| # taz.de -- Europäische KI-Verordnung: KI-Kängurus nur mit Wasserzeichen | |
| > Ein Teil der KI-Verordnung tritt in Kraft, Anbieter müssen künstliche | |
| > Intelligenz ab August transparent machen. Die Industrie will andere | |
| > Regeln aufweichen. | |
| Bild: Ein garantiert echtes Känguru – 1961 fotografiert | |
| Am Flughafen, kurz vor dem Boarding. Eine Passagierin diskutiert | |
| verzweifelt gestikulierend mit einer Airline-Angestellten. Dann schwenkt | |
| die Kamera von den beiden weg zu einem Känguru mit vermeintlicher Bordkarte | |
| in der Hand. | |
| Wird hier etwa einem Menschen samt „emotional support animal“ – ein Tier, | |
| das etwa bei psychischen Erkrankungen Halt geben soll – der Zugang | |
| verwehrt? | |
| Ende Mai ging dieses [1][Video] viral, und wie aus den Kommentarspalten zu | |
| entnehmen ist, hielten viele Menschen diesen Fake für authentisch. | |
| Hergestellt wurde der Schnipsel mit künstlicher Intelligenz (KI). Nicht nur | |
| durch kurzes Nachdenken wäre man womöglich darauf gekommen – auch das Motto | |
| des Instagram-Accounts, „Your Daily Dose of Unreality“ (etwa: Deine | |
| tägliche Portion Unrealistisches) ist vielsagend. Das Logo des Kanals ist | |
| sogar im Video zu sehen. Doch derartige Checks sind es eben, die beim | |
| schnellen Scrollen durch Social Media zu kurz kommen. | |
| ## Strenge Regeln bei Deepfakes | |
| Nun hat es in der Regel keine schlimmen Folgen, auf einen Fake-Känguru-Clip | |
| hereinzufallen. Im Gegenteil: Es kann sogar hilfreich sein, wenn dem | |
| nächsten Video dann mit größerer Vorsicht begegnet wird. Doch es gibt | |
| andere mit KI erstellte Inhalte, bei denen die Folgen gravierend sein | |
| können. | |
| Videos, die angebliche Kriegshandlungen oder andere relevante Geschehnisse | |
| zeigen sollen – wie das von Trump geteilte Ergebnis künstlicher | |
| Intelligenz, das die angebliche Festnahme Barack Obamas zeigt. Oder | |
| Deepfakes, bei denen einer Person mit ihrer eigenen, aber KI-generierten | |
| Stimme lippensynchron Worte in den Mund gelegt werden. Oder KI-Pornos, in | |
| denen Bilder von Frauen, meist Prominenten, auf die Körper von | |
| Darstellerinnen montiert werden, ohne dass die Montage ersichtlich ist. | |
| Ab August soll sich das ändern. Dann werden einige Meilensteine des [2][AI | |
| Acts], der EU-KI-Verordnung, wirksam. Zentral dabei: Anbieter von | |
| KI-Systemen müssen Transparenzpflichten von nun an erfüllen. Chatte ich | |
| gerade mit einem Menschen oder einem Bot? Wurde ein Bild, Video oder | |
| Audio-Inhalt von einer KI erzeugt? Die Kennzeichnungspflicht gilt auch und | |
| noch strenger für Deepfakes. | |
| „Die Neuerungen des AI-Acts tragen maßgeblich zum Schutz von Verbrauchern | |
| bei“, sagt der auf Verbraucherfragen spezialisierte Rechtsanwalt Christian | |
| Solmecke. In der Pflicht sind vor allem die Anbieter von KI-Systemen, also | |
| zum Beispiel ChatGPT oder Gemini. Sie müssen KI-Inhalte kennzeichnen, | |
| zunächst „maschinenlesbar“. | |
| Das kann zum Beispiel ein digitales Wasserzeichen sein, das Plattformen wie | |
| Instagram oder Tiktok auslesen und den Inhalt entsprechend als KI-generiert | |
| markieren können. Bei Verstößen kann es teuer werden: Bußgelder dürfen bis | |
| zu 35 Millionen Euro oder 7 Prozent des weltweiten Jahresumsatzes des | |
| Unternehmens betragen. | |
| Auch die Nutzer:innen sind gefragt: „Bei Deepfakes, also realistisch | |
| manipulierten Bildern, Audio- oder Videoinhalten, bei denen eine Person | |
| irreführend dargestellt wird, trifft die Pflicht zur Kennzeichnung nicht | |
| nur den Anbieter des KI-Systems, sondern auch explizit den ‚Bereitsteller‘, | |
| also die Person, die das Deepfake erstellt oder veröffentlicht“, erklärt | |
| Solmecke. Diese Kennzeichnung muss auch für Menschen erkennbar sein. | |
| Transparenter sollen auch die Trainingsdaten werden – zumindest ein | |
| bisschen. Aus diesen Daten erkennen die Algorithmen Muster, die sie später | |
| anwenden. Wenn die Trainingsdaten nicht sorgfältig ausgewählt wurden, | |
| können sie zu Verzerrungen führen. Denn eine KI, die beispielsweise nur mit | |
| Fotos von weißen, männlichen Ärzten gefüttert wurde, wird wahrscheinlich | |
| keine Abbildungen von PoC-Ärztinnen erzeugen. | |
| Hersteller besonders mächtiger KI-Modelle, wie etwa ChatGPT, müssen den | |
| neuen Regeln zufolge zumindest zusammenfassend offenlegen, welche | |
| Trainingsdaten verwendet wurden. Ob das tatsächlich dafür sorgt, dass | |
| Verzerrungen oder problematische Inhalte frühzeitig erkannt werden, muss | |
| sich noch zeigen. | |
| Derweil versuchen Akteure aus der Industrie zunehmend, die KI-Regeln zu | |
| schwächen. Für die USA hat Trump am Mittwoch angekündigt, die ohnehin | |
| rudimentären Vorgaben abzuschaffen. Und auch in Europa sehen Unternehmen | |
| anscheinend Chancen, die Vorgaben zu verwässern. | |
| So forderten Anfang Juli rund 50 Topmanager:innen europäischer | |
| Unternehmen, ihre Umsetzung aufzuschieben. Die Regeln „gefährden nicht nur | |
| die Entwicklung von europäischen Champions, sondern auch die Möglichkeiten | |
| aller Industrien, KI so einzusetzen, wie es der globale Wettbewerb | |
| erfordert“, heißt es in dem [3][Schreiben]. Unterzeichnet haben unter | |
| anderem Verantwortliche von Mercedes-Benz, Siemens Energy, Lufthansa, | |
| Südzucker und Ravensburger. | |
| ## Ein Kodex, der sich langsam wandelt | |
| Da dürfte es die Industrie freuen, dass sich ein wichtiges Verfahren gerade | |
| verzögert: nämlich die Erstellung eines Verhaltenskodex für Hersteller von | |
| KI-Systemen. Ursprünglich sollte der seit Mai vorliegen. Doch Anfang Juli | |
| teilte die EU-Kommission mit, dass es wohl eher bis Ende des Jahres dauern | |
| werde. | |
| Felix Duffy von [4][LobbyControl] glaubt nicht, dass hinter der | |
| Verschiebung Lobbydruck steht – wohl aber hinter den sich verändernden | |
| Inhalten des Kodex. Diese hätten sich mittlerweile in eine deutlich | |
| industriefreundlichere Richtung entwickelt. Etwa wenn es darum geht, | |
| welche Maßnahmen Hersteller ergreifen müssen, um die Risiken für Demokratie | |
| und Gesellschaft möglichst gering zu halten. | |
| „Was die Schutzmaßnahmen angeht, haben die Konzerne einen viel größeren | |
| Handlungsspielraum als ursprünglich vorgesehen“, kritisiert Duffy. Im | |
| Ergebnis könnten sich die Hersteller so attestieren, ausreichend präventiv | |
| zu arbeiten. Der Experte kritisiert: „Die großen Tech-Konzerne und | |
| Betreiber von KI-Modellen hatten privilegierten Zugang zu dem Prozess, in | |
| dem der Verhaltenskodex erstellt wurde.“ Derweil hätten | |
| zivilgesellschaftliche Akteure nur am Rande mitreden dürfen. | |
| Das sorgte für breiten Protest: Reporter ohne Grenzen etwa gab im April | |
| bekannt, die [5][Mitarbeit an dem Kodex zu beenden] – unter anderem | |
| aufgrund des „überwältigenden Einflusses der Industrie“. | |
| 26 Jul 2025 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://www.instagram.com/infiniteunreality/reel/DKFkqenMph3/?hl=de | |
| [2] /Neue-Regeln-fuer-KI/!5994919 | |
| [3] https://docs.google.com/document/d/16570SgWppeeeYINe4WydTbG2ioBTPdOW_fmfMbm… | |
| [4] https://www.lobbycontrol.de/ | |
| [5] https://rsf.org/en/rsf-withdraws-negotiations-european-ai-act-s-code-practi… | |
| ## AUTOREN | |
| Svenja Bergt | |
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