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# taz.de -- Bewegungstermine in Berlin: Von Bauern das Kämpfen lernen
> Der Rechtsdrall der Bauernproteste ist auf die neoliberale Bekämpfung der
> Klimabewegung zurückzuführen. Eigentlich gibt es gemeinsame Interessen.
Bild: Es ist nicht alles rechts, was brummt
Ende Gelände, Letzte Generation und Co. können ruhig etwas neidisch sein:
Was Bäuer:innen am Montag zum Auftakt der Aktionswoche des
Bauernverbandes in Sachen Blockaden geleistet haben, ist enorm und
beachtlich. Überall in Deutschland haben Traktoren entscheidende
Infrastrukturpunkte blockiert und das Land in Teilen lahmgelegt. Einige
Städte wie [1][Cottbus oder Brandenburg an der Havel] sollen
zwischenzeitlich kaum noch zu erreichen gewesen sein.
Möglich wurde diese Blockadeleistung, weil Bäuer:innen aufgrund ihrer
Traktoren eine extrem kampffähige gesellschaftliche Gruppe sind, die schon
in vergleichsweise geringen Zahlen (in Berlin protestierten eigentlich nur
einige Hundert Menschen) enorm zu stören vermag. Entscheidend war aber
auch, dass die Bäuer:innen ihre Blockaden vorab anmelden konnten und zum
Beispiel das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg sogar noch Auflagen
der Polizei gekippt hat. Im Kontext von Klimaprotesten wäre das schlicht
unvorstellbar.
Warum das so ist, hat auch mit der gesellschaftlichen Unterstützung zu tun,
die die Bäuer:innen haben – und die Letzte Generation nicht. Seit dem
Peak der Klimabewegung im Jahr 2019 hat sich das Fenster geschlossen, in
dem eine gerechte Alternative zum Bestehenden kurzweilig möglich schien.
Das liegt vor allem an der neoliberalen Politik der Ampelparteien (plus
CDU), die klargemacht haben, dass es eine gerechte Transformation auf
Kosten der Reichen und Konzerne nicht geben wird ([2][Stichwort
Klimageld]).
## Was tun? Weitermachen!
Da ein gerechter Wandel nun aber vom Tisch ist, werden wenigstens die
verbleibenden fossilen Privilegien erbittert verteidigt. In diesem Kampf
finden sich breite Teile der Bevölkerung wieder – und die extreme Rechte
versucht, diese Ängste zu instrumentalisieren, indem sie gegen
Migrant:innen, Bürgergeldempfangende und Linke hetzt. In diesem Klima haben
es linke Stimmen schwer, obwohl für Probleme wie das [3][Sterben von
Kleinbetrieben oder Landgrabbing durch Immobilienkonzerne] eigentlich ein
klassenkämpferischer Ansatz nötig wäre.
Dennoch ist es wichtig, dass sich etwa die [4][AK Grüne Gewerke der FAU
Dresden] an den Protesten beteiligt – schon alleine, um jene Landwirte
nicht alleine zu lassen, die sich nicht von rechts vereinnahmen lassen
wollen. Kontraproduktiv ist es dagegen, wenn Linke nun herablassend über
Bäuer:innen herziehen und wenn – auch in der taz – von Mähdrescher- und
Mistgabelmobs gesprochen wird. Irre wird es, wenn den Bauern dann auch noch
in merkwürdiger Umkehrung der Polemik gegen die Letzte Generation
attackiert werden, [5][weil sie Straßenblockaden errichten].
Wem soll man noch Doppelstandards vorwerfen, wenn man sie selbst anlegt?
Vom Tisch ist mit den Bauernprotesten aber die Illusion, dass es bei der
Kriminalisierung von Klimablockaden jemals um so etwas wie
Rechtsstaatlichkeit gegangen wäre. Für Linke dürfte es eigentlich keine
Überraschung sein: Von der Bevölkerung werden Blockaden dann akzeptiert,
wenn sie politisch gefallen – und vom Staat, wenn er sie akzeptieren muss.
## Versammlungsfreiheit verteidigen
Wenn aber demokratische Rechte zunehmend nach Gefallen gegeben und genommen
werden, müssen sie verteidigt werden. Die Versammlungsfreiheit
beispielsweise ist derzeit akut bedroht – doch nicht wegen der
Bauernprotesten. Fast sieben Jahre nach dem G20-Gipfel beginnt am 18.
Januar der Prozess gegen sechs Betroffene des sogenannten
[6][Rondenbarg-Komplexes] in Hamburg. In der Straße Rondenbarg wurden
während des Gipfels 2017 Demonstrierende von der Polizei teils ins
Krankenhaus geprügelt, nachdem aus den vorderen Reihen einige Steine
geflogen waren.
Keineswegs werden den sechs Menschen, deren Prozess jetzt auch mal beginnt,
Steinwürfe zur Last gelegt. Die Staatsanwaltschaft versucht über das
Konstrukt einer „gemeinschaftlichen Tat“ zu argumentieren, dass bereits das
bloße Mitlaufen auf der Demo „psychische Beihilfe“ für die Steinwürfe
gewesen sei. Offensichtlich wäre eine Verurteilung ohne Nachweis von
individuellem Fehlverhalten ein schwerer Schlag gegen das Grundrecht auf
Versammlungsfreiheit.
Am Dienstag um 19 Uhr informiert [7][eine Podiumsdiskussion] im Mehringhof
deshalb über das Verfahren. Zum Protestauftakt wird es am Samstag (20. 1.)
in Hamburg auch eine Demo geben, zu der bundesweit mobilisiert wird. Aus
Berlin fährt an dem Tag um 10:30 Uhr an der Ecke Ostbahnhof / Koppenstraße
ein Solibus (vorherige Anmeldung unter
[8][[email protected]], empfohlener Solibeitrag 15 Euro).
## Klimakrise und Faschismus bekämpfen
Aber noch weitere Themen, die von der politischen Linken bespielt werden,
gehen eigentlich auch die Bäuer:innen an. So betrifft etwa
Wasserknappheit, wie sie die Klimakrise auslöst und etwa vom Tesla-Werk in
Grünheide verstärkt wird, auch die Landwirte. Jeden Monat veranstaltet
[9][die BI „Tesla den Hahn abdrehen“] Führungen mit vielen Infos und
Neuigkeiten. Der Termin ist auch eine gute Gelegenheit, sich zu vernetzen,
um aktiv gegen den Ausbau der Fabrik zu werden. Los geht es am Samstag (13.
1.) um 13 Uhr am Regionalbahnhof Fangschleuse.
Wie fossile Großkonzerne seit Jahrzehnten effektive Klimamaßnahmen
verhindern, darum geht es am Sonntag (14. 1., 20 Uhr) beim Filmabend
[10][in der Tristeza] (Pannierstraße 5), wo auf der Leinwand „[11][Klima –
Im Würgegriff der Ölkonzerne]“ flimmern wird. Wie sich die Gesellschaft
(auch Bäuer:innen) dagegen wehren kann und wie die notwendige
Transformation der Gesellschaft aussehen könnte, zeigt der Film „[12][Der
laute Frühling]“, der am Montag (15. 1., 19 Uhr) [13][in der B-Lage]
(Mareschstraße 1) gespielt wird.
Denn dies ist die Perspektive, die Ampelparteien (plus CDU) und Faschisten
gleichermaßen Angst einjagt: Ein tatsächlich gerechtes Umverteilungs- und
Transformationsprojekt.
Der Blick in die Geschichte zeigt, wozu bürgerliche Parteien fähig sind, um
solche Ideen zu verhindern: Am 15. Januar 1919 wurden Rosa Luxemburg und
Karl Liebknecht von faschistischen Freikorps unter Billigung der SPD
erschossen. Ihnen gedacht wird jedes Jahr auf der [14][traditionellen
LL-Demo], die am Sonntag (14. 1.) um 10 Uhr am Bahnhof Frankfurter Tor
losgeht. Vielleicht wird dabei deutlich werden, dass es letztlich die
befreite Gesellschaft bedarf, um die Nazis vom Acker zu jagen.
9 Jan 2024
## LINKS
[1] /Start-der-Bauernproteste/!5982195
[2] /Entscheidung-ueber-Bundeshaushalt/!5976366
[3] /Landarbeiter-ueber-Bauernprotest/!5982047
[4] https://dd.fau.org/2024/01/02/solidaritaet-mit-baeuerinnenprotesten-und-gdl…
[5] /Demonstrationen/!5982136
[6] /Prozess-in-Hamburg-nach-G20-Protesten/!5487396
[7] https://stressfaktor.squat.net/node/302987
[8] /[email protected]
[9] https://t-den-hahn-abdrehen.org/
[10] https://stressfaktor.squat.net/node/289194
[11] https://www.arte.tv/de/videos/095731-001-A/klima-im-wuergegriff-der-oelkon…
[12] https://de.labournet.tv/project/der-laute-fruehling
[13] https://stressfaktor.squat.net/node/302505
[14] http://www.ll-demo.de/index.html
## AUTOREN
Timm Kühn
## TAGS
Schwerpunkt G20 in Hamburg
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