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# taz.de -- Landarbeiter über Bauernprotest: „Die Kleinen sind es, die sterb…
> Alles nur rechte Krawall-Landwirt*innen? Im Interview spricht der
> Agrarbeschäftigte Wolf Meyer darüber, wie Bauernprotest von links geht.
Bild: Vor allem kleine Höfe kämpfen um das Überleben
taz: Herr Meyer, Sie sind Landarbeiter und auch bei den sogenannten
[1][Bauernprotesten] involviert. Wie stehen Sie zum jüngsten Geschehen?
Wolf Meyer: Es ist eine sehr dynamische Lage. Es gibt viele rechte Kräfte
in den Protesten, einerseits – gleichzeitig gibt es aber auch viel
Unverständnis für die wirtschaftliche Lage und Situation der Bauern und die
Zusammenhänge.
Viele Leute verstehen nicht, dass eine so mächtige Industrie so
[2][erbittert Forderungen stellt] – und sich dafür auch noch [3][von rechts
vereinnahmen lässt].
Es gibt die Idee, der Berufsstand stünde sehr gut da. Aber die Branche
verliert massiv Firmen zugunsten von Großbetrieben. Fast 2.500 allein in
Rheinland-Pfalz in einem Jahr. Die Maßnahmen, wie sie von der Regierung
geplant waren, verstärken das Sterben der Kleinbetriebe eher noch – und
fördern entsprechend die Agrarindustrie. Die aktuell diskutierten
finanziellen Mehrbedarfe können von den großen Unternehmen zumeist
geschultert werden. Aber die kleinen sind es, die sterben.
Was sind die Forderungen von diesen kleinen Betrieben?
Wir haben dieses Teilzugeständnis der Regierung. Jetzt gibt es noch die
Forderung, dass der Agrardiesel erst abgeschafft wird, wenn es sinnvolle
Kompensationskonzepte finanzieller Natur gibt. Ansonsten positionieren sich
die Verbände sehr unterschiedlich – manche sind eher unsolidarisch
gegenüber Bäuer*innen in anderen Ländern. Die wollen den Schutz des
lokalen Marktes. Andere, wie die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche
Landwirtschaft zum Beispiel, fordern massive Programme für den ökologischen
Umbau und den Stopp von Landgrabbing.
Landgrabbing – da denkt man an westliche Konzerne in afrikanischen Ländern.
Das gibt es auch in Deutschland. Deutsche Wohnen ist zum Beispiel einer der
größten Ackerbesitzer in Deutschland. Es gibt massive Spekulation von
Immobilienkonzernen. Wir haben mit der Energiewende auch einen
Interessenskonflikt mit Energieunternehmen, die sich agrarwirtschaftliche
Flächen sichern und natürlich viel finanzstärker sind als zum Beispiel neue
Hofkollektive, die für die Agrarwende wichtig wären.
Finden Sie die Wut auf Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne)
verständlich?
Insofern ja, als es breite Verbände wie die Borchert-Kommission gab, die
lange an Lösungen zum agrarökologischen Umbau gearbeitet haben. Das wurde
komplett ignoriert – und jetzt kam diese neue Regelung. Andere
Klimafaktoren wie die Kerosinsteuer wurden indes aber nicht angegangen. Da
finde ich die Wut schon sehr verständlich.
Aber ist Habeck da der richtige Adressat? Wird diese Wut nicht von rechts
konstruiert?
Ich glaube: Gelegenheit macht Aktionen, das wird in dem Fall auch so
gewesen sein. Lindner war halt dummerweise nicht auf dieser Fähre. Aber
natürlich gab es Jahrzehnte des Nichthörens und des Nichtinteressierens.
Deswegen ist diese Wut auch so umfassend. Und ich glaube, die Enttäuschung
gegenüber den Grünen kommt vor allem von einem grünen-nahen Umfeld, das
sich eine agrar-ökologische Wende erhofft hatte und die enttäuscht wurde.
Und natürlich versuchen auch rechte Kräfte gerade alles, was geht: Jeden
Skandal gegen diese Ampelregierung rauszufischen, um Neuwahlen zu
erzwingen.
Wie wehrt man sich gegen die rechte Unterwanderung?
Man muss die politischen Zusammenhänge breiter betrachten als die
populistische Rechte. Die versucht, nach unten zu treten, und spielt
Bäuer*innen gegen Hartz-IV-Empfänger*innen aus, oder gegen Migrant*innen.
Dem müssen wir mit Faktenchecks begegnen, darüber, was die eigentlichen
Kostenfaktoren sind in der Bundesrepublik. Fehlende Kerosinsteuer, Hundert
Milliarden für die Bundeswehr.
Reicht das?
Wir müssen uns organisieren. Wir machen die Erfahrung, dass rechte
Organisationen in den Protesten oft Unternehmerverbände sind. Wir haben
aber die Hoffnung, dass wir zu anderen Perspektiven kommen, wenn wir eine
Landarbeiter*innenorganisation anstoßen. Gleichzeitig ist es
wichtig, in der Gesellschaft ein Verständnis für die Branche zu entwickeln.
Es sind viele falsche Behauptungen im Umlauf. Das stützt die Rechten
natürlich in ihrer Erzählung: „Die linken Städter verstehen euch nicht.“
Die Reaktion der linken Zivilgesellschaft hat also in weiten Teilen die
Rechte gestärkt. Leider auch in Artikeln in der taz.
Wie meinen Sie das?
Es gibt die Idee, dass es keinerlei Initiative oder Interesse für einen
ökologischen Umbau gebe und Bäuer*innen ihre Klimaschädlichkeit
verteidigen. Und es wird behauptet, es ginge den Bäuer*innen extrem gut.
Das mag für manche stimmen, aber die Landwirtschaft ist immer noch eine
Branche mit einer hohen Suizidrate in Deutschland. Insgesamt ist unsere
Branche sehr, sehr gefährlich durch Hautkrebs, Arbeitsunfälle, massive
Belastung und eben auch durch Depression und Burnout, weil die
wirtschaftliche Lage in vielen Betrieben so schlecht ist.
7 Jan 2024
## LINKS
[1] /Bauernproteste-in-Deutschland/!5982046
[2] /Agrarpolitik-der-Bundesregierung/!5980053
[3] /Extremisten-wollen-Agrarproteste-kapern/!5981385
## AUTOREN
Lea Fauth
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