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# taz.de -- FAQ zum neuen AI Act der EU: KI bekommt Regeln
> Künstliche Intelligenz hilft bei der Überwachung, aber auch bei der
> Verbreitung von Hass und Fake News. Die EU schafft nun weltweit einmalig
> Recht.
Bild: Gesichtserkennung kann mit KI erleichtert werden – die Frage nach Echtz…
Bisher ist es weltweit einmalig: Die Europäische Union schafft Regeln zum
Umgang mit künstlicher Intelligenz (KI). Am Dienstag stimmen die beiden
federführenden Ausschüsse des EU-Parlaments über die KI-Verordnung ab, oft
ist englischsprachig vom „AI Act“ die Rede. Die Zustimmung gilt als sicher.
Unterhändler von EU-Parlament und Mitgliedstaaten haben schon im Dezember
alles ausverhandelt. Dennoch stand das Projekt gerade erst auf der Kippe –
wegen der FDP.
Auf den letzten Metern hatte der kleinste Partner der Bundesregierung in
Person von Digitalminister Volker Wissing [1][gedroht, Deutschlands
Zustimmung doch noch zu verweigern], um weniger Vorgaben für Unternehmen
durchzusetzen. Letztlich stimmte die Bundesregierung [2][doch noch zu im
Ausschuss der Ständigen Vertreter], der die finalen Entscheidungen des
Ministerrats der EU-Regierungen vorbereitet.
Was genau ist der AI Act?
Künstliche Intelligenz (KI) ist als Technologie für eine breite Masse an
Menschen noch eine verhältnismäßig junge Entwicklung. Den bislang größten
Schub erhielt sie, als vor etwas über einem Jahr das generative
Sprachmodell ChatGPT des Unternehmens OpenAI an den Start ging. Die App
wurde damals zur App mit den schnellsten Nutzerzuwächsen.
Doch auch in anderen Bereichen steckt KI: In Bild- und
Tonbearbeitungsprogrammen, in ersten medizinischen Anwendungen oder in der
Polizeiarbeit zum Beispiel. Weil die Einsatzzwecke zunehmend sensibel sind
und die Anwendungsbereiche sich ausweiten, hat die EU schon vor knapp drei
Jahren eine Regulierung vorgeschlagen: Der AI Act teilt KI-Anwendungen in
Risikoklassen und reguliert diese mehr oder weniger streng.
Manche Einsatzzwecke werden auch verboten, zum Beispiel staatliche
Scoring-Systeme, die Menschen anhand ihres Verhaltens klassifizieren
würden. Bei Verstößen gegen die Regeln drohen Unternehmen Strafen von bis
zu 35 Millionen Euro oder bis zu sieben Prozent des weltweiten Gewinns.
Was bringen die vereinbarten Regeln für Verbesserungen?
Ein Lob kommt beispielsweise vom Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv):
„Der AI Act stellt eine Verbesserung für Verbraucher:innen dar, etwa
bei den Betroffenenrechten“, sagte dessen Vorständin Ramona Pop. Die neuen
Regeln könnten daher die „Akzeptanz und das Vertrauen der
Verbraucher:innen in die Technologie stärken“. Auch der
Bundesdatenschutzbeauftragte sieht Positives: „Die KI-Verordnung stärkt in
vielen Teilen den Datenschutz“, sagte ein Sprecher der Behörde. Gut sei
etwa das Verbot von Social Scoring, und das Verbot, mittels Scraping, also
dem automatischen Durchsuchen des Internets, Gesichtserkennungsdatenbanken
zu erstellen. Die Rechte von Betroffenen würden etwa durch Transparenz- und
Qualitätsanforderungen für die Unternehmen gestärkt und durch das Recht,
bei einer noch einzurichtenden KI-Aufsichtsbehörde Beschwerde einzulegen.
Aber es gibt auch Kritik?
Ja. Im Zentrum der Kritik stehen Überwachungsbefugnisse, die vor allem auf
Druck der Mitgliedstaaten aufgenommen wurden. „Es ist sehr bedauerlich,
dass es kein klares Verbot biometrischer Echtzeit-Fernerkennung im
öffentlichen Raum gibt“, sagt der Sprecher des
Bundesdatenschutzbeauftragten.
Die Gesichtserkennung war in den Verhandlungen stark umstritten gewesen. Da
ging es beispielsweise um Situationen, in denen Behörden nachträglich oder
in Echtzeit die von Überwachungskameras aufgezeichneten Daten mit
biometrischer Gesichtserkennungssoftware durchsuchen.
Die europäische Bürgerrechtsorganisation EDRi warnt daher davor, dass die
neuen Regelungen dazu beitragen könnten, „die Überwachungsaktivitäten von
Polizei und Migrationskontrollbehörden auszuweiten und zu legitimieren“.
[3][Die NGO Algorithmwatch] kritisiert darüber hinaus „große Schlupflöcher…
für Unternehmen: So hätten die Hersteller von KI-Systemen ein
Mitspracherecht bei der Frage, ob ihre Systeme als Hochrisiko-KI, für die
besonders strenge Regeln gelten, eingestuft werden.
Darüber hinaus gebe es für Bereiche der nationalen Sicherheit, der
Strafverfolgung und der Migration Ausnahmen für Hochrisiko-Systeme. „Der
Kompromiss zur KI-Verordnung offenbart einen systemischen Fehler bei der
EU-Gesetzgebung. Die nationalen Regierungen und die Strafverfolgungslobby
haben einen unverhältnismäßig großen Einfluss“, kritisiert
Algorithmwatch-Expertin Angela Müller. Das gehe zulasten von
Menschenrechten und öffentlichem Interesse.
Was passiert, wenn der AI Act doch noch scheitert?
Nicht nur Deutschland hatte grundsätzliche Kritik. Auch aus anderen Ländern
kam Zurückhaltung – etwa aus Frankreich. Die dortige Regierung hatte
ebenfalls für wirtschaftsfreundlichere Regeln lobbyiert. Würde der AI Act
scheitern, gäbe es erst einmal gar keine Regulierung. Das heißt: Schutz für
Nutzer:innen nur, insofern ihn die aktuelle Gesetzgebung hergibt. Für
Unternehmen würde das je nach Sichtweise viel Freiheit oder eben
Rechtsunsicherheit bedeuten. Denn dass eine KI-Regulierung auf ewig
ausbleiben könnte, ist unwahrscheinlich.
Nach der Europawahl im Juni aber werden sich die Mehrheitsverhältnisse im
EU-Parlament neu mischen. Auch die EU-Kommission wird neu aufgestellt. Die
Befürchtung: Ein deutlicher Rechtsruck würde dazu führen, dass die bislang
tendenziell bürgerrechtsfreundliche Position des EU-Parlaments kippt. Gibt
es also einen neuen Anlauf in der kommenden Legislaturperiode, wäre das
Ergebnis aus Bürger- und Nutzer:innensicht vermutlich schlechter.
Wenn der AI Act endgültig verabschiedet ist – lässt sich dann noch etwas
ändern?
Die letzten Abstimmungen sind derzeit für Mitte April angesetzt, gelten
aber nur noch als Formalität. Im Anschluss wird das Gesetzeswerk im
Amtsblatt der EU veröffentlicht und tritt 20 Tage später in Kraft – es ist
also absehbar, dass das noch [4][vor der Europawahl] passiert. Bis die
Regeln tatsächlich wirksam werden, gibt es Übergangsfristen von bis zu drei
Jahren.
Gleichzeitig sind allerdings die EU-Mitgliedstaaten am Zug: Die haben in
bestimmten Bereichen die Möglichkeit, abweichende Regeln festzulegen. Das
betrifft zum Beispiel [5][den umstrittenen Punkt der biometrischen
Überwachung]. Der Bundesdatenschutzbeauftragte fordert die Bundesregierung
auf, hier die Öffnungsklausel zu nutzen.
12 Feb 2024
## LINKS
[1] /EU-Gesetz-zur-Kuenstlichen-Intelligenz/!5988014
[2] /Abstimmung-ueber-EU-Lieferkettengesetz/!5987552
[3] /Kuenstliche-Intelligenz-via-ChatGPT/!5903102
[4] /Schwerpunkt-Europawahl/!t5533778
[5] /Schwerpunkt-Ueberwachung/!t5007813
## AUTOREN
Svenja Bergt
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