht nur mit den Lehrer*innen arbeiten, die da | |
sind. Die Lehrer*innen müssen auch mit den Schüler*innen arbeiten, | |
die in diesem Jahr rund 7.000 mehr sind als noch im Vorjahr – insgesamt | |
404.960 und damit so viele wie seit 25 Jahren nicht mehr. Gleichzeitig | |
fehlen im System rund 27.000 Schulplätze. | |
Konkret bedeutet das: Die Klassen sind voll. Mehr Schüler*innen bedeuten | |
aber auch mehr Arbeit für die einzelnen Lehrer*innen. Dazu kommt, dass es | |
die Generation ist, die immer noch an den Folgen von Corona zu knappsen | |
hat. Von diesen Schüler*innen brauchen viele wohl eher mehr Zuwendung | |
und Unterstützung als weniger. Auch dadurch könnten die Belastungen für | |
Lehrer*innen noch steigen. | |
Das rückt Günther-Wünschs Aussage, das System sei vorher künstlich | |
aufgebläht gewesen, nochmal in ein anderes Licht. Denn mit den | |
Lehrer*innen, die da sind, zu arbeiten und sie an den Schulen zu halten, | |
bedeutet auch, deren Arbeitsbedingungen zu verbessern. Die Gewerkschaft für | |
Erziehung und Wissenschaft (GEW) hat im vergangenen Schuljahr eine Studie | |
zur Arbeitsbelastung von Lehrer*innen in Berlin in Auftrag gegeben. Die | |
Senatorin sollte sich die Ergebnisse der Studie gut ansehen – und die | |
Erkenntnisse daraus in ihre Maßnahmen für eine bessere Bildungsqualität | |
einbeziehen. | |
30 Aug 2024 | |
## LINKS | |
[1] /Bildungspolitik-in-Berlin/!6029905 | |
[2] https://www.tagesspiegel.de/berlin/schule/fast-1000-lehrer-haben-gekundigt-… | |
## AUTOREN | |
Uta Schleiermacher | |
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